Stimmige Klavierkunst zu vier Händen

Musik

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Das Konzert der Reihe «Abendbier zum Klavier»* mit Marian Rosenfeld und Hendrik Heilmann hielt in Rotkreuz ein vierhändig gespieltes Programm parat – mit Werken des 19. Jahrhunderts. Ergänzt wurde es durch das vielversprechende Debut der Solo-Violinistin Johanna Kulke.

  • Marian Rosenfeld und Hendrik Heilmann begeistern am Flügel einen nahezu voll besetzten Singsaal. Bild: Stefan Kaiser (Rotkreuz, 30.1.2024)
    Marian Rosenfeld und Hendrik Heilmann begeistern am Flügel einen nahezu voll besetzten Singsaal. Bild: Stefan Kaiser (Rotkreuz, 30.1.2024)

Rotkreuz – Schon mit den Begrüssungsworten freute sich Markus Marthaler, Leiter der veranstaltenden Agentur, über eine praktisch voll besetzte Aula der Musikschule Rotkreuz. Eine angenehme Akustik und die Qualität des Steinway-Flügels liessen das hohe Können der beiden Interpreten in bestem Licht erscheinen. Die Auswahl der Komponisten war alles andere als ein Zufall; fast alle bedeutenden Werke für Klavier vierhändig entstanden im 19. Jahrhundert.

Bis weit ins 18. Jahrhundert genügten Klangvolumen und Tonumfang der Tasteninstrumente nicht, um mehrere Interpreten ans gleiche Instrument zu setzen. So werden beispielsweise für die Bach-Cembalokonzerte zu vier bis acht Händen stets mehrere Instrumente nebeneinander gestellt. Noch Schubert musste sich mit einem im Vergleich zu heute bescheideneren Klangvolumen begnügen, was seiner kompositorischen Fantasie aber keinen Abbruch tat. Erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde einigermassen das heutige Klangbild erreicht, von Dvořák bis in die extremen Lagen der Oberstimme voll ausgekostet; während die Vierhändigkeit bei Schumann selten die äussersten Grenzen der Tastatur benützte.

Kinderstücke für Erwachsene

Das vierhändige Klavierspiel ist wohl die engste und intimste Form im kammermusikalischen Zusammenspiel. Die beiden Interpreten berühren sich fast, eine Differenzierung nach Klangcharakter und Tonlage des Instruments ist im Gegensatz zur Kammermusik der Streicher und Bläser nicht möglich, und selbst über scheinbar nebensächliche Dinge wie das Bedienen des Pedals, das Wenden der Seiten und das Aufstehen ganz am Schluss müssen sich die Partner minutiös verständigen.

Das Klavierduo Rosenfeld-Heilmann entstand erst auf das Konzert in Rotkreuz. Durch intensive Vorbereitung wurde aber trotzdem ein sauberes und musikalisch logisches Zusammenspiel erreicht. Die beiden leisteten sich sogar den Luxus, innerhalb des Programms mehrmals die Plätze für den hohen und tiefen Part zu wechseln.

Robert Schumann schrieb seine «Klavierstücke für kleine und grosse Kinder» Opus 85 ursprünglich für einen Kindergeburtstag. Aber schon nach den ersten beiden Sätzen war klar, dass sich das Werk mit seiner anspruchsvollen spieltechnischen und musikalischen Struktur an erwachsene Interpreten richtete. In der Satz-Auswahl – und zusätzlich durch die effektiv gespielten Tempi – dominierten im ganzen Programm (nicht nur bei Schumann) Behändigkeit und Virtuosität. Das Eingangsthema des Schubert-Satzes D947 dokumentierte eine trotz unterschiedlicher physischer Voraussetzungen gemeinsame wuchtige Anschlagskultur, die aber sofort dem mehr lyrischen Gehalt des Seitenthemas angepasst wurde.

Das gedruckte Programm endete mit einer Auswahl der Slawischen Tänze von Antonín Dvořák, Opus 46 und Opus 72, die dem Komponisten dank der Fürsprache von Johannes Brahms und dem Entgegenkommen des Simrock-Verlages die Tür zu Weltruhm öffneten. Neben zahlreichen Bearbeitungen – auch vom Komponisten selbst – hat sich das Original bis in die Gegenwart behaupten können. Als Zugabe erklangen zwei Sätze aus Georges Bizets «Jeu d’enfants» Opus 22 – wie bereits bei Schumann ein «Kindertitel» für erwachsene Interpreten.

Schon der Auftakt mit der jungen Sologeigerin Johanna Kulke erreichte hohes spieltechnisches Niveau. Zwei Sätze aus der Solosuite Opus 117, Nr. 2 von Max Reger dokumentierten in makelloser Ausführung die sehr anspruchsvolle Übertragung einer dreistimmigen Fuge auf ein einzelnes Saiteninstrument. (Text von Jürg Röthlisberger)

Hinweis

*Die von Marian Rosenfeld gegründete Konzertreihe «Abendbier zum Klavier» will das Publikum niederschwellig an klassische Musik auf hohem Niveau heranführen. Die Gäste erhalten beim Eintreffen ein Bier, das in den Konzertsaal mitgenommen werden kann. Die Interpretinnen und Interpreten führen jeweils mit persönlichen Worten und auf lockere Art in die gespielte Musik ein. Weiteres zur Konzertreihe unter www.abendbier-klavier.ch