Wenn plötzlich das Wasser weg ist

Theater & Tanz

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Die «Junge Bühne Zug» bietet einen irritierend-ironischen Blick auf das schwer gestörte Verhältnis zwischen Mensch und Natur.

  • Alles beginnt mit dem Normalsten der Welt: einem Glas Hahnenburger. (Bild Matthias Jurt)
    Alles beginnt mit dem Normalsten der Welt: einem Glas Hahnenburger. (Bild Matthias Jurt)

Zug – Weg. Das Wasser. Nur die Erinnerungen daran bleiben – in Form von stummen Videos. Feiernde Jugendliche sind zu sehen, an eine Seitenwand projiziert, auf der sie das Publikum über den ganzen Abend hinweg begleiten. Anders als auf den Videos ist es dem Schwimmbadbetreiber Berit jetzt nicht mehr möglich, Poolpartys zu veranstalten. Aber ist Baden nicht ein Menschenrecht?

Nicht nur Wasser, sondern auch Hoffnung ist kaum mehr viel vorhanden, in diesem vor Aktualität nur so strotzenden Stück der Schweizer Theaterregisseurin Maria Ursprung. «Die nicht geregnet werden» entstand als Auftragswerk für das Theater St.Gallen, wo es 2022 zum ersten Mal inszeniert wurde. Vergangenen Freitag kam es zur Premiere im Kinder- und Jugendtheater Zug, gespielt von der «Jungen Bühne».

Die grosse Frage: Was passiert, wenn die ursprünglich überall und in Unmengen erhältliche Ressource knapp ist? Zunächst viele Diskussionen: «Das Freibad ist absolut überflüssig», meint der Schwarm von Berit auf der grünen Wiese vor den orangenen Umkleidekabinen. Schliesslich könne mit dem eingesparten Wasser anderswo Leid vermieden werden. «Zwanghafter Optimismus, kein Zusammenhang», antwortet ihr der ­Patron trocken, während er in seinen Erinnerungen an das «wohlige Quietschen von Haut auf der Plastikrutsche» schwelgt.

Die Frage nach dem adäquaten Verhalten in der Notsituation begleitet alle Kurzgeschichten, die das Stück abwechselnd verfolgt. Eine Professorin beantwortet diese, indem sie eine Weltreise auf dem Fahrrad antritt. Sie hatte ihren Lehrstuhl verloren, nachdem sie sich an einem Kongress vor den Fachkollegen eine Katastrophe wünschte, «wirklich spürbar» für alle, damit die Menschen zur Einsicht kommen. Sie ist wohl so desillusioniert wie die Lausanner Professorin Julia Steinberger, die sich kürzlich in der echten Welt dem zivilen Widerstand anschloss.

Keine Antworten auf die aufgeworfenen Fragen

Die Erzählform aus verschiedenen Blickwinkeln drängt sich angesichts des komplexen Sujets auf, allerdings behandelt das Stück die aufgeworfenen Fragen – auf die es keine Antworten gibt – teilweise nur kurz, bevor es zur nächsten Szene eilt. Wenn Berit etwa für irgendwelche Schildkröten spontan Geld spendet («sie sind so süss!»), wird er darauf von seinem Schwarm gerügt: Er solle sich doch besser informieren und gefälligst zielgerichtet spenden. Mehr als eine direkte Abbildung der Realität offenbart sich dem Laienzuschauer hier nicht. Nicht schlecht wirken die abrupten Übergänge, in der wie bei Filmüberblendungen der letzte Teil einer Szene gleichzeitig als Auftakt zur Folgenden dient. Wie die Pluralität der Figuren, die im Programmheft unter anderem als Tiere bezeichnet werden und sich immer mal wieder als Wassertropfen zu einer Wolke vereinigen möchten, symbolisieren die Übergänge, dass alles mit allem verbunden ist. Zum Beispiel das Tragische mit dem Komischen. So antwortet die Politikerin im Presseinterview auf die Frage nach den Ursachen für die aktuelle Lage: «Entgegen meinen Erwartungen wurde das Wasser zu spät privatisiert.»

«Die nicht geregnet werden» ist aufgrund den vielen angeschnittenen Themen und ständigen Wechseln anspruchsvoll für den Zuschauer. Am Freitag lebte es dank selbstsicheren Schauspielerinnen auf. Authentisch und präsent spielte Mauro Koch seine Figur. Die Verlorenheit seines Schwarms und «Goldregenpfeiffer» (Maribel Fürrer) drückte direkt auf die eigene Stimmung.

Gut, dass wir uns im Wasserschloss Schweiz keine Sorgen machen müssen. Bis jetzt. Text von Fabian Gubser)

 

Hinweis

Die nächsten Aufführungen finden statt am 25./26. Januar (19.30 Uhr) und am 27. Januar (17 Uhr).