Mit Grobem zum Filigranen

Kunst & Baukultur

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Die Holzgebilde und Zeichnungen von Pascal Murer scheinen nicht von dieser Welt – und doch sind sie ganz Mutter Natur entlehnt. Das Hauptwerkzeug des Urner Künstlers ist mehr als unkonventionell.

  • Pascal Murers teils übermanns- hohe Holzskulpturen leben vor allem durch die Bewegung und den Fluss der Konturen.  (Bild Werner Schelbert)
    Pascal Murers teils übermanns- hohe Holzskulpturen leben vor allem durch die Bewegung und den Fluss der Konturen. (Bild Werner Schelbert)

Zug – Die Natur ist die beste Künstlerin, war es schon immer und bleibt es – was sie hervorbringt, hat den Menschen von Anbeginn fasziniert. Naheliegend ist es somit, dass Mutter Natur seit jeher oberste Inspirationsquelle für Kunstschaffende aller Epochen ist. Auch dem Werk Pascal Murers steht die Natur Patin. Nicht nur entlehnt er ihr seine eigene unverkennbare Formensprache, auch die Mittel, die zur Anwendung kommen, sind hauptsächlich natürlich gewachsene Materialien. Der Urner Skulpteur und Zeichner ist derzeit mit seinen typischen Holzgebilden und Zeichnungen in der Galerie Urs Reichlin vertreten.

Die Objekte aus einheimischen Hölzern wirken archaisch, sind aber doch so filigran wie verletzlich und zerbrechlich zugleich. Diese kontrastierende Wirkung in sich wird noch intensiver, wenn der Betrachter um den Entstehungsprozess weiss: Alles arbeitet der 50-jährige Urner mit der Motorsäge aus, wie zart die Elemente und Durchbrüche schlussendlich auch immer sein sollen, wie luftig, wie licht – sie sind mit grobschlächtigem Gerät geformt. Im Nachgang verwendet Murer eine Flamme, mit der er die Oberfläche bearbeitet, stellenweise schwärzt, dann wieder mit Kalk behandelt – ein aufwendiger Prozess, durch den er seinen Werken eine charakteristische, geschmeidige Patina gibt.

Bewegung ist allgegenwärtig

Ungeachtet dessen, welchem Element der Natur Murer das jeweilige Objekt entlehnt – als quasi roter Faden zieht sich das Thema der Bewegung durch sein ganzes Werk. Starre, gerade Linien sucht man vergebens, es lebt, windet sich dynamisch in hocheleganter Manier vertikal wie horizontal, alles fliesst – «panta rhei», wie es bei Heraklit so schön heisst. Der Mensch und sein Körper als Schöpfung der Natur haben in Murers Werk einen hohen Stellenwert. Insbesondere die anmutige weibliche Physis findet sich in vielen seiner Skulpturen und Zeichnungen wieder. Dies in vielfältiger Ausprägung. Präsentiert sich hier die Frau in modellhafter Manier sinnlich und erotisch, so lässt sie sich da, wo ihre Körperformen nur mehr andeutungsweise oder gar schemenhaft ausgeprägt sind, bloss noch erahnen. Die Grenze zwischen gegenständlich und abstrahierend verschwindet. Das skulpturale Arbeiten nennt der Künstler selber «dreidimensionales Zeichnen». Die Zeichentechnik liegt dem gesamten Schaffen des Urners zugrunde. Auch bei seinen Bildern kommen hauptsächlich irdische Materialien zur Anwendung; Kohle, Kreide, Tusche, Baumwolle als Träger. Pascal Murer entstammt einer Künstlerfamilie. Aufgewachsen in Altdorf, liess er sich in Brienz und Salzburg ausbilden. Während seiner späteren Tätigkeit an der Wiener Secession machte Murer Bekanntschaft mit einflussreichen Exponenten der Gegenwartskunst. Heute lebt Pascal Murer in Minusio und arbeitet in seinem Atelier in Locarno.

Hochfeine Landschaftsmalerei

Parallel zum Ausstellungsschwerpunkt Pascal Murer zeigt die Galerie Urs Reichlin eine feine Auswahl an Gemälden von Hubert Nanzer. Der 68-jährige Künstler aus Weggis wohnt seit Jahren in Costa Rica, wo seine Bilder entstehen. Als Vorlage dienen ihm grundsätzlich Fotografien. Neben Landschaftsmotiven aus dem nordamerikanischen Kontinent malt Nanzer vor allem alpine Ansichten der Schweiz, insbesondere solche in seiner Heimat. Das Urirotstock-Massiv überwältigt den Betrachter durch die fotorealistische Ausführung gleichermassen wie die sonnenverwöhnte Dent Blanche oder der Pilatus im mystischen Licht.

Nanzers Bergpanoramen, Landschaftsausschnitte und wetterbeeinflussten Stimmungsbilder sind hochfeine Ölmalerei auf Leinwand. Seine Technik besticht bereits insofern, als sich frappante Detailtreue aus der richtigen Entfernung betrachtet in vollster Pracht präsentiert und der Effekt verstärkt wird durch das geschickt eingebrachte, stimmungsbildende Element des Lichteinfalls. (Andreas Faessler)

Hinweis
Werke von Pascal Murer und Hubert Nanzer in der Galerie Urs Reichlin, Baarerstrasse 133, Zug. Ausstellung bis Samstag, 3. Juni.