Die andere Sicht auf Zugs Kultur

Dies & Das

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Hier wird die Gesellschaft dokumentiert, und sie merkt es gar nicht: doku-zug.ch ist eine Art Nachrichtendienst für alle. Und eine Goldgrube für Kulturschaffende.

  • Aus der Serie «Seesichten» von Andreas Busslinger.
    Aus der Serie «Seesichten» von Andreas Busslinger.

Zug – Ganz versteck liegt es, gleich neben der Stadt- und Kantonsbibliothek in Zug, und wer es entdeckt, der fühlt sich, als sei er auf einen heimlichen Schatz gestossen. Als dürften nur Eingeweihte das kleine Archiv betreten. Dabei ist das Dokumentationszentrum doku-zug.ch genauso öffentlich wie sein grosser Nachbar. Und wer sich durch die Türe wagt, dem eröffnet sich eine ganz neue Welt der Informationsbeschaffung: doku-zug.ch ist eine Art Nachrichtendienst für jedermann, ohne Komplott und Geheimnistuerei, aus reiner Leidenschaft für die Dokumentation. Seine Agentinnen sammeln seit 1994 zu einer breit gefächerten Themenwahl alle Artikel, die sie bekommen können. Von Wirtschaft über Rechtsprechung und Politik bis Landwirtschaft, Tourismus und Kultur. Auf dem hellen Parkett, in schönen Räumen voller Aktenschubladen und Bücherregale lagert ein Teil der zwei Millionen Dokumente, zusammengestellt zu Dossiers, alles zu einem Thema in einer Mappe, der Rest liegt im externen Archiv.

Eine Mappe voller Konzerte

«Das ist der Mehrwert, den wir bieten», sagt Sybilla Schmid, die Geschäftsleiterin von doku-zug.ch. Sie steht an der Kaffeemaschine, es ist früh morgens, und das Archiv noch nicht geöffnet. «Die Dossiers sind nach Themen geordnet. In ihnen sind nicht nur Zeitungsartikel, sondern auch Kleinschriften wie Flyer, Inserate und Anzeigen.» Kein mühsames Internet-Durchstöbern, keine Paywalls oder Datenbank-Abos, an denen man stecken bleibt. Wer zu einem Zuger oder Deutschschweizer Thema einen Rundumblick in die Medienwelt werfen will, braucht nur die richtige Schubladen zu finden und die richtige Mappe zu zücken. «Und sie dann am richtigen Ort wieder zu versorgen», sagt Schmid und lacht, «nein, das machen wir für unsere Kunden. Sonst finden wir nachher nichts mehr.»

Zum Beispiel: Wer sich für die Jazz Night Zug interessiert, findet ein Dossier mit 176 Dokumenten, gesammelt seit 1994. Zur IG Kultur existieren 231 Dokumente, das älteste aus dem Jahr 1982. Wer etwas über Rock und Popmusik in Zug wissen möchte, findet eine dicke Mappe nur schon über das Jahr 2013, voller Plakate und Flyer und Zeitungsartikel, vom Festival «Rock the Docks» bis zur Plattentaufe von «Stuberein». Da gibt es ein Dossier über E-Musik aus der Stadt Zug, eines aus dem Kanton und eines für den Rest der Schweiz.

Begonnen hat es ganz klein

Aber wieso führt eine private Institution so akribisch Buch über die Gesellschaft, was steckt c dahinter? doku-zug.ch ist ganz klein entstanden. «Der Gründer, Daniel Brunner, wollte als Unterstützung in seiner Arbeit als Politiker ein Archiv an Pressematerial anlegen. Für ein besseres Verständnis von Sachfragen», sagt Schmid und ergänzt, «irgendwann hat er dann angefangen, auch andere Themen abzudecken: Dies und jenes war ja auch interessant, und es wäre schade gewesen, wäre das verloren gegangen.»

Das Archiv des Landis & Gyr-Erbens, der während elf Jahren für die Sozialistisch Grüne Alternative Zug (SGA, heute Alternative - die Grünen Zug) im Grossen Gemeinderat der Stadt Zug sass, hat eine Eigendynamik entwickelt: Es wollte gefüllt werden. Und so ist es über die Jahrzehnte gewachsen, hat sich professionalisiert. Mittlerweile arbeiten 13 Leute daran, dass es ständig aktuell bleibt: «Was heute in der Zeitung steht, das ist in neun Tagen bei uns im Archiv», erklärt Schmid. Und ergänzt: «Unser Ziel ist eine Woche.»

Ganze Klassen auf Recherche

Die Themen des Archivs haben sich im Laufe seiner Entwicklung immer weiter ausgedehnt. Sport und Kultur zum Beispiel: «Die waren ganz bestimmt nicht von Anfang an dabei. Aber wir haben gemerkt, sie sind genauso wichtig.» Aber für wen ist das Ganze? «Unser Wunschkunde ist ein Mittelschüler oder Student, oder überhaupt alle, die sich in einer Aus- oder Weiterbildung befinden. Ich denke, denen nützt es am meisten», sagt Schmid und zückt den Jahresbericht, «nur finden die ganz selten den Weg zu uns». Es gebe jedoch zwei Lehrer an der Kantonsschule Zug, die ihre Klassen zu doku-zug.ch bringen.

Das heisse aber nicht, dass das Archiv nicht benützt werde, im Gegenteil: «Letztes Jahr hatten wir 1500 Kundenbesuche, dieses Jahr werden es 2000 sein», sagt Schmid. «Es kann noch ein bisschen weiterwachsen, aber irgendwann müssen wir akzeptieren, dass die Grenze erreicht ist.» Die Benutzer von doku-zug.ch sind vielfältig: Private, die ihrem Interessengebiet nachgehen, Journalisten, Politiker, aber auch Künstler. Sie alle profitieren von der persönlichen Betreuung durch die Mitarbeitenden. «Es haben schon Theatergruppen bei uns für ihre Stücke recherchiert», sagt Schmid, «aber auch Romanautoren und andere Kunstschaffende».Zum Beispiel eine ganze Luzerner Videoklasse: «Da kommt jeder Studiengang zu uns. Die recherchieren sehr spezifische Themen, und finden trotzdem immer etwas.»

Die Poesie des Archivmaterials

Daneben ist das Dokumentationszentrum auch selber ein Ort für Kultur: Im Moment wird in der Ausstellung «Seesichten Zugersee» exemplarisch gezeigt, wie poetisch so eine Sammlung sein kann. Der Zuger See steht in all seinen Aspekten auf Plakatrahmen an der Wand: Wunderbare Bilder, hitzige Leserbriefe, Dokumente eifriger Diskussion. Da geht es ums Nacktbaden und um die Seeverschmutzung. Um mutige Ideen zum Durchstoss nach dem Vierwaldstättersee, um Motorboote und zwei Jugendbewegungen, die jeweils das Gegenteilige mit ihnen im Sinn hatten. So lebendig kann die Geschichte werden, aus dem Blickwinkel von doku-zug.ch. Ein Blick wie aus vielgefächerten Facettenaugen, einer der durch die Jahrzehnte geht.

Ganz auf privater Basis

Das alles ist für den Kunden kostenfrei, und soll es auch bleiben. Finanziert wird doku-zug.ch durch den Gründer, es werden aber weiterführende Ideen über den Erhalt der Institution entwickelt. «Es gibt schon länger Gedanken darüber, eine Stiftung zu gründen, die das Dokumentationszentrum tragen könnte», sagt Schmid. Einen öffentlichen Auftrag, vom Kanton oder der Stadt Zug etwa, hat das Zentrum nicht. Und will es auch nicht unbedingt: «Dann müssten wir viele Bereiche streichen, die etwa im Zuger Staatsarchiv oder der Bibliothek ebenfalls behandelt werden, wenn auch auf andere Weise», begründet die Geschäftsleiterin. «Nur hat unsere Methode einen grossen Vorteil: Bei uns kann man nach Themen suchen, nicht nur nach dem Datum der Herausgabe.»

So behält die Institution vorderhand ihren speziellen Charakter und leistet einen öffentlichen Dienst aus privater Initiative. Und das ist auch in Ordnung, sagt Schmid. «Es darf auch Spezielles geben, wenn es gut ist. Und es ist noch keiner unglücklich aus unserem Archiv gelaufen.»

(Falco Meyer/Zug Kultur)

Dieser Artikel wurde im Zug Kultur Magazin Nr. 3/2013 veröffentlicht, das im Archiv kostenlos als PDF heruntergeladen werden kann.