Die Symbiose von Wohn- und Naturraum

Kunst & Baukultur

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Ein herausragendes Beispiel von Kunst am Bau bestimmt den Eingangsbereich des Zuger Parktowers. Es verdiente mehr Beachtung.

  • Das Kalksteinrelief «Acacia» ist rund elf Meter lang und heisst Eintretende im Parktower willkommen. Bild: Peter Hofstetter
    Das Kalksteinrelief «Acacia» ist rund elf Meter lang und heisst Eintretende im Parktower willkommen. Bild: Peter Hofstetter

Zug – Der 2014 fertiggestellte Parktower setzt im Stadtbild Zugs einen einzigartigen architek­tonischen Akzent. Mit seinen 25 Stockwerken auf 81 Metern Höhe erhebt sich der Turm ikonisch über der Nordstadt. Dass das neue Wahrzeichen Zugs auch ein bemerkenswertes Beispiel für Kunst am Bau birgt, entzieht sich wohl der allgemeinen Wahrnehmung. Dabei reicht bereits ein Blick durch die verglaste Eingangsfront, um des eindrücklichen Werkes gewahr zu werden – insbesondere in den Abendstunden, wenn im Foyer die Beleuchtung eingeschaltet ist.

Wir sprechen von einem mo­numentalen beigefarbenen, raumhohen Relief von rund elf Metern Länge. Es nimmt die gesamte Rückwand im Eingangs­bereich ein und zieht sich seitlich – von vorne nicht erkennbar – noch ein Stück in die Tiefe. An ihm kommen alle Ein- und Ausgehenden vorbei auf dem Weg zu oder von den Aufzügen. Die feinteilige Reliefarbeit trägt den Namen «Acacia» (Akazie) und ist das Werk der Zürcher Künstlerin Maja Thommen.

Dargestellt sind Baumgeäst mit Blattwerk hinter einem maschendrahtartigen Geflecht von über 130 identischen Menschenfiguren, die sich rhythmisch aneinanderreihen, ja miteinander verbunden sind über Hände und Füsse. «Meine Überlegung dabei war, dass ich das Thema Park und Natur mit dem Hochhaus als Wohn- und Arbeitsbereich von Menschen miteinander verbinde», erklärt Maja Thommen. Als Grundlage für die Ebene mit dem Blattwerk diente ihr die Fotografie einer Akazie. Daher leitet sich der Werktitel ab.

Matt und glänzend im Kontrast

Das Relief baut sich über drei Ebenen aus dünnen Kalksteinplatten auf: Die hinterste Ebene ist nach einem Sandstrahlverfahren in ihrer Oberflächenbeschaffenheit leicht körnig. «Das hebt den Charakter des Steins hervor», erklärt die Künstlerin. Die beiden ineinandergreifenden Ebenen mit den Pflanzenteilen und den Menschen sind ausgefräst und von Hand nachbearbeitet. «Die Ebene mit den Menschen ist im Nachgang leicht poliert worden», sagt Maja Thommen. Der damit entstandene Glanz steht im Kontrast zum Hintergrund.

Die grossflächige Schaufront von «Acacia» setzt sich aus neun rechteckigen Elementen zusammen, von denen jedes um die 150 Kilogramm wiegt. Der Stein ist so dünn und zart, dass er rückseitig mit sogenannten Honeycombs stabilisiert ist, einer Art Metallgeflecht, das die Platten verstärkt und die Gefahr von Beschädigungen reduziert. «Dass auf mehreren Ebenen mit so geringer Tiefe eine unterschiedliche Oberflächenbear­beitung möglich war, ist der Zusammenarbeit mit einer spezialisierten italienischen Firma zu verdanken, die über neuartige Techniken verfügt», erklärt die Künstlerin, die seit vielen Jahren in der Toskana lebt und arbeitet. Von den ersten Skizzen über die Modellherstellung und einer vektorisierten Vor­lage bis hin zur plastischen Ausführung des Kunstwerks ist rund ein Jahr verstrichen – «ein sehr arbeitsreiches», erinnert sich Maja Thommen. Es war ihre erste Auftragsarbeit in dieser Grösse und somit eine bedeutende Erfahrung in ihrem Schaffen, wie sie sagt. «‹Acacia› ist für mich eine wichtige Referenzarbeit.»

Dass der Auftrag für die Foyergestaltung des Parktowers an die Zürcherin ging, war für sie ein Glücksfall. Die Architekten des Turmes hatten ursprünglich eine hinterleuchtete Fotoinstallation im Eingangsbereich vorgesehen, rekapituliert sie. Doch sei schliesslich der Wunsch der Investoren höher gewichtet worden – diese wollten eine Reliefarbeit. Eine Bekannte der Künstlerin, welche im Turm mit dem Erwerb von Wohnraum beauftragt war, vermittelte in der Folge den entsprechenden Kontakt. Von drei eingereichten Vorschlägen Thommens fiel die Wahl auf «Acacia».

Austausch verlief schleppend

Umsetzung und Installation gemeinsam mit einem Fachmann seien nicht ganz ohne Probleme verlaufen, erinnert sich Maja Thommen. Der Austausch mit den Zuständigen aus der Ferne lief zuweilen etwas schleppend, Abmessungen wurden ohne Rücksprache verändert, was nachträglich eine aufwendige Anpassung an der Reliefarbeit erforderlich machte. Ferner ist die Aufmerksamkeit für die Kunst am Bau im Parktower allmählich etwas in den Hintergrund geraten, wohl weil die Investoren angesichts des Wandels im Immobilienmarkt mit anderen Dingen beschäftigt waren.

So ist das eindrückliche Kunstwerk 2015 installiert und ziemlich sang- und klanglos seiner Bestimmung übergeben worden; ohne eine Vernissage, was sonst üblich ist. Das dürfte dann mit ein Grund sein, warum das riesige, raumfüllende Kunstwerk nicht so richtig ins Bewusstsein der Zugerinnen und Zuger gelangt ist. Umso mehr lohnt es sich also, beim Vorbeigehen einen Blick in die Parktower-Eingangshalle zu werfen. (Text von Andreas Faessler)