Der «Hasebüeler» passte in kein Schema

Brauchtum & Geschichte

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Der Stadtzuger Pirmin Uttinger ritt auch mal zum Einkauf. Dass ihn einige belächelten, war ihm herzlich egal. Er nervte auch Bundesräte.

  • Pirmin Uttinger protestierte gern hoch zu Ross, hier vor der EPA (dem heutigen Coop City) in Zug, gegen den Bau der Bruibachbrücke. (Archivbild)
    Pirmin Uttinger protestierte gern hoch zu Ross, hier vor der EPA (dem heutigen Coop City) in Zug, gegen den Bau der Bruibachbrücke. (Archivbild)

Zug – Märchen beginnen oft mit der Floskel «Es war einmal». Der Spruch passt – bis auf einen sehr wesentlichen Teil – zu Pirmin Uttinger (1918–2004). Seine Lebensgeschichte ist – bis auf die eine oder andere Übertreibung oder Dramatisierung – eine ausgezeichnet belegbare Chronik verschiedener Federn.

Die Autorin Johanna Gnos zeichnet im Zuger Neujahrsblatt im Jahre 2000 einen Mann, «der sein Haus dreifach umzäunt hat, sich mit Tieren umgibt und mit einem Schild Unbefugten den Zutritt zum Privatgelände untersagt». In einem ersten Gelände-Überblick notiert sich Gnos im Weiteren, dass der Stallbereich und der Hausbezirk «unterschiedslos» verwildert» seien.

Das Bild zur Geschichte mit dem Titel «Landmann auf dem Hasenbüel» ist bezeichnend für Pirmin Uttinger. Der Bauer steht mit ausgestreckten Armen zwischen zwei Vierbeinern, im Pferdegehege. Eine Haltung, um dem Gegenüber die Botschaft zu vermitteln, dass er die Pferde beschützt.

Es hiess, er würde auf Besucher schiessen

Einen anderen Blickwinkel bot sich dem Zuger Schriftsteller und Historiker Michael van Orsouw. Wohlwollender war dieser auf jeden Fall. Orsouw schreibt im Buch «Lost in Tugium» aus dem Jahre 2013 zu Uttinger: «Der bärtige alte Bauer mit den leuchtenden Augen». Der Schriftsteller wuchs im Quartier auf, in dem das Stadtoriginal oberhalb der Klinik Meissenberg einst lebte. Auch van Orsouw beschreibt in seinem Essay, dass über den «Hasebüeler» abenteuerliche Geschichten kursierten. In einer solchen hiess es, dass Uttinger auf jeden schiessen würde, der sich seinem Hof nähere. Das habe ihm Angst gemacht.

An einen Schuss kann sich Michael van Orsouw nicht erinnern und beschreibt den Mann vom Hasenbüel so: «Pirmin Uttinger war friedfertig, wenn er redete, und hatte eine auffallend hohe Stimme, die ihn weich und auch verletzlich erscheinen liess.» Vielen Menschen begegnete Uttinger in der Stadt. Der Bauer fiel schon deshalb auf, weil er jeweils mit seinem Lieblingspferd «Hansi» in die Stadt herunter ritt. Vom Autoverkehr liess er sich nicht bremsen.

Van Orsouw beschreibt die Szenerie mit Uttinger vor dem Migros an der Grabenstrasse so: «Er hielt Hof, erzählte dies und das, er kannte sich in der Geschichte aus, er hatte einst die Mittelschule mit der Matura abgeschlossen.» Darauf folgten ein Sprachaufenthalt in England und der Besuch einer landwirtschaftlichen Schule. Uttinger leistete im Zweiten Weltkrieg Aktivdienst an der Schweizer Grenze – bis zum letzten Kriegstag. Ein Utensil Uttingers aus dieser Zeit, ein Militär-Tornister, gehört seit 2023 zur Sammlung des Museums Burg Zug.

Er wusste viel über Geschichte und Geografie

Ob der «Hasebüeler» oft über diese Zeit erzählte, ist nicht bekannt. Aber er verfügte, so ist in einer kurzen Lebensbeschreibung des Bauern im aktuellen «Tugium» zu lesen, dass der Bauer über ein umfassendes Wissen über Geschichte und Geografie verfügt habe. Er sei auch belesen gewesen. Es wird auch berichtet, dass er an Korporations- und Bürgergemeindeversammlungen häufige und deutliche Voten abgegeben habe. Zudem habe er bei Einbürgerungsanträgen konsequent Nein gestimmt. Der «Hasebüeler» wandte sich auch häufig in Leserbriefen an die Öffentlichkeit.

Er nervte auch die CVP-Bundesräte Flavio Cotti (1939–2020) und Arnold Koller. Pirmin Uttinger bestürmte diese, dass es ein Antirassismusgesetz nicht brauche, und drapierte einen Maulkorbsticker auf seinen Hut. Als Koller genug hatte, griff er den Aufkleber, sackte ihn ein und lief davon. Uttinger sei verdutzt stehen geblieben.

Der beste Kenner des legendären Bauern ist der ehemalige Zuger Stadtrat Andreas Bossard. Dieser beschreibt den «Hasebüeler» als einen, der einfach und zufrieden lebte. Uttinger soll auch zeitlebens über keinen Strom- und Telefonanschluss verfügt haben. Sein Lebensziel war, so Bossard, der Erhalt seines geliebten Hasenbüels gewesen. Uttinger liefert Bossard auch immer wieder einmal Stoff für eine Mundart-Kolumne.

2008 lancierten Zugerinnen und Zuger eine Volksinitiative für den Erhalt des Hasenbüels. Sie kam zustande, aber die Bauherrschaften hatten schon mit dem Abriss des damals gegen 180 Jahre alten Bauernhauses begonnen. Die Initiative war nicht mehr durchsetzbar.

Michael van Orsouw schreibt zum fiktiven Gemütszustand von Pirmin Uttinger bei diesem Zustand: «Er wäre traurig. Sehr traurig.» (Text von Marco Morosoli)

 

Hinweis

Dieser Artikel ist Teil der Serie «Zuger Dorforiginale».