Seit über 50 Jahren verliebt wie am ersten Tag

Literatur & Gesellschaft

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Als junge Erwachsene haben sich Ernst und Jacqueline Küng etliche Liebesbriefe geschrieben. Diese wurden in einem Buch gesammelt und zeigen nicht nur den Blick durch die rosarote Brille.

Cham – Drei grosse Ordner liegen auf dem Tisch: Enthalten sind Liebesbriefe, fein säuberlich geordnet. «Die Briefe habe ich nächtelang sortiert», verrät Ernst Küng (72). Denn die Schriftstücke aus den 1960er-Jahren wurden vor kurzem im Buch «Wie geht es Dir? Ein nicht ganz alltäglicher Briefwechsel. Jacqueline und Ernst» von der Schweizer Literaturgesellschaft veröffentlicht. Die Briefe sind Zeugen der ersten Jahre der Beziehung zu seiner späteren Frau Jacqueline (72). Von 1963 bis zur Heirat im Juni 1967 haben die beiden einander ihre Liebe immer wieder schriftlich bekundet.

«Das war eine andere Zeit», beteuert Jacqueline Küng öfters während des Gesprächs. Damit meint sie: «Wir hatten noch keine Computer oder Handys, die die Kommunikation erleichtert hätten.» Auch Telefonapparate waren damals selten, wie Ernst Küng anmerkt. «Ich erinnere mich, unser Nachbar hatte keinen, und wir haben deshalb oft Anrufe für ihn erhalten», sagt er. Mit seinen Anekdoten amüsiert er die Zuhörer. Auch in den Briefen des Ehepaars sind viele davon enthalten.

Vor allem Ernst Küngs schwerer Motorradunfall 1964 zieht sich durch die Dokumente: Insgesamt musste er für fünf Operationen ins Zürcher Triemlispital. «Aber heute habe ich keine Probleme mehr mit meinem Bein», versichert der 72-Jährige. Die Küngs sind in Zürich aufgewachsen und über einen Umweg, der ins Welschland, nach Zug und Winterthur führte, schlussendlich in Cham gelandet. Bei all ihren Umzügen gehörten die Kisten mit den besagten Briefen zum Gepäck. «Ich dachte mir, die darf man doch nicht wegschmeissen», erklärt Jacqueline Küng. Eines Abends vor über einem Jahr hatte sie einen Geistesblitz: «Ich sagte zu Ernst, wir sollten am besten die Briefe in Buchform aufbewahren», so die 72-Jährige.

Positive Rückmeldungen aus dem Umfeld

Auch ihr Ehemann fand die Idee gut. «Als wir wieder einmal zu Fuss nach Zug gingen, kamen wir am Geschäftssitz der Schweizer Literaturgesellschaft vorbei», erzählt er. Ernst Küng macht gerne Nägel mit Köpfen und hat sich sofort bei besagtem Verlag gemeldet. Diese seien begeistert von der Idee gewesen, ihre Liebesbriefe zu veröffentlichen. «Eigentlich wollten wir ja nur ein Buch für uns privat», meint Jacqueline Küng.

So musste das Ehepaar die Frage klären, ob sie mit ihren «echten» Namen erscheinen möchten. «Wir beschlossen, die Briefe nicht zu anonymisieren», sagt Ernst Küng. Seine Ehefrau ergänzt und winkt ab: «Es ist ja schon lange her.» Mit ihrer Familie haben sich die beiden nicht abgesprochen: «In den Briefen kommen die Kinder nicht vor», sagt Jacqueline Küng weiter. Das Paar ist Eltern von drei Adoptivkindern und vier Pflegekindern. Ihr Sohn etwa sei sehr stolz gewesen und habe sich eine Widmung in sein Buch gewünscht. Auch von den Mitgliedern des Chors Audite Nova Zug, bei dem er selber mitsingt, bekommt Ernst Küng positive Rückmeldungen.

Seine Ehefrau hofft: «Das Buch soll Mut machen, nicht sofort aufzugeben, wenn nicht alles rund läuft in einer Beziehung.» Denn während ihrer Kennenlernphase machte Jacqueline Küng einen dreimonatigen Sprachaufenthalt in England. Viele Briefe handeln davon, manche auch von einem eifersüchtigen Ernst Küng. Doch ihre Liebe überstand das. Noch heute schauen sich die beiden verliebt an und feiern im Juni bereits ihre goldene Hochzeit. Einander Briefe geschrieben hätten sie aber nie mehr: «Wir waren auch nicht länger getrennt», meint Ernst Küng pragmatisch. (Andrea Muff)