«Was macht der da eigentlich?»

Dies & Das

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Michael Elsener macht ab Januar jeden Sonntag Satire auf SRF. Weshalb? Weil es ihn juckt, sich mit einer Pointe zu melden – zu allem, was in der Politik absurd ist.

  • Michael Elsener mit Schaumschläger. Bild: PD (Philippe Hubler)
    Michael Elsener mit Schaumschläger. Bild: PD (Philippe Hubler)

Zug (Kanton) – Dieser Artikel ist in der Januar/Februar-Ausgabe des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier gehts zu den anderen Artikeln, und hier gibts das PDF.

Das Wohnzimmer im Langhuus in Cham ist ­eingeheizt. Tatsächlich heisst es nur deshalb Wohnzimmer, weil es hier so warm ist – eigentlich ist das abgetrennte Lagerabteil so ähnlich gut isoliert wie die Holzlattenzäune, die ein Kellerabteil gegen das der Nachbarn beschützen. Und so warm ist es nur, weil ein riesiges Warmluftgebläse die Kälte mit blosser Willenskraft durch diese offenen Wände hinauskomplimentiert. Hier treffen wir Michael Elsener. Er sitzt auf einem der Samtsofas und hat Pressetag. Vorher waren die von der NZZ da, später kommt die AZ und dazwischen wir. Kein Wunder, ist ein wenig Rummel angesagt – immerhin geht es bald los. Elsener startet am Sonntag, 20. Januar, mit seiner Satiresendung «Late Update». Da will er die Absurditäten des Schweizer Politgeschehens jeden Sonntagabend unter die Lupe nehmen. Zeit für ein paar Fragen.

Michael, warum sind wir hier im Langhuus?

Elsener: Weil, wenn ich schon so viele Journalisten treffen kann und so viel Aufmerksamkeit bekomme, dann am liebsten an einem Ort, der etwas bedeutet. Das Langhuus ist ein spezieller Ort – etwas, das es sonst nicht gibt. Und das verdient Aufmerksamkeit. Deshalb sind wir hier.

Offenbar habt ihr schon mit Drehen angefangen – was macht ihr gerade?

Elsener: Wir sind dran, erste Szenen und Einspieler zu filmen, die wir unabhängig von einem Thema verwenden können. Das sind ganz kurze Szenen, vielleicht zwei Minuten, aber man braucht immer gleich einen ganzen Tag dafür. Respektive steht das jeweils so auf meinem Arbeitsplan: Dreh, mit Open End. Das kann auch mal anstrengend werden (lacht), jedenfalls weiss ich im Moment nie so recht, was ich morgen mache.

Du hast ein völlig neues Team für die Sendung zusammengestellt. Habt ihr euch schon eingespielt?

Elsener: Das ist das Schöne an dieser Aufgabe: Ich konnte aus all den Leuten, die mich in den letzten Jahren begleitet haben, ein Team zusammenstellen. Da gibt es Leute, die fürs technische zuständig sind, und solche, die eher für die verrückten Ideen sorgen. Es macht einfach Spass, mit diesen Leuten zusammenzuarbeiten. Jetzt sind wir gerade daran, uns in diesen neuen Arbeitsmodus hineinzugewöhnen. Wir müssen noch herausfinden, wie wir das dann machen wollen, wenn die Sendung angelaufen ist: Dann haben wir jeweils nur eine Woche Zeit, um alles für die Sendung vorzubereiten. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns jetzt als Team einspielen können. Wenn es losgeht, fängt dann der c grosse Lernprozess an. Bei jeder Sendung merken wir, was funktioniert hat und was nicht. Das wird ein kleines Abenteuer.

Bis jetzt hattest du völlige kreative Kontrolle über alle deine Produktionen – von der Bühne bis zu Youtube. Wie geht es dir beim Grosskonzern SRF, gibt es da genug Freiraum, oder musst du für jede Idee viel Überzeugungsarbeit leisten?

Elsener: Es ist natürlich ein gegenseitiges Antasten, aber ich bin überzeugt, dass es meine Aufgabe ist, diesen Freiraum für mich und mein Team herzustellen. Und beim SRF habe ich bis jetzt auch zu spüren bekommen, dass das möglich ist. Die Leute beim SRF wissen, was Satire ist und dass Satire Freiraum braucht. Deshalb habe ich da keine Bedenken. Die Sendung ist auch so aufgebaut, dass es viel Freiraum gibt – da gibt es neben dem Opening-Monolog, einem längeren Comedy Essay, auch noch das Gespräch mit einem Gast, da bin ich zum Beispiel völlig frei.

Du bist im grössten Fernsehformat angekommen, das die Schweiz für Satire zu bieten hat. Angefangen hat alles mit einer Maturaarbeit im Heirisaal in Hünenberg. Damals warst du eher unpolitisch unterwegs. Kannst du dich noch an den Moment erinnern, an dem du dich als Comedian auch politisch exponiert hast?

Elsener: Das ist für mich fliessend geschehen. Ich habe mich schon immer sehr für Politik interessiert, deshalb auch das Studium in Politikwissenschaften. Zu Hause beim Familienfrühstück haben wir uns alle eine Zeitung geschnappt und die Meldungen kommentiert. Ich habe das Bedürfnis, auf politisch absurde Situationen mit einer Pointe zu reagieren. Das habe ich schon in der Schule gemacht, wenn der Lehrer aus dem Nichts heraus einen Blitz angekündigt hat – dann machte ich einen Witz, und wenigstens konnten dann alle drüber lachen. Das Lachen bringt Erleichterung gegenüber der Absurdität der Welt. Und das mache ich eigentlich heute noch. Wenn etwas richtig absurd ist, wie etwa ein Vorstoss von SVP-Nationalrat Lukas Reimann, der zwar keine Ausländer, aber auslän­dische Forellen erleichtert einbürgern will – um sie fischen zu können. Oder wie Balthasar ­Glättli, der sich gerne progressiv gibt, sich aber gegen E-Voting wehrt. Oder Ignazio Cassis, der mit dem EU-Rahmenabkommen herumküchelt. Da will ich einfach wissen, was steckt da dahinter? Was macht der da eigentlich? Dass ich mich politisch positioniere, ist für mich wichtig: damit meine Zuschauer verstehen, woher mein Bedürfnis kommt, darüber zu reden, und wie ich eine Pointe meine. Zudem will ich mich nur zu Themen melden, wo ich auch das Bedürfnis habe, etwas zu sagen. Nur so bin ich auch authentisch.

Machst du dich damit auch angreifbar?

Elsener: Ich denke schon. Es ist mir nicht wichtig, allen zu gefallen. Ich muss nicht vom Fünfjährigen bis zum 92-jährigen Grosi alle abholen. Stattdessen möchte ich etwas machen, das für mich stimmig ist. Im Gegensatz zu anderen öffentlich auftretenden Künstlern habe ich dafür nie Probleme mit meinem Publikum. Ich freue mich immer auf die, denn ich weiss: Da kommen nur Leute, die mich verstehen. Da entstehen gute Gespräche, da kommen gute Inputs. Die denken mit.

Du wurdest schon als John Oliver der Schweiz bezeichnet – allerdings haben die amerikanischen Comedians noch mit einem anderen Ausmass an Absurdität zu tun. Hat die Schweiz denn überhaupt genug Absurdes für dich zu bieten?

Elsener: Natürlich, da gibt es unglaublich viel und in allen Ecken. Wir tun immer so, als sei alles beschaulich und normal, aber in Wirklichkeit gibt es auch hier viel Absurdität, auf die man nicht anders als mit Witz reagieren kann. Gleichzeitig ist es wichtig, dass man sich damit befasst. Das Phänomen, dass viele Menschen sich nicht für Politik interessieren, beschäftigt mich sehr. Denn jeder macht sich doch Gedanken darüber, wie er sein Leben einrichten will, was sich im neuen Jahr alles ändern soll zum Beispiel. Politik ist genau dasselbe: Wir machen uns gemeinsam Gedanken darüber, wie wir zusammenleben wollen – und was sich daran ändern soll. Das geht alle etwas an. Bei mir löst das nun mal den Reflex aus, mich darüber lustig zu machen, wenn etwas schiefläuft. Das macht mir Lust, mich mit einer Pointe dazu zu melden.

Du kennst mittlerweile einen grossen Teil der Schweizer Politwelt und hast schon einige Politiker auf die Bühne geladen. Bekommst du da nicht mit der Zeit Beisshemmungen? Als Lokaljournalist kennt man das – man wird mit der Zeit zu nett, wenn man die Leute immer besser kennen lernt.

Elsener: Das ist eine gute Frage. Ich kenne den Effekt schon, wenn ich etwa einen Politiker zu einem Vorgespräch zum Essen treffe, dann ist das nachher anders, als wenn ich ihn nur aus der Zeitung kenne. Dann sieht man mehr den Menschen dahinter. Deswegen habe ich aber nicht Beisshemmungen, im Gegenteil. Ich mache auch Witze über meine Familienmitglieder und über Freunde – je näher, desto besser. Ich will niemanden beleidigen, darum geht es nicht. Es ist ganz wichtig, zu sehen, dass all diese Politiker etwas sehr Wichtiges für die Gesellschaft tun. Ich schätze ihr Engagement sehr. Trotzdem darf ich mich über sie auch lustig machen und Ungereimtheiten aufzeigen. Eigentlich ist das fast lustiger, wenn man sich schon ein bisschen kennt und weiss, wie der andere tickt. Ich mach ja auch Witze über mich – und mich kenne ich schon ziemlich gut.

Du bist ja auch immer noch in Zug unterwegs, etwa mit deiner «Gute-Nacht-Show» in der Galvanik. Bist du hier noch verwurzelt?

Elsener: Auf jeden Fall. Den Sommer verbringe ich lieber in Zug als in Zürich, meistens im Seelikon oder hinten beim alten Kantonsspital am See. Da ist nie jemand. Zug ist für mich eher der Ort, an dem ich mich zu Hause fühle. Zürich ist vor allem Arbeit. Deshalb passt auch die «Gute- Nacht-Show» gut nach Zug. Das ist das Format, in dem ich neue Dinge ausprobieren kann. Erst rede ich mit meinen Gästen auf der Bettkante, dann lege ich mich mit einem Gast ins Bett – das gibt dann sehr intime Gespräche (lacht). In dieser Show entstehen oft per Zufall witzige Situationen. Zum Beispiel beim Armbrustschiessen mit Regierungsrat und Pro-Tell-Mitglied Stephan Schleiss und Ständerat Joachim Eder, Ehrenmitglied im eidgenössischen Armbrustschützenverband – sie schiessen beide daneben, ich mache das zum ersten Mal und treffe per Zufall mitten ins Schwarze. Das Publikum johlt. So was geht nur, wenn man ohne Hemmungen einfach mal ausprobiert.

Text: Falco Meyer