Schräge Töne an der Jazz Night

Musik

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Marla Glen heisst der Star des gestrigen Abends. Aber auch andere Bands ziehen das Publikum in ihren Bann - mit speziellen Mitteln.

  • Die Mundharmonika des Duos Making Blues ist eine solistische Sensation. (Bild Werner Schelbert)
    Die Mundharmonika des Duos Making Blues ist eine solistische Sensation. (Bild Werner Schelbert)
  • Die US-amerikanische Sängerin Marla Glen hat das Publikum der Zuger Jazz Night in ihren Bann gezogen. Dicht gedrängt lauschten die zahlreichen Besucher der rauchigen Stimme der 53-jährigen Chicagoerin. Marla Glen bildete den Höhepunkt des gestrigen Abschlussabends der Jazz Night. (Bild Werner Schelbert)
    Die US-amerikanische Sängerin Marla Glen hat das Publikum der Zuger Jazz Night in ihren Bann gezogen. Dicht gedrängt lauschten die zahlreichen Besucher der rauchigen Stimme der 53-jährigen Chicagoerin. Marla Glen bildete den Höhepunkt des gestrigen Abschlussabends der Jazz Night. (Bild Werner Schelbert)

Zug – Hinter ihm geht die Sonne unter, aber nur widerwillig. Auf der grossen Bühne am Zuger Landsgemeindeplatz steht Wilber Calver etwas unsicher auf den Beinen, den Dudelsack unter den Arm geklemmt, den Panamahut auf dem Kopf. Gleich beginnt die zweite Nacht der Zuger Jazz Night, und Calver begeht waghalsig Stilbruch. Gleich drei Mal: Sein Dudelsack bläst sich elektronisch auf, die Band besteht nicht aus blau bemalten Kelten, sondern aus braun gebrannten Kubanern, und was gleich an Beat über den Platz schmilzt, dazu möchte man Mojitos trinken und tanzen.

Wenn da der Dudelsack nicht wäre. Es ist eine seltsame Mischung, und die Band braucht ein paar Stücke, um in Fahrt zu kommen. Der Sack ist noch zu leise, Calver zwar im Mittelpunkt, aber unhörbar. Das ist es noch nicht. Aber dann legt er das elektronische Ding weg und packt den echten Dudelsack aus. Calver spielt den Ton, der direkt in die Seele geht. Und die Melodien von galicischen Ziegenhirten aus vergangenen Jahrtausenden. Das zusammen mit den punktierten Achteln und den Bongo-Einwürfen und dem Schlagblock und der Tanzfreude und dem Mann am Bass, der spielt, als würde er weinen dabei, vor Mitgefühl. Und dem Trompeter, der jede Idee aufnimmt und umspült. Es ist ein grandioser Versuch, den diese Musiker unternehmen, aber die Mischung bleibt oft Kopfsache. Aber wenn es klappt, ist es fabelhaft. So bleibt man dabei und kann sich nicht loslösen von dieser Band, die ganz alleine ein neues Land erschaffen will, mit neuen Sehnsüchten und Leidenschaften, und die offenbar nur einen Song davon entfernt ist, komplett durchzustossen.

Braune Affen und Solo-Sensation

Aber man muss weiter, und es lohnt sich. Man ergattert einen Platz unter dem Schirm am Fischmarkt. Gerade setzt der Regen ein, das passt zum Duo Making Blues. Die beiden spielen auf einer alten Gibson-Gitarre und einer ganzen Kiste voller Mundharmonikas. Singen dabei über «brown monkeys», oder wie der Sänger sagt: «Über dumme deutsche Jugendliche mit Glatzen.» Politischer Blues, aber das ist Nebensache, der Sound ist rund und voll, und die Mundharmonika ist die eigentliche solistische Sensation dieser Jazz Night. Unglaublich, wie der Harmonist dem Publikum alle Ecken und Kanten und Töne des kleinen Dings um die Ohren schleudert, so präzis und konzertant, als wäre es ein Konzertflügel.

Wer den Blues dreckig mag, der muss gar nicht weit gehen: Vor dem Felsenkeller drängen sich die Leute gegenseitig fast auf die Strasse, um einen Blick auf «Kurious Kurt» und seine Söhne zu bekommen. Die vier verstecken sich hinter riesigen Mikrofonen aus dem letzten Jahrhundert, die so rauschen, dass statt Stimme nur Seele durchkommt. Spielen Lieder über Leute im Knast und jodeln dabei, und die Mikrofone knistern und knacken. «Kurious Kurt & Söhne» machen, was alle Musiker wollen, sie sind einfach, aber verdammt gut. Dann spielen sie «Love me do», und der ganze Platz singt mit. Wenn man es schafft, sich weiterzubewegen, kommt man möglicherweise am Gerbiplatz vorbei, und endlich findet man den Jazz, den die Jazz Night verspricht. Die Klarinette jauchzt und jammert, der Mann am Bass könnte eine Legende sein, man weiss es nicht. Stattdessen wippt man mit und macht sich mit dem Groove des Zuger Swing Quartet auf den Weg zum Landsgemeindeplatz, wo gerade eine tiefe Stimme den Sound checkt. Marla Glen ist da, und für sie der Rest der Zuger Bevölkerung. Und dann geht die Nacht erst richtig los. (Falco Meyer)