Zuerst die Tänzer vom Bolschoi, dann die Veteranen

Kunst & Baukultur

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Pit Bühler hat russische Veteranen in Moskau fotografiert. Olga Alexandre feiert die Tradition in Zug auf ihre Art.

  • Am 9. Mai spontan vor dem Bolschoi-Theater in Moskau fotografiert: ein Knabe und drei russische Veteranen. (Bilder Pit Bühler)
    Am 9. Mai spontan vor dem Bolschoi-Theater in Moskau fotografiert: ein Knabe und drei russische Veteranen. (Bilder Pit Bühler)

Zug – Pit Bühler aus Baar arbeitet seit einigen Jahren freischaffend als Fotograf. Die Leidenschaft fürs Fotografieren führte den studierten Betriebsökonomen bereits in mehr als 90 Länder. Das besondere Interesse des 42-Jährigen: die Porträtfotografie. Das jüngste Ziel im Ausland war: Moskau.

Wiederbelebte Tradition

In die russische Hauptstadt reiste der Baarer Anfang Mai, um die Tänzerinnen und Tänzer des Bolschoi-Theaters zu fotografieren. Pit Bühler war jedoch klar, dass am 9. Mai der sogenannte Victory- Day gefeiert wird: «Zufällig war ich schon 2014 um diese Zeit in Moskau. Eine gute Bekannte erzählte mir, dass die Victory- Parade vor der Öffnung der wichtigste Feiertag für Russland war. Nach dem Fall der Mauer und der Aufteilung der Sowjetunion habe man auf die Tradition verzichtet.»

Putin hat den Victory-Day nun wieder aufleben lassen. Das stösst auf Kritik. Der russische Historiker Alexej Miller stellt fest: «In den 90er-Jahren galten den Russen Imperien pauschal als Inbegriff des Bösen, heute wird umgekehrt der russische imperiale Staat sakralisiert.» Pit Bühler berichtet von seinem Eindruck am 9. Mai in Moskau: «Die Parade habe ich nicht gesehen, ich war als Fotograf auch nur fürs Bolschoi-Theater akkreditiert. Dorthin aber kamen viele Veteranen nach der Parade zum Feiern. Ich habe sie spontan angesprochen ich habe es genossen, diese Menschen zu porträtieren. Sie waren freundlich und offen.»

Wach und gescheit

Der Fotograf war fasziniert: «Überall in den Strassen wurden alte Lieder gesungen, Geschichten erzählt die Menschen waren in Festlaune.» Natürlich sei man bei dieser Gelegenheit auch «Hardcore-Militärs» begegnet – «da muss man sich nichts vormachen». Patriotisch sei die Stimmung gewesen, aber auch fröhlich. «Es wurde gelacht, es wurden Scherze gemacht.» Er habe Veteranen der Jahrgänge 1925 bis 1946 fotografiert. «In gewissen Regionen gehst du zum Militär, weil es nichts anderes gibt.»

Pit Bühler hat einzelne Veteranen mit ernstem Blick fotografiert, Veteranen mit ihren Enkelkindern oder auch Mann und Frau, mit Medaillen geschmückt, die zusammen auf einer Bank sitzen und sich anlächeln. «Es war interessant, sich mit diesen Menschen zu unterhalten, sie waren viel mehr wach und gescheit als engstirnig und von gestern.»

Ein Fest in zwei Sprachen

Offen und wach das möchte auch das Bildungszentrum Matrjoschka in Zug sein. Die Schule für russische Sprache gibt Kindern zudem Musik- und Tanzunterricht. Am 10. Mai feierte man im Burgbachsaal das Kriegsende vor 70 Jahren – über 300 Leute kamen zusammen. Olga Alexandre, die Leiterin der Bildungseinrichtung, sagt: «Unsere Schule ist apolitisch und konfessionslos. Die Lehrer kommen aus der Ukraine, Weissrussland, Georgien, Tschetschenien, Armenien. Aber wir möchten die russische Sprache und Kultur pflegen.»

Man trete auf europäischen Kinderfestivals auf, diesen August beispielsweise in Dänemark. Das Fest am 10. Mai sei ein Fest der Liebe und des Respekts gewesen. «Man soll sich immer bewusst sein, wie kostbar Frieden ist.»

Olga Alexandre erzählt: «Im Burgbachsaal feierten auch Menschen aus Luzern und Zürich mit. Das ganze Fest lief zweisprachig ab.» Die dreifache Mutter findet: «Es gibt so viele russische Einwohner im Kanton Zug. Zug hat das Potenzial, die Nationen zu verbinden.» (Susanne Holz)

Russische Schule

ZUG. Seit 2011 gibt es in Zug das Bildungszentrum Matrjoschka. Es bietet Kurse in russischer Sprache sowohl für Kinder, Schüler als auch für Erwachsene an. Es arbeitet mit dem Puschkin-Institut zusammen und ist in den Kantonen Zürich, Zug und Genf HSK-anerkannt. Das heisst, der Unterricht in russischer Sprache und Kultur dient der interkulturellen Pädagogik und darf bei Schulkindern russischer Herkunft bis zur sechsten Klasse im Zeugnis mit einer Note festgehalten werden (HSK: Heimat, Sprache, Kultur). Derzeit besuchen 50 Kinder das Bildungszentrum in Zug: Seien es die Sprachförderungsgruppen für Kinder von ein bis vier Jahren, die Vorschulklassen für Kinder von 41/2 bis sieben Jahren oder der Musikunterricht. Gegründet hat das Bildungszentrum die Russin Olga Alexandre, die 1999 ihr erstes Kind in der Schweiz bekam und sich damals sagte: «Allein schaffe ich es nicht, meinem Kind die russische Sprache und Kultur zu erhalten ich brauche ein Netzwerk.» Zunächst entstand 2002 eine Ma­trjoschka-Schule in Zürich, 2005 kamen Genf, Montreux und Lausanne hinzu, 2011 Zug. Worüber sich Gründerin und Leiterin Olga Alexandre besonders freut: Kinder und Schule haben sich auch schon dem europäischen Parlament vorgestellt – mit Tänzen und Liedern. (Susanne Holz)