Wie steht es um die Zuger Kultur?

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Vom «Lebendigen Biotop» bis zum «Sorgenkind»: Neun Akteurinnen und Akteure beschreiben ihre Sicht auf das Kulturleben im Kanton.

  • In einer Sache sind sich die Befragten einig: An kulturellem Angebot mangelt es im Kanton Zug nicht. (Bilder: Archiv Zuger Zeitung)
    In einer Sache sind sich die Befragten einig: An kulturellem Angebot mangelt es im Kanton Zug nicht. (Bilder: Archiv Zuger Zeitung)

Zug – Ein bekanntes Schweizer Rapperduo tourt derzeit durch die Städte, seine Shows sind in Zürich und Luzern regelmässig ausverkauft. In einem Gespräch mit der «Luzerner Zeitung» sagten die beiden einst, dass der Ticketverkauf in Zug «natürlich am schlechtesten» laufe. Die Stadt sei eines ihrer «Sorgenkinder». Mit dieser Erfahrung sind sie nicht allein. Auch internationale Grössen wie die Pianisten Mikhail Pletnev und Brad Mehldau, die anderswo ganze Konzerthallen zu füllen vermögen, spielten im Theater Casino vor teils unbesetzten Rängen. Woran liegt das? Wir wollten es wissen und sprachen dafür mit Zugerinnen und Zugern, die eng mit der hiesigen Kulturszene verwoben sind.

Eila Bredehöft, Geschäftsführerin IG Kultur: Die Zuger Kulturszene darf selbstbewusster auftreten. Sie soll durchaus zeigen, was sie leistet, und darf stolz darauf sein. Mir scheint, dafür fehlt manchmal der Mut. Vielleicht hat das mit dem Blick von aussen zu tun – mit dem eher negativ behafteten Ruf vom Wirtschaftsort und Steuerparadies, für den man sich anscheinend öfter rechtfertigen muss. Ich selbst bin keine Zugerin, ich bin vor 12 Jahren aus dem Kanton Bern zugezogen, aber so erlebe ich das hier: Man hat das Gefühl, sich verstecken zu müssen. Gerade mit dem Blick nach Zürich, wo alles grösser und cooler scheint. Ich glaube, ich nehme Zug oft positiver wahr als die Zugerinnen und Zuger.

Ich habe vor meiner aktuellen Anstellung 12 Jahre lang für die Galvanik geleitet. Wenn wir es mit einem Anlass geschafft haben, Leute von ausserhalb nach Zug zu locken, waren sie jeweils überrascht, wie schön es hier doch sei. Das Potenzial ist da. Wir müssen die Menschen nur darauf aufmerksam machen.

Die Basis dafür ist Vernetzung. Die verschiedenen Zuger Kultursparten tauschen sich wenig aus. Alle sind mit ihren eigenen Problemen beschäftigt und bekommen gar nicht mit, dass die anderen Kulturschaffenden mit denselben Dingen hadern. Vielleicht würde sich das ändern, wenn die Kulturszene öfter gemeinsam auftritt und sich unterstützt.

Dino Šabanović, stellvertretender Betriebsleiter Kulturzentrum Galvanik: Meiner Meinung nach ergibt sich die Stadt Zug völlig dem Kapital. Kulturinteressierte werden verdrängt. Das liegt nicht am Angebot. Es liegt daran, dass die Menschen, die Kultur konsumieren möchten – gerade alternative Kultur, sich das Leben hier nicht leisten können. Zug ist ein Wirtschaftshotspot. Hierhin kommt man, um zu arbeiten. Und übers Wochenende pendelt oder fliegt man nach Hause.

Für ein Studienprojekt habe ich Expats befragt, was sie sich von der Zuger Kultur wünschen. Mir fiel auf: Die Ideen und das Interesse sind da, aber es scheitert an der Umsetzung. Sobald es darum geht, zusammen etwas zu schaffen, wird klar, dass sie keine Zeit haben. Und keine Energie, weil ihr Arbeitsalltag sie erschöpft. Sie reicht höchstens, um Kultur zu konsumieren. Und nicht, um an ihr zu partizipieren.

In der Galvanik versuchen wir also, unser Angebot niederschwelliger zu machen. Ein Anfang ist die englische Website, weiter könnten wir uns ein Bistro vorstellen. Wir wünschen uns von der Stadt Zug einfachere Bewilligungen.

Stephan Schleiss, Kulturdirektor Kanton Zug: Der Kulturplatz Zug ist ein lebendiges Biotop. Zum Leben gehört dazu, dass Neues entsteht und anderes verschwindet, aus welchen Gründen auch immer. Wichtig ist, dass sich die Kultur in Zug weiterentwickelt, und da sieht sich der Kanton als Katalysator. Ich mag zum Beispiel Zwischennutzungen. Es ist immer besonders spannend zu sehen, was sich dort entwickelt.

Mit den Fördergeldern pro Kopf stehen wir im Vergleich mit anderen Kantonen gut da. Der Kanton Zug hat ganz klar das Interesse, ein Kulturkanton zu sein. Aber natürlich muss man Zug im grösseren Kontext betrachten. Luzern und Zürich sind eine grosse Konkurrenz, denken wir an das KKL, das Opernhaus oder die Clubszenen und Bars. Die Alternativen liegen mit dem ÖV nur eine halbe Stunde entfernt.

Im Austausch mit den Zuger Kulturhäusern spüre ich vor allem einen Drang zum Professionalisieren. Sie entwickeln sich vom Ehrenamt zu einer professionellen Struktur mit Geschäftsleitung und Buchhaltung. Die Arbeit wird ja auch tatsächlich komplexer. Es ist aufwendig, die wiederkehrenden Subventionsbeiträge des Kantons zu beantragen.

Iris Weder, Leiterin Abteilung Kultur der Stadt Zug: Die Stadt Zug hat ein grosses Kulturangebot. Was es weniger gibt, sind günstige Arbeitsräume für Kulturschaffende. Darum haben wir uns für den «KunstCluster» eingesetzt und das Atelier 63 geschaffen, damit die wenigen Künstlerinnen und Künstler, die wir in Zug haben, nicht auch noch abwandern. Sie brauchen Möglichkeiten, in der Region tätig zu sein. Das versuchen wir zum Beispiel mit dem Tandem. Hier spannen Kunstschaffende mit Detailhändlern zusammen und bespielen einen Teil der Ladenfläche als Atelier oder Proberaum.

Bewilligungen sind natürlich auch immer wieder ein Thema. Als wir die neue Kulturstrategie überarbeitet haben, wurde gefordert, dass Bewilligungen für Anlässe niederschwelliger zu bekommen sein sollten. Allerdings gilt es da, verschiedene Interessen zu berücksichtigen. Wir von der Kulturabteilung können Projekte lediglich unterstützen. Bewilligen muss sie das Departement für Soziales, Umwelt und Sicherheit nach den geltenden Richtlinien.

Die Expats in Zug stärken mit ihren vielseitigen Hintergründen unsere Kultur. Ich finde, hier liegt ein ungemeines Potenzial.

Nicolett Theiler, Vorstand Jazz Night Zug: Es ist heutzutage schwierig, Nachwuchs zu finden, der sich ehrenamtlich engagieren möchte. Das war früher anders. Die Verbindlichkeiten haben sich verändert. Die Menschen heute sind anders vernetzt als früher – breiter, jedoch oberflächlicher. In einem Vorstand übernimmt man heute aber auch eine grosse Verantwortung, zum Beispiel über öffentliche Gelder. Und man muss hohe Auflagen erfüllen.

Mit dem Kulturangebot in Zug bin ich zufrieden. Die Frage ist ja, welche Art von Kultur man möchte. Beizen, Events, Clubs, Theater, Musik? Dass vor allem die jungen Menschen in Zürich in den Ausgang wollen, wundert mich nicht. Das war ja früher schon so. Als wir jung waren, fanden wir auch, dass Zug nicht viel zu bieten hat. Das ändert sich, wenn man Ende 20, Anfang 30 wird, wenn man eine Familie gründet und zurück zu den Wurzeln findet.

Severin Hofer, Zuger Kulturschaffender und Kindergartenlehrer: «Wie gut das kulturelle Angebot einer Stadt besucht wird, hängt unter anderem davon ab, ob es dort eine Hochschule gibt. In Zug fehlt der Zustrom junger Leute, die hier beispielsweise eine WG haben und abends noch irgendwo hingehen. Auch gehen junge Menschen, die etwas im Kulturbereich studieren wollen, in andere Städte. Die Hürde, danach zurückzukommen und hier kreativ tätig zu sein, ist sehr gross. In Zug herrscht ein garstiges Klima für Kulturschaffende, zum Beispiel wegen der hohen Mieten. Zwar erhält man Fördergelder von Stadt und Kanton, aber bei der Kulturförderung geht es ja nicht nur ums Geldgeben. Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es den Kulturschaffenden ermöglichen, sich hier ein Leben leisten zu können.

Trotzdem gibt es auch Veranstaltungen, die ausverkauft sind. Oder Bars wie das «Hidén Harlekin», die sich ins Kulturleben einbringen. Die Wege in Zug sind kurz, man kann sich schnell ein Netzwerk aufbauen. Ich bezweifle, dass das in Zürich so leicht wäre.»

Laura Hürlimann, Präsidentin Kunstpause Zug, Mitgründerin der Kreativagentur Gäggeligääl: Das Kulturschaffen in Zug geht mit einem manischen Gefühl einher: Wenn ich mitten in einem Projekt bin und es gut läuft, fühle ich mich super. Aber wenn ich dann die Zahlen sehe – zum Beispiel wie wenig Gäste gekommen sind –, ist das sehr frustrierend.

Wir merken, wie schwierig es ist, Stammkundschaft aufzubauen. Damit kämpfen auch die Häuser. Wenn wir in der Galvanik etwas organisieren, bringen wir als Veranstalter 95 Prozent der Leute selbst dahin. Die Bubble, die kommt, weil sie auf das Programm des Hauses setzt, ist klein. Und unsere eigene Community können wir nicht überall hin mitziehen. Diese Leute sind oft selbst kulturschaffend, haben eigene Projekte oder wollen einfach mal nichts unternehmen.

Wir merken aber, dass man hier gut miteinander reden kann. Auch was die öffentliche Hand betrifft. Die Kulturverantwortlichen aus Stadt und Kanton sind grundsätzlich offen gegenüber Kulturschaffenden. Der Kanton Zug hat noch extrem viel Potenzial. (Text von Kristian Gysi und Linda Leuenberger)