Von der Sehnsucht nach Erfüllung

Theater & Tanz, Musik

,

Die Konzertcollage «Meine Güte» im Theater Casino Zug setzte sich mit Konsum, Geld und Macht auseinander.

  • Musik und Bewegung: Das Ensemble Ultraschall hinterfragt Dinge wie das Konsumverhalten. (Bild Stefan Kaiser)
    Musik und Bewegung: Das Ensemble Ultraschall hinterfragt Dinge wie das Konsumverhalten. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Auf der Bühne diverse Einkaufstaschen und ein Kleiderständer. Das Setting zeigt, wohin es geht– in die Welt des Konsums. Denn: Was nach dem Shoppingrausch bleibt, ist ein Berg von Abfall und das ungute Gefühl, zu viel zu schnell zu unnötig eingekauft zu haben. Wir alle wissen: Nach dem Shoppingrausch folgt oft ein Kater. «Wenn Konsum unsere Leere füllen soll, dann wird es doch absurd», erklärt Julia Medugno. Sie ist die Leiterin des Ensembles Ultraschall und zeichnete am Sonntag verantwortlich für Konzept, Choreografie, Tanz und Sopran. «Wir wollten dazu einladen, die Musik von Johann Sebastian Bach zu geniessen, wollten aber auch, dass die Texte von ihm wie etwa ‹Gott ist mein Freund› zum Nachdenken anregen.»

Das ist dem Ensemble Ultraschall am Sonntag bestens gelungen. Denn sieht man, wer für den Konsumrausch die Zeche bezahlt, ist einem nicht mehr ganz so wohl. Im Stück plastisch dargestellt vom altbekannten Bild eines Kindes, welches die Kleider näht und unter dem Druck steht, genügend Textilien zu fabrizieren, damit es und seine Familie überleben können.

Die Aufforderung zum Tanz

Johann Sebastian Bach ist einer der bekanntesten Vertreter des Barocks und fühlte sich in allen musikalischen Gattungen seiner Zeit wohl, ausser in der Ballettmusik und der Oper. Daher war es ein mutiger Schritt der Beteiligten, eine Choreografie zu Bach einzustudieren. «Wir haben Bach gewählt, weil dieser zeitlos ist. Und weil seine Texte oft ignoriert werden», so Julia Medugno. Die Original-Bach-Texte seien in der heutigen Zeit für manche vielleicht schwierig zu verstehen, erklärt die Leiterin weiter. «Seine Kantaten wurden zu seinen Lebzeiten von der Kirche als ‹zu opernhaft› betitelt, weil sie zu bildlich waren. Für uns aber war es eine Aufforderung zum Tanz», sagt Medugno.

Und genau das hat das Ensemble Ultraschall auch gemacht: Es wurde getanzt, ge­sungen, geschauspielert und manchmal war es – vor allem im ersten Teil – vielleicht auch etwas des Guten zu viel. Denn jedes Element in dieser Konzertcollage war für sich alleine genommen schon «dicht». Das übervolle Bühnenbild, die vielen Personen auf der Bühne, die (hervorragend gespielte und gesungene) Musik, dazu noch Bühnenlicht, ein Kleiderständer – Laptop, Nähmaschine… Handy. Und ja, es war eine Aneinanderreihung von Plattitüden. Von allem etwas mehr – und bestimmt auch so gewollt, denn es ging ja um «Konsum».

Ein Spektakel für die Sinne

Apropos viel: Am Abend waren auch Kompositionen von Silvio Buchmeier zu hören. Der Schweizer Filmmusiker hat mit seinen Stücken das akustische Bild des Abends komplementiert und war im Publikum.

Wie also füllt man die Leere nach dem Konsumrausch? Antworten gab das Stück keine. Es sein denn, man würde sich für «singend Gott loben» entscheiden, denn das implizierten die Texte von Bach in Kombination mit dem Spektakel auf der Bühne. Aber kann das die Lösung sein? Oder müsste man einfach die Genügsamkeit suchen und sich dann umso mehr wieder freuen, wenn man sich etwas gönnt? Die getanzte Konzertcollage blieb die Antworten schuldig – wohl auch, weil jeder für sich seinen Weg suchen und finden muss.

Schlagworte wie «Macht, Konsum, Geld und Leistung» drohen schnell, einfach in den Reigen von Kalendersprüchen oder Facebook-Weisheiten abzudriften. Vor allem, wenn dann wie am Sonntag auch noch Slogans aus der TV-Werbung zitiert werden. Diesen Eindruck hatte man aber in den gut 70 Minuten Vorführung zu keinem Zeitpunkt: Die hochkarätigen Gesangsstimmen – Jonas Iten als Tenor und am Cello sowie Julia Medugno als Sopran –, getragen vom begnadeten Musikensemble, schafften es, das Stück «Meine Güte» zu dem zu machen, was es war: ein Spektakel für die Sinne. «Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, klassische Musik mit anderen Kunstformen zu verbinden und unsere Konzerte in spannender Weise auf die Bühne zu bringen, indem wir verschiedene Künste miteinander vereinen», ist eine der Aussagen von Ultraschall. Und genau dies ist am Sonntag meisterlich gelungen. (Haymo Empl)