Der «ewige Bundesrat» aus einer neuen Perspektive

Literatur & Gesellschaft, Brauchtum & Geschichte

,

Der Menzinger Philipp Etter (1891–1977) hat 25 Jahre als Bundesrat in Bern gewirkt. Das Zuger Staatsarchiv zeigt eine Ausstellung zu ihm.

  • Ernst Guggisberg, der Leiter des Zuger Staatsarchivs, begutachtet Philipp Etters Nachlass. (Bild Stefan Kaiser)
    Ernst Guggisberg, der Leiter des Zuger Staatsarchivs, begutachtet Philipp Etters Nachlass. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Die moderne Schweiz gibt es seit 1848. In dieser Phase hat der Kanton Zug zwei Bundesräte nach Bern geschickt. Der eine heisst Philipp Etter (1934–1959) und der andere Alois Hürlimann (1973–1982). Von ersterem liegt ein grosser privater Nachlass vor. Das Zuger Staatsarchiv hat diesen 1999 als Depot erhalten, das 2013 in eine Schenkung umgewandelt wurde. Seit 2014 ist der Nachlass frei zugänglich.

Wie der Zuger Staatsarchivar, Ernst Guggisberg, erklärt, hat «die Verzeichnung des Bestandes über 1700 Stunden gedauert». Guggisberg kam Anfang 2019 ins Staatsarchiv, also erst nach der fordernden Kleinarbeit. Gleichwohl taucht auch er sehr gerne ins Etter-Universum ein und lädt auch die Öffentlichkeit ein, es ihm gleich zu tun. Möglich macht dies eine Kabinett-Ausstellung im Lesesaal des Zuger Staatsarchivs.

Der Gubel war für Etter eine Art Kraftquelle

Dort ist zum Beispiel ein kleines schwarzes Büchlein von Philipp Etter zu sehen. In perfekt ausgerichteter Kleinstschrift mit der Schärfe einer Schreibmaschine hat der konservativ-katholische Bundesrat mit 13 Jahren ein Theaterstück über die Schlacht am Gubel geschrieben. Bei dieser haben 1531 katholische Truppen, vor allem Zuger, ein protestantisches Heer vernichtet. Der Gubel habe, so erzählt Guggisberg, für den Zuger Langzeitbundesrat in einer gewissen Weise den Status einer Kraftquelle. So habe sich Etter auch gegen die Bloodhound-­Lenkwaffenstellung gewehrt. Vergeblich. Für den Zuger Staatsarchivar hat die Ausstellung zu Etter auch einen Lerneffekt: «Im Studium lernte ich Philipp Etter vor allem im Zusammenhang mit der geistigen Landesverteidigung und dem Ausbau des Sozialstaates kennen.» Die Vermittlung dieser Schlagwörter hat das Bild von Etter in der Öffentlichkeit geprägt und prägt sie in Teilen heute noch.

Was die Ausstellung im Zuger Staatsarchiv auszeichnet, ist unter anderem der Einblick ins Private. Es sind Briefe aus Etters Aktivdienstzeit während des Ersten Weltkrieges in Saignelégier (Kanton Jura) im Fundus, welche er seiner zukünftigen Frau Marie Hegglin geschrieben hat. Auch diese Schriftstücke sind gestalterisch perfekt ausgerichtet. Interessant sind auch die überlieferten Agenden. In derjenigen aus dem Weltkriegsjahr 1940 sucht der Interessierte unter dem 25. Juni vergeblich einen Hinweis auf eine Rede von Etter an das Schweizer Volk. Er hat sie zwar nicht selber geschrieben, aber die deutsche Übersetzung der auf Französisch gehaltenen Rede seines Bundesratskollegen Marcel Pilez-Gola (1889–1958) mit viel Pathos wiedergegeben. Die Botschaft lässt keine Zweifel offen, spricht er doch von einer entbehrungsreichen Zeit mit nötigen Anpassungen an das neue Machtgefüge in Europa. Zu diesem Zeitpunkt ist die Schweiz nach der französischen Niederlage eine unbesetzte Insel mitten im Herrschaftsgebiet der deutschen Nazis und italienischen Faschisten. Seine nicht einfache Zeit während des Zweiten Weltkriegs verarbeitet Philipp Etter in seinen Memoiren. Er hat sie selber mit dem Zusatz versehen: «Nicht zu veröffentlichen.» Heute ist ein Blick in diese Rückbesinnungen erlaubt und hoch spannend.

Dass die Etter-Sammlung mittlerweile wohl geordnet ist, dafür ist der Historiker Thomas Zaugg verantwortlich. Aus seiner Feder erscheint im März 2020 eine Biografie. Zaugg hat das Archiv des ewigen Zuger Bundesrats aufgearbeitet und eingeordnet. So ist er zu Material für seine Promotionsarbeit gekommen. Der Leiter des Zuger Staatsarchivs, Ernst Guggisberg, bezeichnet diese Konstellation als für beide Seiten befruchtend.

13 Laufmeter mit 1255 Dossiers

Das Etter-Archiv umfasst 13 Laufmeter. Zu diesem gehören 1255 Dossiers in einem Zeitraum von 1887 bis 2017. Guggisberg spricht denn auch in Bezug auf den Etter-Nachlass von einem «Glücksfall». Da beim Staatsarchiv Raum nur beschränkt vorhanden ist, haben sich Guggisberg und sein Team bei der Objektwahl beschränken müssen. Dies hilft, dass die Ausstellungsbesucher keine Überdosis Etter bekommen. Fakt ist jedoch, dass diese Machart sich auch beim Archivtag im November 2017 bewährt hat. Das damalige Thema «Verbrechen, Skandale, Katastrophen». Damals haben sich rund 600 Personen die Ausstellung angeschaut.

Was die neue Ausstellung jedoch noch attraktiver macht: Mittels einem QR-Code kann der Besucher sich Informationen holen. Zudem sind auf der Website des Staatsarchivs rund 400 Bilder aus dem Etter-Nachlass aufgeschaltet. Wer aus der Ausstellung läuft, dem erschliesst sich ein neues Bild vom ersten Zuger Bundesrat. (Marco Morosoli)

Hinweis
Die Ausstellung beginnt am 17. Februar und dauert bis zum 23. April. Sie ist montags bis donnerstags jeweils von 8.15 bis 12 Uhr und von 13.30 bis 17 Uhr geöffnet. Führungen mit dem Etter-Spezialisten Thomas Zaugg: Samstag, 22. Februar, 15Uhr; Freitag, 6. März, 12 Uhr; Mittwoch, 11. März, 17 Uhr; Freitag, 20. März, 10 Uhr.