Sprachbarrieren kennt man hier keine

Literatur & Gesellschaft, Theater & Tanz

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Mit der Vielfalt der ­Sprache auf Tuchfühlung: Auf der kleinen Satz&Pfeffer-Lesebühne wird das gesprochene Wort grossgeschrieben.

  • Nik Hartmann war diesmal einer der Gäste auf der Satz&Pfeffer-­Lesebühne von Judith Stadlin und Michael van Orsouw. (Bild Werner Schelbert)
    Nik Hartmann war diesmal einer der Gäste auf der Satz&Pfeffer-­Lesebühne von Judith Stadlin und Michael van Orsouw. (Bild Werner Schelbert)

Zug – Prosa, Poesie oder eine Mischform, gelesen oder gesungen, übermütiger Redeschwall, Zungenbrecher, spielerische Wortakrobatik oder mitten aus dem Leben Vorgetragenes. Die Satz&Pfeffer-Lesebühne kennt kaum Barrieren, solange es um das gesprochene oder auch gesungene Wort geht. Originell solls sein, erbauend, lustig, traurig alles gleichzeitig oder auch von allem oder mehrerem ein bisschen.

Mit rund 70 Plätzen auf kleinstem Raum ist das Publikum im Oswalds Eleven den Künstlern immer besonders nah, von denen für gewöhnlich fünf an der traditionellen Zuger Leseshow zum Zuge kommen die Gastgeber und Mitwirkenden Judith Stadlin und Michael van Orsouw eingeschlossen. Unverfälschte, echte Bühnenliteratur lautet der Anspruch der beiden. Und dank ihres feinen Gespürs für die passende Wahl an illustren Gastkünstlern verfehlen sie ihr Ziel kaum.

«Was gschächti, wenn ich miechti»

In den Hochgenuss eines gewohnt ausgeglichenen Mixes aus Vorgetragenem kam am Mittwochabend einmal mehr ein voll besetztes Haus. Und als würde es sich so gehören, begann der Abend zugerisch. So zugerisch, dass auch anwesende Urzuger zuweilen ihre liebe Mühe zu haben schienen, alles zu verstehen, als Judith Stadlin unter Verwendung urigster Ausdrücke des Zugerdialekts über das Lampenfieber referierte. Oder was für ein ­Chrüsimüsi die Schweizer tatsächlich in der Verwendung ihres Konjunktives veranstalten, war einem gar nicht so richtig bewusst. Judith Stadlin demonstrierte es einem irritiert aus der Wäsche guckenden Publikum, indem sie ausschweifend schilderte, was alles «gschächti», wenn sie dies und jenes «miechti/machti/möchti».

Als nicht minder wortspielerisch versiert erwies sich Michael van Orsouw mit einem literarischen Slalom quer über die Wortpiste mit populären Ski-Marken. Und ein kleiner Seitenhieb an die Entwicklung innerhalb der Banken lag auch drin an diesem Abend. Die einzigen Profiteure des Negativzinses nämlich seien wohl die Einbrecher, wenn Bankkunden ihr Bares nunmehr lieber wie in guter alter Zeit unterm Kopfkissen horten, fand der Referent.

Für Rührung hingegen sorgte Nik Hartmann mit einem bewegenden Text, den er im vergangenen Herbst auf Wunsch von Roger Köppel für die «Weltwoche» verfasst hatte. Darin schreibt der sympathische Radio- und TV-Moderator aus Buonas über sein Familienleben und besonders über seinen jüngsten Sohn Melchior, der mit einer zerebralen Behinderung lebt.

Ebenso aus dem prallen Leben, wenn auch als Exzerpt eines Romans, war der Beitrag von Sarah Schmidt, Urgestein der Berliner Lesebühnen. Eigens von da angereist, las die Schriftstellerin aus ihrem Buch «Eine Tonne für Frau Scholz». Mit viel Witz und Schalk, doch gleichsam zum Nachdenken anregend schildert sie darin das eintönige Dasein verschrobener alter Menschen im häuslichen Muff. Urkomisch hingegen zeigte sich Sarah Schmidt in ihrer Analyse davon, was der Frühling für die Frau und besonders für einen «Bikini-Single» wie sie selbst bedeutet.

Berner Mundart

Für den singenden Kurswechsel von Glück nach Unglück und zurück hatte «King Pepe» Simon Hari reichlich Material mitgebracht. Der Mundartmusiker aus Bern singt über alles, was ihn beschäftigt, egal ob es Sinn oder Unsinn ist. Seien es «Nachteilslieder» über ­Liebe, Leben und das Künstlerdasein in der Schweiz, eine zynische Hommage an «Pussy Riot» Nadeschda Tolokonnikowa oder ein Ständchen über das nicht ewig schöne, aber ewig doofe Individuum Mensch der Witz in den Liedtexten oder vielmehr die Art, wie King Pepe sie interpretiert, bleibt trocken, nüchtern mit einem Hauch von Resignation. Und genau darin liegt die Köstlichkeit.

Ein Nik Hartmann gewidmeter Text, vollends bestehend aus skurrilen Ortsnamen, sowie ein Chasperlitheater, bei dem alle ihre Rolle unvorbereitet lesen sollten, sorgten für besondere Hochstimmung. Nicht zuletzt wegen des Versuchs von Sarah Schmidt, ­Chasperlis Schweizerdeutsch souverän und stilecht wiederzugeben.

Wo Gegensätze sich ergänzen

Einmal mehr zeigte sich an diesem Abend, wie bereichernd selbst eine winzige Kleinkunstbühne wie das Oswalds Eleven für das Kulturleben einer Stadt sein kann. Die Mischung machts eben und nicht zuletzt die Zusammensetzung der geladenen Künstler, die hier halt immer gut zueinander passen oder in ihrer Weise derart gegensätzlich sind, dass sie sich auf der Bühne zu etwas Neuem, Erfrischendem ergänzen. (Andreas Fässler)

Hinweis
Nächste Satz&Pfeffer-Lesebühne im Oswalds Eleven am Samstag, 11. April, 20 Uhr. Reservation erbeten (hallo@lesebuehne.ch)