Den Künstler Hans Potthof neu entdeckt

Literatur & Gesellschaft

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Der Kunsthistoriker Georg M. Hilbi hat Pionierarbeit geleistet mit einem umfassenden Band zum Frühwerk Hans Potthofs (1911–2003).

  • Kunsthistoriker und Autor Georg M. Hilbi im alten Zollhaus Zug, vor einem Wandgemälde Hans Potthofs. (Bild: Stefan Kaiser)
    Kunsthistoriker und Autor Georg M. Hilbi im alten Zollhaus Zug, vor einem Wandgemälde Hans Potthofs. (Bild: Stefan Kaiser)

Zug – Dieses Buch zu betrachten und zu studieren, erfordert eindeutig Kraft und Ausdauer, so umfangreich und gewichtig, auch in seiner materiellen Ausführung, ist es. Aber das Studium lohnt sich, und nicht nur für ­Zuger Kunstinteressierte. Die gleichwohl umfassende wie grossformatige Publikation zum Frühwerk von Hans Potthof (1911–2003), der zu den bedeutenden Schweizer Kunstmalern des 20. Jahrhunderts zählt, blickt breit auf den Menschen Hans Potthof an sich, und erstmals auf seine frühen Malereien und seine Fotoarbeiten, die zwischen 1930 und 1945 entstanden sind. Pionierarbeit also.

Fünf Jahre lang arbeitete der Zuger Kunsthistoriker Georg M. Hilbi am so ästhetischen wie inhaltlich genauen Werk, das mit «Hans Potthof. Frühe Malerei. Fotografie» betitelt ist und mit 480 Abbildungen zeigt, welch talentierter Maler und Fotograf der in Zug geborene Hans Potthof war, Sohn eines Deutschen und einer Zugerin.

Georg M. Hilbi, der zur Modernität in der Schweizer Malerei um 1900 promovierte und zu dessen Forschungsschwerpunkten die Aufarbeitung der Werke von Hans Potthof (1911–2003), Emil Dill (1861–1938) und Hans Emmenegger (1866–1940) gehört, sondierte für das im vergangenen Jahr erschienene Buch einen riesigen Fundus an biografischem Nachlass, an Fotoalben, persönlicher Bibliothek Potthofs, an Zeitungsartikeln. Was Hilbi die Arbeit sehr erleichterte: «Hans Potthof ging sehr buchhalterisch vor. So bewahrte er alle Artikel zu seinen Ausstellungen auf, der älteste datiert von 1938.» 1940 etwa stellte Potthof bei «Tage der Kunst» in Zug Malereien und Fotografien aus.

Dem Zuger Kunsthistoriker Hilbi ist wichtig, sowohl über den umfangreichen Katalogteil mit den Abbildungen als auch über den Text einen vertieften Blick auf die Unabhängigkeit und das Talent Hans Potthofs zu werfen: «Man kann sehr viel über seine Kunst schreiben, aber das Objekt ist die Kunst selber.»

Fotografien aus dem Paris und Berlin der Dreissiger

Das Buch vereint frühe Malereien von Zuger, Luzerner oder Winterthurer Motiven mit Fotografien vom Zuger Stierenmarkt 1940, der Weltausstellung in Paris 1937 oder der Olympiade in Berlin 1936. Die Fotografien sind Zeitdokumente, zeugen aber auch von der Experimentierfreudigkeit Potthofs, der mit Doppelbelichtungen, extremen Licht-Schatten-Kontrasten, ungewohnten Auf-, Durch- und Tiefensichten arbeitete und dabei unkonventionelle Bildausschnitte und extravagante Perspektiven suchte. Hilbis Fazit: «Hans Potthofs fotografische Arbeiten, mit denen dieser zwar kaum an die Öffentlichkeit gelangte, sind im zeitgenössischen Kontext wegweisend.»

Der Kunsthistoriker sagt zudem: «Hans Potthof gab nicht viel darauf, was andere dachten, er machte, was er für richtig hielt.» Im Buch wird der Künstler einmal so zitiert: «Ich selber bin mir keiner Stilabschnitte bewusst. Ich habe immer nur das gemalt, was ich gefühlt habe und was mich fasziniert hat.» Deutlich macht Hilbis Buch nichtsdestotrotz das: Hans Potthofs Malereien der 1930er- und frühen 1940er-Jahre zeichnen sich durch eine progressive Bildfindung und spontane Maltechnik aus. Der junge Potthof ist ein innovativer Vertreter des Postexpressionismus, Surrealismus und der neuen Sachlichkeit.

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann die Karriere

Anerkennung über die Zuger Kantonsgrenzen hinaus fanden Hans Potthofs Arbeiten erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg, als Unternehmer und Kunstsammler Oskar Reinhart aus Winterthur auf Vermittlung des in Zug wohnhaften, emigrierten österreichischen Künstlers Fritz Wotruba (1907–1975) ein Konvolut von drei Gemälden kaufte. Und so Potthofs nationalen Durchbruch als Kunstmaler initiierte. Es folgten Ankäufe renommierter Schweizer Museen sowie von kantonalen, städtischen wie privaten Sammlungen im In- und Ausland.

Über die Anfänge von Potthofs künstlerischem Schaffen zu lesen, macht Freude. Schon in den Linolschnitten des Teenagers zeigt sich dessen grosses Talent. Ebenso in den frühen Zeichnungen und Aquarellmalereien. Der Ölmalerei wandte sich Potthof erst nach seinem Parisaufenthalt in den Dreissigern zu. Georg M. Hilbi sieht in Hans Potthof wie in Hans Emmenegger (1866–1940) Ver­treter des sogenannten Neuen Sehens, was sich etwa in dynamischer Bewegung oder ungewohnter Perspektive äussert. «Hans Potthof hat nie kopiert, er war ein Individualist durch und durch.» (Susanne Holz)