Fachleute finden 2000 Jahre alte Mauern

Kunst & Baukultur

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So etwas gibt es selten: Im Chamer Äbnetwald wurde ein römisches Gebäude gefunden. Es ist ein weiteres Puzzleteil, welches erklären soll, welche Rolle die Römer früher im Kanton Zug gespielt haben.

  • Mindestens 500 Quadratmeter Mauerwerk aus der Römerzeit sind bisher im Äbnetwald freigelegt worden. Bild: Stefan Kaiser
    Mindestens 500 Quadratmeter Mauerwerk aus der Römerzeit sind bisher im Äbnetwald freigelegt worden. Bild: Stefan Kaiser

Cham – Gleich neben dem Chamer Äbnetwald ist ein grosses, weisses Zelt aufgespannt, im Innern sind Holzplanken ausgelegt, und einige Menschen mit leuchtend orangen Westen knien über der trockenen, aufgewühlten Erde. Mit Eimern, Schaufeln und feingliedrigem Werkzeug sind sie bei der Arbeit, heben Material aus dem Boden und markieren mit bunten Zetteln Fundstellen von Münzen, Keramikscherben und sogar Bruchstücke von Amphoren.

Die Objekte sind Teil eines Jahrhundertfunds: Inmitten der Chamer Landschaft haben Fachleute des Amts für Denkmalpflege 2000 Jahre alte römische Mauerreste freigelegt. «Eine Mauer dieser Dimension wurde zuletzt vor rund 100 Jahren in Heiligkreuz bei Cham gefunden. Daher kann man tatsächlich von einem Jahrhundertfund sprechen», sagt Gishan Schaeren, Leiter der Zuger Abteilung ur- und frühgeschichtliche Archäologie. Puzzleteile wie diese würden es ermöglichen, dem Leben unserer Vorfahren etwas näher zu rücken, pflichtet ihm Karin Artho, Leiterin des Amts für Denkmalpflege und Archäologie, bei.

500 Quadratmeter Fläche, vielleicht noch viel mehr

Nicht nur das Alter ist beeindruckend, sondern auch die Grösse. Insgesamt umrahmen die Mauern mindestens 500 Quadratmeter Fläche und gehören zu einem Komplex mit mehreren Räumen. Was auch gut ersichtlich sei, sagt Ausgrabungsleiter David Jecker und deutet auf die verschiedenen Mauerstücke. Was genau an diesem Ort stand, ist noch unklar. Eine Villa oder ein Tempel vielleicht? Die weiteren Ausgrabungen werden es zeigen. Auch nicht klar ist, wie gross das Gebäude war. Laut Jecker könnte es auch doppelt so gross sein, wie man aktuell schätzt.

Keramik, Glas und Goldfragmente

Zwischen den Mauern stiessen die Fachleute neben Alltagsgegenständen auch auf exklusivere Objekte aus der Rö­merzeit. Einige davon sind an diesem heissen Sommertag in einer kleinen Kiste zusammengestellt. Grosse und kleine Bruchstücke aus Keramik oder Glas liegen nebeneinander. «Solche Gegenstände lassen darauf schliessen, wie das Leben der Römer ausgesehen hat», schildert die stellver­tretende Grabungsleiterin, Kathrin Rüedi.

Ein Höhepunkt für die Spezialisten und Spezialistininnen: Einige der Steine scheinen bemalt zu sein. Ein Indiz für bemalte Wände – vermutlich im Inneren des Gebäudes. Aktuell werden diese bemalten Stücke im Labor restauriert. Wie in vielen Bereichen brauchen die Verantwortlichen auch hier noch Geduld, bis sicher ist, was sie entdeckt haben.

Zu den Funden zählen auch römisches Tafelgeschirr, so genannte Terra Sigillata, und kunstvoll hergestellte Glasgefässe. Fragmente von Amphoren, in denen unter anderem Wein, Olivenöl und Fischsauce vom Mittelmeerraum bis zum Äbnetwald bei Cham gelangten, zeugen vom weitreichenden Handel in römischer Zeit. Die Fachleute sind begeistert davon, immerhin bezeugen solche Gegenstände, dass hier Handel stattgefunden haben könnte.

Grosse Mengen an Eisennägeln sprechen für eine Holzkonstruktion auf dem vorliegenden Mauerfundament. Ein weiterer aussergewöhnlicher Fund ist ein Goldfragment, das ursprünglich wohl zu einem Schmuckstück gehört hat.

Kiesabbau und Archäologie Hand in Hand

Auf die Mauer gestossen sind die Fachleute, weil sie das Gebiet, wo Kies abgebaut wird, schon länger untersuchen. Der grossflächige Kiesabbau der Risi AG im Äbnetwald werde vom Amt für Denkmalpflege und Archäologie seit den 1990er-Jahren mit Rettungsgrabungen systematisch begleitet, schreibt die Direktion des Innern in einer Medienmitteilung.

Mit rund einem Jahr Vorsprung untersuchen die Archäologinnen und Archäologen die obersten Schichten des Kieshügels, bevor dieser abgetragen wird. Dank dieser Zusammenarbeit konnten in den vergangenen Jahren zahlreiche Befunde dokumentiert und wertvolle Funde gerettet werden, so Karin Artho. (Text von Vanessa Leutenegger)

Hinweis

Wer sich die Grabungen selbst anschauen will, der hat die Gelegenheit dazu. Am Tag der offenen Grabungen, Samstag, 2. September 2023, von 10 Uhr bis 16 Uhr, beim Äbnetwald bei Oberwil (Cham) kann die Fundstelle besichtigt werden.