Spektakuläre Filmmusik begeistert Zuhörende
Musik
Das Zuger Klassikwochenende endete am Samstagabend mit Standing Ovations.
Zug – Astor Piazzolla auf der Harfe. «Wieso nicht?», dachte sich wohl Seraina Campell, als sie sich für das «Primavera porteña» des argentinischen Tango-Komponisten entschied. Das Ergebnis lässt sich hören: Es ist so mitreissend wie unterhaltsam. Wie schafft es die junge Künstlerin nur, ihre Finger so gekonnt über die Seiten zu bewegen, dass der Eindruck einer kompletten Band entsteht?
Als zweite Kostprobe ihres Könnens trägt die 19-jährige Zürcherin das eigens komponierte «El paso de la Sigina» vor, dessen süss-suchende Melodie dem Zuhörer mehr als nur einen nachdenklichen Seufzer entlockt. Campells träumende Harfenklänge bildeten einen der ersten Höhepunkte des diesjährigen Zuger Klassikwochenendes am Samstagabend: Die vierte Ausgabe der Reihe lockte am Samstagabend rund 300 Zuhörerinnen und Zuhörer an. Aufgrund des schlechten Wetters musizierten die Kunstschaffenden in der Kirche St. Michael statt unter freiem Himmel beim Huwilerturm. Vor dem Hauptteil, in dem das Simple Music Orchestra Werke des Filmmusikkomponisten Hans Zimmer auf phänomenale Weise interpretieren wird, kommt der Nachwuchs zum Zug.
Entzückende Jungtalente im Anzug
Die mit fünf Jahren jüngste Künstlerin eröffnet den Abend mit einem lebhaften Marsch, der sich die ganze Aufmerksamkeit des altersmässig überraschend gemischten Publikums sichert. Es lauscht den Schülerinnen und Schülern der Baarer Musikschule Young Artists, die mit ihrem Lehrer Slava Spiridonov einstudierte Juwelen wie Tschaikowskis Neopolitanisches Lied interpretieren.
Die Schultern der Jungtalente ruhen, während die kleinen Hände Schwerstarbeit leisten (was man ihnen kaum ansieht). Wie Stars treten sie auf die Bühne, im Anzug oder mit Hosenträgern ausgerüstet, federnden Armen und einem erwartungsvollen Blick nach Applaus. Besonders ist die elfjährige Künstlerin zu erwähnen, die mit Chopins Waltz in As-Dur ein wahres Musikfeuerwerk zündet. Das Ohr kommt kaum nach.
Kurz darauf tanzen Schatten an den Wänden hinter dem Altar. Es sind die Bögen von zwei Geigen und einem Cello, die mit viel Feuer über ihre Instrumente gejagt werden, unterstützt von Klavier und Cajon. Das heroische Thema von «The Gladiator» versetzt den Zuschauer in die Haut des Kriegers, der die Schlacht überlebt hat, sich nun der fernen Heimat sehnend.
Die weniger populären Soundtracks lassen Raum für das Kopfkino: «Lost but Won» etwa scheint dem Saal Flügel zu verleihen und ihn weit nach oben in den Himmel zu tragen. Mit dem treibenden 3+3+2-Takt der Titelmelodie von «Madagascar» schaffen die jungen Künstler aus Bern schliesslich einen wilden Höhepunkt vor der Pause. Diese geniessen die Zuhörenden auf der Terrasse der Kirche, die wie ein Palast über dem Zugersee thront. Der rote Teppich am Eingang bringt Hollywood nach Zug, während der nur spärliche beleuchtete Innenraum mit dem reich geschmückten Altar eine mystische Spannung aufbaut.
Die alten Fresken verstärken die Gänsehaut, für die bereits der erste Takt von «Time» verantwortlich ist. Solch gelungene Effekte sind nicht nur dem tadellosen Spiel von Vera Butysina, Damien Kuntz, Raman Kamisarau, Jonas Krummenacher und Sara Walser zu verdanken, sondern auch der fein abgestimmten Verstärkung durch Mikrofone. Die kurzweiligen Arrangements für diese für Filmmusik ungewohnt kleine Formation wirken. Das zeigen die sofortigen Standing Ovations nach dem Finale: das dramatische Auftauchen des Kraken aus «Fluch der Karibik» – was für ein Abend. (Text von Fabian Gubser)