Kulturblick Schule: Severin Hofer, Kulturschaffender und Kindergärtner

Literatur & Gesellschaft, Vermittlung

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Kulturblick Schule aus dem Zug Kultur Magazin, Ausgabe Oktober 2022, Seite Schulen: Severin Hofer, 28, Kindergartenlehrer und Kulturschaffender, Zug

  • Severin Hofer unterwegs als Figur "Herr Stämpfli". (Bild Sarja Gauch)
    Severin Hofer unterwegs als Figur "Herr Stämpfli". (Bild Sarja Gauch)

Zug – «Ich möchte eine kurze Geschichte erzählen, die für mich bezeichnend ist dafür, was die Begegnung mit Kultur bei Kindern auslösen kann: Ich bin mit meinem Bilderbuch ‹Herr Stämpfli› unterwegs in Kindergärten und Schulen und mache dort Lesungen. Da gehe ich jeweils nicht als Severin Hofer hin, sondern als Figur ‹Herr Stämpfli›.
Im Vorfeld eines Schulbesuchs wurde ich informiert, dass ein verhaltensauffälliges Kind in dieser Klasse sei, ein Schulverweigerer. Die Frage stand im Raum, ob dieses Kind besser gar nicht teilnehmen solle. Ich wollte es aber probieren. Die Lesung verlief tipptop, ich konnte die Geschichte ohne Probleme erzählen. Als es gegen Schluss in den Teil überging, bei welchem die Kinder selber mit Zeitungspapier ausprobieren und gestalten können, da gab es einen Jungen, der war extrem fixiert auf mich. Er sagte, dass er sich Hosenträger aus Zeitungspapier machen wolle und er wolle jetzt auch lesen lernen, weil Herr Stämpfli ja lesen könne. Ich erfuhr im Nachhinein, dass dieser Junge prompt das verhaltensauffällige Kind war. Als ich mich später bei der Lehrerin nach dem Jungen erkundigte, meinte sie, es sei immer noch schwierig, aber lesen könne er jetzt.

Diese Geschichte soll nicht demonstrieren, was für ein ‹Sibesiech› ich bin, sondern sie dient als gutes Beispiel dafür, was Figuren bei Kindern auslösen können. Figuren sind darum auch als pädagogisches Mittel nicht zu unterschätzen. Dabei gibt es ja eine grosse Bandbreite von Theaterfiguren bis zu Handpuppen. Figuren können etwas bei Kindern auslösen, die Kinder können sich mit ihnen identifizieren.
Eine ähnliche Funktion nehmen auch befreundete Kunstschaffende ein, die ich gerne mal in den Kindergarten zu uns einlade. Sie bringen einen anderen Blick, eine neue Welt in das schulische Umfeld und können etwas anderes verkörpern als die Lehrperson, die täglich anwesend ist. Wenn Kultur von aussen ins Klassenzimmer kommt, dann ist das für Kinder einfach beeindruckend. Es geht dabei dann gar nicht so sehr um pädagogische Inhalte, sondern um Begegnungen mit authentischen Personen, die Welten öffnen, die Zugänge schaffen und Vorbildcharakter haben. Darum plädiere ich auch für Artists in Residence in Schulen! Von solchen Austauschen können beide Seiten profitieren.»

Aufgezeichnet von Maria Brosi