Das Ego wie eine Nuss aufbrechen

Dies & Das

,

Die «Woche der Religionen» ermöglichte eine Begegnung mit den farbenfrohen Ritualen und Festen des Hinduismus.

  • Das Publikum kam in den Genuss einer traditionellen hinduistischen Tanzvorführung. (Bild Mathias Blattmann)
    Das Publikum kam in den Genuss einer traditionellen hinduistischen Tanzvorführung. (Bild Mathias Blattmann)

Zug – Wer am Mittwochabend die City-Kirche Zug betrat, sah sich einer ungewöhnlichen Szenerie gegenüber. Ein Altar mit zwei dicken gold-weissen Säulen, geschmückt mit gerafften Tischdecken in Pink und roten Girlanden, gekrönt durch eine mächtige Tiara und bedeckt mit goldenen Schälchen und Vasen, thronte an der Rückwand des Raumes. Darauf, ganz in Gold, eine Statuette von Ganesha, dem verschmitzten Elefantengott des Hinduismus.

Ein kleiner schwarzbärtiger Mann, gekleidet in eine Art kostbaren Sari, bereitete den Altar vor, arrangierte Bananen und Kokosnüsse, stellte einen Teller dunklen Reis unter ein grünes Bananenblatt neben eine Schale voller bunter Blumenköpfe, entzündete schliesslich eine Kerze. Alles in meditativer Ruhe und Konzentration.

Das Priestertum wird vererbt

«Mit allen Sinnen Glauben feiern» – unter diesem Motto hatte die City-Kirche im Rahmen der jährlich im November stattfindenden «Woche der Religionen» zu einer Begegnung mit dem Hinduismus eingeladen, und der erste Eindruck war visuell tatsächlich überwältigend. «Ich war geflasht, als ich eintrat», sagte Gaby Wyss, katholische Theologin und Mitglied der Steuergruppe der City-Kirche, in ihrer Begrüssungsansprache. Das «Feuerwerk der Sinne» wurde an diesem Abend vom tamilischen Kulturverein Zug entfacht, der in Hünenberg (Bösch) einen Tempel betreibt.

Der Vorstand des Vereins hatte dafür den Hindu-Priester Somaskanda Srikarasarma eingeladen, der im solothurnischen Trimbach einen der grössten hinduistischen Tempel Europas leitet. Befragt von Wyss, erzählte er, dass er das Priestertum von Grossvater und Vater vererbt bekommen habe, dass alle seine Brüder ebenfalls Priester seien, dass er aber auch durch eine jahrelange Studienzeit gegangen sei, in der Tausende von traditionellen Vedas und Agamas erlernt werden mussten. Und zwar in Sanskrit, der Sprache dieser heiligen Texte. Viele Priester hätten daneben noch einen weltlichen Beruf. Den Abschluss des Priesterstudiums markiere immer eine Namensänderung, und so heisse er seit etwa seinem 30. Lebensjahr eigentlich Somas Gurukkal.

Im Hinduismus, der zahlenmässig drittgrössten der fünf Weltreligionen, verehrt man Gott in vielen Göttern wie Brahma, Vishnu, Ganesha, Parvati oder auch – Jesus und Maria. «Gott ist in allem», in Menschen, Pflanzen, Tieren, im Kosmos. Zentral im hinduistischen Gottesdienst, der Puja, sind die fünf Elemente Erde (Reis), Wasser (in einem Gefäss), Feuer (Kerzenlicht), Wind (Rauchstäbchen) und «Space», Raum. Wenn im Körper diese Elemente harmonieren, ist der Mensch gesund, so Gurukkal.

Tempeltanz und Gebetstexte

Statt eines längeren Referates demonstrierten er und mehrere tamilische Frauen und Männer, welches die Elemente einer Puja sind. Auf eine Trommel-Introduktion folgten zwei Tempeltänze durch eine junge Tänzerin, die barfuss und mit glöckchenbehängten Fesselbändern die charakteristischen stampfenden Schritte und zierlichen Handbewegungen vorführte. Zwei Frauen, Mutter und Tochter, sangen tamilische Gebetstexte, und die junge Byravi Nallathamby aus dem Vorstand des Kulturvereins betete im wunderschönen gelben Sari mit gefalteten Händen vor dem Altar.

Schliesslich erklärte der Priester des Hünenberger Tempels, Baskarakurukkat, weitere Elemente seiner Religion. Und immer wieder kam er dabei auf die Liebe als «Priorität im Hinduismus» zurück. Seine Stirn zierten zwei Streifen aus Asche – sie sollten an die Endlichkeit und den Zyklus Tod-Leben erinnern.

Im Verlauf der zeremoniellen Demonstration brach ein Helfer mit geübten Handgriffen eine Kokosnuss auf, und Gurukkal deutete den Akt: So wie die Kokosnuss, hat das Ego des Menschen eine harte Schale, sie muss zerbrochen werden, damit das schöne weisse Herz erscheinen kann.

Aus der Perspektive einer westlichen Gesellschaft, in welcher eine auf planetarischer Ausbeutung basierende Wirtschaft, ein auf die Spitze getriebener Individualismus und immer exzessiver werdende Selbstoptimierung vorherrschen, wirkte diese Spiritualität der Gemeinschaft, Sinnenfreude und universellen Schönheit als eine inspirierende Alternative. (Text von Dorotea Bitterli)