Ihre Bilder spielen mit den Epochen

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Die Zugerin Nora Nussbaumer zeigt ihre Werkserie an der diesjährigen Ausstellung Photo Schweiz in Zürich. Was als persönliches Projekt begonnen hatte, wurde zur erfüllenden Auftragsarbeit.

  • Nora Nussbaumer in ihrem Atelier in Steinhausen. (Bild Maria Schmid)
    Nora Nussbaumer in ihrem Atelier in Steinhausen. (Bild Maria Schmid)

Steinhausen – Eine Frau mit kunstvollem Turban, ein Mann in traditioneller Tracht aus Togo, eine junge Frau mit Rastalocken, sie alle leben und wirken in der Schweiz, ebenso wie die Fotografin Nora Nussbaumer aus Zug. Sie hat diese Menschen abgebildet, teilweise als Auftragsarbeit für die Zeitschrift «Transhelvetica». Dies war ein Auftrag, wie ihn sich die 35-Jährige nur wünschen konnte: Eine Porträtserie, die aus einem persönlichen Projekt erwuchs. An der Ausstellung Photo Schweiz in Zürich vom 2. bis 11. Juli sind diese eindrücklichen Bilder zu sehen.

Als Abschluss ihrer Ausbildung an der Schule für Gestaltung Zürich befasste sich die Künstlerin intensiv mit der Personendarstellung in der Malerei, insbesondere mit den Lichtstimmungen der Porträts des spätmittelalterlichen flämischen Malers Jan van Eyck. «Ich wollte versuchen, heutige Menschen in diesem alten Licht zu porträtieren.»

Dass sie vor allem, aber nicht ausschliesslich, dunkelhäutige Menschen auswählte, hat einerseits mit der fehlenden Vielfalt in der Kunst, andererseits mit ihrer eigenen Herkunft zu tun. Als Schweizerin mit ägyptischen und englischen Wurzeln kennt sie die Problematik des Andersseins. «Wenn man die Historie der Malerei betrachtet, entdeckt man, dass es an Diversität mangelt», legt die Wahlzugerin dar. «Sie wird der Vielfalt des Menschen nicht gerecht. Dabei spielen neben der Hautfarbe auch Geschlecht, Alter oder der soziale Stand eine Rolle.»

Nähere Betrachtung lohnt sich

Genau diese Gerechtigkeit stellt Nora Nussbaumer in ihrer Porträtserie her. Die abgebildeten Menschen wirken natürlich, entspannt, interessant. Der dunkle Hintergrund und das warme, dämmerige, «alte» Licht lässt ihre Züge weicher erscheinen. Die Linien verschmelzen mit dem Hintergrund. Tritt man näher an die Werke heran, erkennt man weitere Details – eine dunkle Haarpracht etwa –, die die Bilder vervollständigen, von Weitem aber kaum sichtbar sind. Etwas aus der Reihe tanzt der dem Betrachter abgewandte Akt einer Frau, dessen fein geschwungene Linien von beseelter Schönheit den Blick bannen. Eine Mutter mit Kind und ein alter Mann, beide hellhäutig, brechen das Muster auf, nicht aber die Einheit. So gross – stellt man überrascht fest – ist der Unterschied der Hautfarben gar nicht. «Mich interessiert die Diversität. Ich will niemanden ausschliessen, Brücken bauen, Schönheit zeigen und Verständnis schaffen.» Die Furchen im eindrücklichen Gesicht des alten Mannes erzählen von seinem langen Leben, reflektieren Weisheit, Gelassenheit und Schmerz. Schön und berührend eindringlich sind alle Gesichter in ihrer authentischen, unverblümten Natürlichkeit.

Ihr Erstberuf Hochbauzeichnerin schien die logische Folge von Nora Nussbaumers Leidenschaft für das zeichnerische Gestalten zu sein. «Es stellte sich aber rasch heraus, dass diese technische Art des Zeichnens für mich wenig befriedigend ist», gesteht die Künstlerin. Trotzdem schloss sie die Ausbildung ab, bildete sich aber später mit Kursen an der Schule für Gestaltung Zürich in Richtung Fotografie weiter. Der Entscheidung, Fotografie als Kunstform zu wählen, ging jedoch ein langer Prozess voraus. «Ich arbeitete zeitweise als Model und kam so in Kontakt mit dem Beruf der Fotografin. Ich begann, mich mehr für die Arbeit hinter der Kamera zu interessieren.» Fortan war sie als Assistentin bei Fotoshootings und auf Filmsets tätig. «Ich arbeitete in den verschiedenen Bereichen der Produktion und lernte dabei sehr viel über dieses Metier.» Und sie entdeckte ihre Leidenschaft dafür. «Ich liebe die Klarheit der Fotografie. Die exakten Bilder, die ich im Kopf habe, lassen sich oft nur durch dieses Medium ausdrücken.»

Ihr Netzwerk trug sie durchs Coronajahr

Der Schritt zur Selbstständigkeit nach der Ausbildung vor sieben Jahren gestaltete sich zuerst schwierig. «Ich hatte keine Referenzen, kein eigenes Portfolio vorzuweisen.» Ein erstes Vintagemode-Projekt mit einer Freundin, praktisch ohne Budget, schuf Abhilfe. «Plötzlich wurde ich auf diese Bilder angesprochen, und es begann, sich ein Netzwerk zu bilden.» Aufträge in den Bereichen Werbefotografie, Porträt, Stilleben und Reportage folgten. Dieses nachhaltig aufgebaute Netzwerk war es denn auch, das sie durch das schwierige Coronajahr trug und auf das sie heute noch bauen kann.

Nora Nussbaumer verfolgt neben Auftragsarbeiten immer auch eigene Projekte und stellt mindestens einmal jährlich aus. «Eigene Themen zu erforschen und mich an einer Ausstellung darüber auszutauschen, ist mir wichtig. So halte ich die Passion für meinen Beruf lebendig.» (Cornelia Bisch)