«Ein gutes Bild muss berühren»

Kunst & Baukultur, Film & Multimedia

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Der Chamer Fotograf Matteo Rolfi war mit einem seiner Naturbilder auf der Startseite der renommierten «National Geographic». Sein Herz aber schlägt für Cham im Nebel.

  • Milchstrasse über dem Matterhorn. Beinahe wäre die Aufnahme mit Langzeitbelichtung durch Touristen mit Stirnlampe ruiniert worden. Cham im Nebel (oben) und Sonnenuntergang in der Serengeti. Matteo Rolfi hatte eine klare Vorstellung, wie das Bild aussehen sollte. (Bilder Matteo Rolfi)
    Milchstrasse über dem Matterhorn. Beinahe wäre die Aufnahme mit Langzeitbelichtung durch Touristen mit Stirnlampe ruiniert worden. Cham im Nebel (oben) und Sonnenuntergang in der Serengeti. Matteo Rolfi hatte eine klare Vorstellung, wie das Bild aussehen sollte. (Bilder Matteo Rolfi)

Cham – Matteo Rolfi strahlt, wenn er das trübe Bild von Cham auf seinem Smartphone zeigt. «Nebel, der aus dem Wasser emporzusteigen scheint, das ist doch wunderbar!» Man spürt die Leidenschaft für das Bild beim 29-jährigen Chamer. Das Feuer, welches bei ihm lodert, wenn es um Fotografie geht. Wenn Matteo, der in Italien geboren ist und erst seit knapp zwei Jahren in der Deutschschweiz lebt, Deutsch spricht, ist nur ein leichter Akzent zu hören. Er drückt sich eloquent und gewählt aus.

Eine gute Fotografie soll «stupire». Es wird das einzige Wort im ganzen Gespräch sein, welches er nicht auf Deutsch kennt. «Ich möchte, dass man meine Fotos anschaut und mindestens ‹wow› ruft, besser wäre ein ‹grossartig›.» Die Auseinandersetzung mit der Natur, mit der Stille und damit verbunden auch mit der Einsamkeit ist letztlich auch immer eine Auseinandersetzung mit sich selbst. Dieses «mit sich im Reinen sein» strahlt Matteo Rolfi nicht nur in seinen Bildern aus, sondern auch als Person. Eine wohltuende Unaufgeregtheit, die in seiner Generation eher selten zu finden ist.

Eindrückliche Naturgewalt

Dass er gut ist, scheint er auch so zu wissen. Vielleicht, weil unlängst eines seiner Bilder online auf der Startseite von «National Geographic» zu sehen war, möglicherweise aber auch, weil er spürt, dass er mit seinen Bildern die Menschen zu berühren vermag.

Eigentlich wäre der Treff für dieses Gespräch im Villette Park in Cham gewesen; ein Ort, den der ambitionierte Fotograf regelmässig aufsucht. Um Kraft zu tanken, um zu joggen und weil die Farbenpracht bis in den Spätherbst «einfach unglaublich ist». Matteo Rolfi ist jemand, der sich in der Ruhe wohlfühlt; seine Bilder beweisen das eindrucksvoll. Die imposanten Berge, naturgewaltig und unverrückbar und irgendwo im Bild oft der Fotograf selbst. Eindrücklicher könnte der Gegensatz Mensch-Natur kaum inszeniert werden. Aufgrund der Witterung wurde aus dem Spaziergang im Park schliesslich ein Gespräch im Restaurant «Bahnhof» in Cham. Weniger romantisch, dafür umso intensiver.

Bei Matteo Rolfi ist nichts zufällig. Das beginnt bei der Planung des Sujets und hört bei der Nachbearbeitung am Computer auf. Der Wahl-Chamer hat meistens eine sehr klare Vorstellung vom fertigen Bild, oft merkt er aber, dass der Weg zu dieser Vision anders verläuft als geplant. Beispielsweise beim «Matterhorn-Bild»: Es waren entsprechende Recherchen notwendig, bis klar war, welche Planetenkonstellation exakt seiner Vision vom «Sternenschauer» entsprach. Minutiös vorbereitet erreichte er schliesslich sein Ziel, übernachtete vor Ort, stellte sein Equipment auf und war bereit für die Langzeitbelichtung. Was Matteo allerdings nicht einkalkulieren konnte: Andere tummelten sich mit Stirnlampen ebenfalls vor dem Matterhorn und gefährdeten so die mühsam vorbereitete Aufnahme. Zu sehen ist davon nichts auf dem finalen Bild. Aber: «Ich bin auch heute noch nicht restlos zufrieden mit der Aufnahme», sagt der 29-jährige gebürtige Italiener. Was er an diesem wirklich spektakulären Bild ändern möchte, bleibt sein Geheimnis.

Eine brotlose Kunst?

Wie schwer es ist, von der Kunst zu leben, weiss Matteo Rolfi nur zu gut. Sein Vater ist selbst Künstler. Claudio Rolfi ist in Italien bekannt für seine Gemälde mit Heissluftballons, unter anderem hat er für den italienischen Staatssender RAI III die Hintergrundbilder «mongolfiere» für die Sendung «Geo» gestaltet ... und besucht man die Webseite des Vaters, findet man eine beachtenswerte Vita. War es also nur eine Frage der Zeit, bis der Sohn in die Fussstapfen des Vaters trat?

«Ich würde lieber sagen, dass ich die Leidenschaft für Kunst und Fotografie vermutlich schon im Blut hatte, aber erst spät für mich entdeckt habe. So richtig bewusst, wurde mir das erst hier in der Schweiz. Das Leben im Ausland hat mich verändert und mir neue Horizonte eröffnet.»

«Ich habe die künstlerische Ader vielleicht im Blut», erklärt Matteo und nimmt einen Schluck von seiner Cola Zero. «Aber für mich entdeckt habe ich die Freude am Bild erst relativ spät», fährt er fort. «Mein Vater fragte mich unlängst, warum ich immer Berge und Landschaften fotografiere», sagt Rolfi und schaut einen Moment lang auf die Kohlensäurebläschen seiner Cola. «Ich weiss es eigentlich selbst auch nicht so recht – die Natur übt einfach eine unglaubliche Faszination auf mich aus.»

Dass es ein langer Weg sein wird, den Matteo zu gehen hat, wenn er effektiv von seiner Leidenschaft leben möchte, ist ihm bewusst. Daher arbeitet er in Zug hauptberuflich als Kredit-Analyst. «Diese Arbeit gibt mir die Möglichkeit, mich privat voll und ganz auf die Fotografie zu konzentrieren», gesteht ­Matteo Rolfi. Matteos Vater hat unrecht, der Fotograf hält mitnichten «nur» Berge und Landschaften fest. Dies beweisen beispielsweise die Bilder aus Afrika eindrücklich. Matteo Rolfi zeigt sein Instagram-Profil. Die Plattform, welche ursprünglich genau dafür geschaffen wurde, der Welt Bilder zu präsentieren. Zwischen den umwerfenden Naturaufnahmen mit vereinzelten Porträtaufnahmen ist unter anderem auch Cham im Nebel zu sehen. Beinahe wäre es in der Farbenpracht der afrikanischen Wüste untergegangen. Und erst auf den zweiten Blick erkennt man die Schönheit des unscheinbaren Bildes. «Stupire» heisst auf Deutsch so viel wie «erstaunen». Und das gelingt nicht nur der Schönheit von Cham im Nebel, sondern auch Matteo Rolfi. (Haymo Empl)

Hinweis
www.matteorolfi.com
Instagram: @mrolfiphotography