Musikalische Höchstleistungen in beeindruckendem Ambiente

Musik

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Das Trio Colores performte in einem ehemaligen Wasserreservoir bei Baar. Ein spektakuläres Konzert im Rahmen der «Sommerklänge».

Baar – Was da 1890 Grossartiges geleistet wurde, lässt einen auch heute noch staunen. Ein riesiges Wasserreservoir wurde gebaut, so immens, dass es später nicht mehr gebraucht werden konnte.

Was da 2021 Grossartiges geleistet wurde, lässt sich ebenso schwer beschreiben: Auf dem Programm des Musikfestivals «Sommerklänge» stand gestern ein Spektakel für die Sinne an. Sommerklänge, das sind ungewöhnliche Konzertorte, die zur (musikalischen) Entdeckungsreise durch den Kanton Zug einladen. Gestern war es das Trio Colores mit «Unterweltlich» in ebendiesem stillgelegten Wasserreservoir. Es tropfte von der Decke, es roch feucht, es war düster. Vor allem aber war es: spektakulär.

3D für das Ohr

Das Trio Colores sind Matthias Kessler, Luca Staffelbach und Fabian Ziegler. Alle spielen sie Schlagwerk. Und das tun sie leidenschaftlich und auf einem bisher kaum gehörten Niveau. Das Setting, die spektakuläre Lichtshow, die Akustik – nie zuvor da gewesen in unserer Gegend, ergo nie gesehen. Aufgrund der sakral anmutenden Räumlichkeit im «Spinni-Wasserreservoir» auf der Oberallmig entstand ein Klangkunstwerk, welches quasi 3D fürs Ohr war. Würde man einen Marketingbegriff dafür kreieren, wäre es etwas im Stil von «High Definition Surround». Die Vielschichtigkeit der vom Trio erzeugten Klangbilder, die Verzahnung der Töne, das teilweise Tranceartige der Performance und die Dynamik der Protagonisten zeigten, was Schlaginstrumente alles können, wenn man so talentiert und virtuos spielt wie das Ziegler/Kessler/Staffelbach (mit beeindruckender Entourage an Licht, Ton und Computer) gestern getan haben.

Auftakt bildete die Komposition «Spiegel im Spiegel» von Arvo Pärt (Jahrgang 1938). Der Titel lässt schon erahnen, was passiert, wenn eine endlose Spiegelung musikalisch umgesetzt wird. Dieser Blick in die Unendlichkeit im düsteren Wasserreservoir und im Bewusstsein der eigenen Endlichkeit – ein grossartiger Auftakt. Arvo Pärt mit seinen einfachen Kompositionen, über die man getrost streiten mag, bildete auch den Schluss mit «Für Alina». Dazwischen John Cage (1912–1992): Der Amerikaner steht paradigmatisch für Entschleunigung und Stille. Sein «Quartet For Percussion» führte als roter Faden durch das Programm. Drei Stimmen wurden akustisch gespielt, die vierte aus der Tiefe des Raumes wurde vom Computer eingespielt. Performt wurde hauptsächlich auf «Inseln»: Jeder Musiker stand an seinem eigenen Set im vom Wasser entleerten Raum und füllte ebendiesen mit Klang. Bei Samuel Barbers (1910–1981) «Adagio» und bei Eric Whitacres (Jahrgang 1970) «Sleep» war schon aufgrund der Titel klar, was für Stimmungen vom Trio transportiert wurden.

Was gestern oft mit verblüffender Leichtigkeit gespielt wurde, war selbstverständlich harte Knochenarbeit. Allein die Auseinandersetzung mit dem Raum war ein Prozedere für sich. «Laute Trommeln mussten wir anders behandeln als in einem normalen Konzertsaal», erklärt Lukas Ziegler. «Dafür aber haben die Choräle auf den Marimben wunderschön funktioniert.» Viele der gespielten Arrangements wurden vom Trio bearbeitet, dadurch klangen sie so frisch und jung wie die drei Musiker – keiner ist über 27.

In der Pause dann für viele die Erkundungstour im riesigen Reservoir; die Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, man wurde mutiger. Manche gingen die steile Wendeltreppe hoch, um dann via Original-Zugangshäuschen im gleissenden Sonnenlicht zu stehen. Wasser kann lieblich sein – energetisch, kraftvoll aber auch zerstörerisch. All das drückte das Trio Colores spektakulär auf ihren Schlaginstrumenten aus. Der frenetische Applaus war mehr als nur verdient. (Haymo Empl)

Hinweis
«Sommerklänge», bis 1. August, Infos: www.sommerklaenge.ch