Farbtupfer auf dem Gottesacker

Dies & Das

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Beim Gekreuzigten mit zwei Engeln auf dem Friedhof St. Michael liegt ein bedeutender Kirchenmaler begraben.

  • Das Grab von Fritz Kunz auf dem Friedhof Sankt Michael. (Bild Christian H. Hildebrand)
    Das Grab von Fritz Kunz auf dem Friedhof Sankt Michael. (Bild Christian H. Hildebrand)

Zug – Grabmäler mahnen zum stillen Gedenken an die dort Bestatteten, halten die Erinnerung an sie in würdiger Weise aufrecht, jede Ruhestätte auf einem Friedhof ist auf ihre Art ästhetisch, schön, individuell. Was man jedoch vergleichsweise selten antrifft, ist intensive Farbigkeit. Solche reduziert sich meist auf den pflanzlichen Grabschmuck. Auf dem Friedhof St.Michael in Zug sticht ein besonderes Familiengrab regelrecht hervor. Schon von weitem fällt es durch seine kraftvollen Farben dem Herantretenden ins Auge. Wir finden es da, wo die mittlere Querachse des Fried­hofes die nördliche Längsachse kreuzt, unweit vom Eingang Rägetenweg. Über der Grabstätte an der Mauer prangt ein leuchtendes Mosaik in kräftigen Rot-, Blau- und Gelbtönen. Es zeigt den geschundenen Gekreuzigten flankiert von zwei Engelsfiguren, alle drei mit goldgelben Gloriolen. Gefasst ist die Mosaikarbeit in einem massiven Steinrahmen mit flachem Segmentbogen.

Beachtet man die untere rechte Ecke, erkennt man die Initialen FK. Liest man schliesslich die Grabinschriften im Feld unterhalb des Mosaiks, erschliesst sich einem, dass der Urheber dieser beeindruckenden Mosaikarbeit hier beigesetzt ist. Es ist die Familiengrabstätte des bekannten Schweizer Kirchenmalers und Mosaikkünstlers Johann Friedrich «Fritz» Kunz, der die letzten 28 Jahre seines Lebens in Zug verbracht hat.

Ausbildung im väterlichen Atelier

Der «Wahlzuger» zählt zu den einflussreichsten und schaffenskräftigsten Schweizer Sakralkünstlern des 20. Jahrhunderts und zeichnete sich insbesondere durch seine bemerkenswerte eigenständige Stilentwicklung aus. Ihm war die Kunstaffinität sprichwörtlich in die Wiege gelegt: Sein aus dem solothurnischen Dornach stammender Vater Emil Kunz war in Einsiedeln als Dekorationsmaler und Altarbauer tätig. Hier kam Fritz Kunz im Oktober 1868 zur Welt. Schon als Kind prägte ihn die religiöse Aura des Wallfahrtsortes und die Pracht des Klosters und der Stiftskirche. Im Atelier seines Vaters machte Fritz die dreijährige Lehre und bildete sich im Anschluss an den Kunstgewerbeschulen von Zürich und München weiter. Ab 1888 war er wiederum in der väterlichen Werkstatt tätig. Nach dem Tod seines Vaters fasste Fritz Kunz den Entschluss, die höhere Ausbildung zum Kunstmaler in Angriff zu nehmen.

Mit eine treibende Kraft dabei war der Einsiedler Kunsthistoriker Pater Albert Kuhn. Zu ihm pflegte Kunz eine enge Freundschaft. Kuhn genoss auf dem Gebiet der Schweizer Kirchenmalerei hohes Ansehen, verfügte über entsprechenden Einfluss und wurde schliesslich Kunz’ wichtigster Förderer. Von 1891 bis 1898 studierte Kunz an der Akademie der bildenden Künste in München. Während dieser Zeit und danach fasste er erste offizielle Aufträge für Kirchen in der Zentralschweiz, darunter die Ausführung der neobarocken Deckengemälde in der Pfarrkirche von Arth und Wandbilder für die Menzinger Institutskirche.

Fritz Kunz’ früher Stil orientierte sich vorerst an den Na­zarenern, deren wichtigster Schweizer Vertreter Melchior Paul von Deschwanden war. Dieser prägte die künstlerische Gestaltung der Schweizer Kirchenlandschaft während Kunz’ Jugendjahren. Weitere seiner Vorbilder waren unter anderem Arnold Böcklin, Wilhelm Leibl oder Giovanni Segantini. Studienreisen nach Italien und einen jahrelangen Aufenthalt in München verliehen Kunz’ persönlicher Stilentwicklung schliesslich den ersten Schub. In den Jahren 1906 und 1907 führte Kunz mit der künstlerischen Gestaltung der Zürcher Liebfrauenkirche einen seiner grössten und prestigeträchtigsten Aufträge aus («Hingeschaut» vom 21. Dezember 2016). Schon hier ist eine Abwendung von Kunz’ bisherigem Malstil in Richtung der Beuroner Schule und somit seine Vorliebe für die altchristliche Kunst erkennbar.

Zug als neue Heimat

1919 siedelte Fritz Kunz nach Zug um. Hier bezog er die Villa Lauried, wo er sein Atelier einrichtete. Zwei Jahre später folgte ein weiterer Grossauftrag, welcher seine Stilentwicklung deutlich aufzeigen sollte: Im Chor der Zürcher Antonskirche schuf Kunz ein fast 200 Quadratmeter grosses Monumentalgemälde – ebenfalls stark beeinflusst von der Beuroner Schule, doch mit individueller Note («Hingeschaut» vom 6. November 2013). Die Werke Ferdinand Hodlers oder in den 1920er- Jahren die italienische Quattrocento-Malerei waren schliesslich weitere stilbildende Faktoren in der persönlichen Entfaltung des Zugers. Er war stets auf der Suche nach einem zeitlosen Kunststil, welcher das Sakrale über das Künstlerische stellt.

Auch im Kanton Zug stossen wir auf Kunz’ Erbe: Von ihm stammen die weiter oben erwähnten Wandbilder in der Institutskirche Menzingen sowie drei Ölbilder ebendort. Im Kapitelsaal des Klostertraktes malte er mehrere biblische Szenen. Für das Elisabethenheim in Walchwil schuf er Altarbilder und zwei Seitenaltargemälde für die Zuger Michaelskirche. In der Klosterkirche Heiligkreuz in Cham zeichnete er für die Fenster und Fresken verantwortlich und in der Guthirt-Kirche in Zug für den Kreuzweg. Die Werke, die in seinen späteren Lebensjahren entstanden sind, haben vermehrt ikonenhafte Züge. Solche sind denn auch bereits beim hier vorgestellten Grabmosaik mit dem Gekreuzigten und den Engeln erkennbar.

Das Kunz-Familiengrad ist der sprichwörtliche Farbtupfer auf dem Zuger Friedhofsgelände. Neben dem Künstler selbst, unter dessen Inschrift das Familienwappen mit drei Eichelfrüchten eingraviert ist, liest man die Namen seiner Ehefrau Emilie Kunz Epprecht, welche Kunz 1908 geehelicht hatte, denjenigen seiner Schwiegermutter Emilie Epprecht Rietmann und von zwei seiner drei Kinder – Leo und Elisabeth Kunz. Der Nachlass des illustren Zuger Künstlers umfasst neben einer Vielzahl an Ölbildern, Zeichnungen uns Skizzenbüchern mehrere grossformatige Kreideentwürfe und Studien für Sakralgemälde sowie Glasmalereien. Vieles davon befindet sich im Fundus des Museums Burg Zug. (Andreas Faessler)

In der Serie «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.