Nicht nur der Inhalt ist hier Botschaft

Kunst & Baukultur

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Zwei kleine Wörter – viel Raum für Interpretation. Eine Installation des österreichischen Künstlers Hans Gappmayr (1925–2010) am Kunsthaus Zug ist ganz auf Gegenwart und Zukunft ausgerichtet.

  • «ist wird» – die Kunst-am-Bau-Installation von Hans Gappmayr lässt Raum für Interpretation. (Bild Maria Schmid)
    «ist wird» – die Kunst-am-Bau-Installation von Hans Gappmayr lässt Raum für Interpretation. (Bild Maria Schmid)

Zug – Der Lauf der Dinge kennt genau drei Zeiten: Das, was war – das, was ist – das, was sein wird. Der Mensch selbst kann nur zwei davon beeinflussen, denn mit der Geschichte, dem Geschehenen, dem Vergangenen muss man sich abfinden, da lässt sich nichts mehr ändern, zumindest solange Zeitreisen reine Fiktion bleiben.

Wollen wir es genau nehmen, so kann der Mensch auch den Ist-Zustand nicht ändern, denn er ist ja bereits eingetroffen. Und jede Einflussnahme hat an sich erst Auswirkungen auf das unmittelbare oder mittelbare Wird. Zumindest aber ist der Ist-Zustand das, was wir aktuell sehen, mit dem wir konfrontiert sind.

Es sind solche und viele weitere ähnliche Gedankengänge, die das Kunst-am-Bau-Werk an der Aussenwand des Kunsthauses Zug in uns auslösen will. Am Nordtrakt, der im Zuge des Um- und Ausbaus des Kunsthauses in den Jahren 1988 bis 1990 im Zwickel Bohl-/Dorfstrasse entstanden ist, lesen wir an der schneeweissen Aussenwand die Worte «ist» (auf Seite Bohlstrasse) und «wird» (auf Seite Dorfstrasse) – in Groteskschrift und Kleinbuchstaben.

Idee und Konzept stammen vom österreichischen Künstler Hans Gappmayr (1925–2010). Der gebürtige Innsbrucker war Träger des österreichischen Professorentitels und galt zu Lebzeiten als einer der einflussreichsten Vertreter der sogenannten Visuellen Poesie. Wie es der Begriff suggeriert, spielt dabei nicht nur der Inhalt der Botschaft eine Rolle, sondern genauso die Art, wie sie präsentiert wird, sprich das Schriftbild, die Umgebung ... Die Sprache vergegenständlicht quasi sich selbst, wird sichtbar. Visuelle Poesie ist eine Kunstrichtung zwischen Literatur und bildender Kunst.

Genau hier ist Hans Gappmayr «zu Hause» und «ist wird» typisch für sein Schaffen. Das Werk stammt aus dem Jahre 1996, als Gappmayr im Kunsthaus Zug eine grosse Einzelausstellung gewidmet war. Die 62 Zentimeter hohen Buchstaben sind auf eine Folie gedruckt, diese ist auf den weissen Untergrund aufgetragen. Die schwarze Schrift kontrastiert stark mit dem Hintergrund und setzt so trotz ihrer verhältnismässig kleinen Grösse einen deutlichen Akzent in der dortigen Strassensituation.

Worte erinnern an den Lauf der Zeit und des Lebens

Was aber ist nun Gappmayrs Botschaft von «ist wird»? Wie eingangs aufgezeigt, lassen die beiden Verben und ihre Zeitformen Raum für eine ganze Palette von Interpretationen. Im Kontext mit ihrem Standort an der Aussenfassade des Kunsthauses Zug können sie beispielsweise dahin gehend gedeutet werden, dass das Kunsthaus als Kultureinrichtung des Hier und Jetzt seinen Weg in die Zukunft bahnt und/oder dass Kunst etwas Zeitloses ist und ihre Berechtigung oder Gültigkeit in Zukunft haben wird, wie sie sie in der Gegenwart hat.

Verallgemeinert erinnern die beiden simplen Worte auch ganz einfach an den Lauf der Zeit und das Leben, wie es ganz und gar dem Ist und Werden unterworfen ist – und somit ein «War» insofern ausschliesst, als dies den Tod bedeuten würde. Hans Gappmayrs Installation am Kunsthaus Zug ist folglich auf das Existierende, das Leben ausgerichtet. Wer immer daran vorbeigeht und die beiden Wörter liest, kann (idealerweise) Motivation daraus schöpfen – sei es, die gegenwärtige Situation entweder zu geniessen oder zu hinterfragen oder sie dahin gehend zu ändern, dass sie sich vorteilhaft auf die eigene Zukunft auswirkt. (Text von Andreas Faessler)