Zwei Familien – eine Geschichte
Dies & Das, Literatur & Gesellschaft
Christian Raschle beschreibt in seinem Werk «Bossard-Kolin» ein Stück Zuger Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte. Dabei zeigt er interessante Verbindungen auf.
Zug – «Was lange währt, wird endlich gut», sagte Beat Grob, der Verwaltungsratspräsident der Kolin Holding AG, an der Buchvernissage. Sein Onkel, Peter Bossard, entwickelte zusammen mit Christian Raschle die Idee zu dem Buch vor mehr als 30 Jahren. Nun ist es vollendet. Raschle, der ehemalige Hauptlehrer für Geschichte an der Kantonsschule Zug und Zuger Stadtarchivar, durfte sein frisch gedrucktes Werk präsentieren.
Halb Zug liess es sich am Dienstagabend nicht nehmen, dabei zu sein. So fixierten im Technologie- und Logistikerzentrum der Bossard AG etwa 300 Augenpaare erwartungsvoll den Historiker Raschle. Dieser bot zwischen den musikalischen Interludien anhand von Bildern aus seinem Buch einen Einblick in seine Arbeit und den Werdegang der beiden Zuger Geschlechter.
Von Seide zu Schrauben
«Bossard-Kolin» lädt ein zu einer Zeitreise. Die erste Etappe ist auf das Jahr 1756 datiert das Jahr, in dem die Familie Kolin in den Seidenhandel einstieg. Karl Kaspar Kolin gründete zusammen mit seinem Bruder Franz Anton und dem Statthalter Franz Karl Roos einen Florettseidenverlag. «Die Kontakte zum Seidenhandel konnte Karl Kaspar Kolin in Italien knüpfen, wo er als Offizier in fremden Diensten tätig war», erklärt Raschle. Später führte der Unternehmer und Politiker – er war als Landmajor, Stadtrat, Statthalter und Stabführer tätig – das Unternehmen alleine weiter. Seine Frau Paula Müller setzte sieben Kinder in die Welt. Karl Kaspars drei Söhne verstarben aber alle früh. Karl Kaspar selbst starb 1801 als letzter männlicher Angehöriger seines Geschlechts. Der Seidenhandel wurde von Franz Kaspar Bossard weitergeführt, der mit Paula Franziska Kolin, einer Tochter von Karl Kaspar, verheiratet war.
Im Jahr 1830 zeigte sich, dass der Seidenhandel keiner glorreichen Zukunft entgegenblickte. «Die Qualität des Rohstoffes litt unter den anhaltenden kriegerischen Auseinandersetzungen, Umweltschäden und Trockenperioden», so Raschle. Franz Kaspar Bossard, der als Offizier der französischen Nationalgarde bei der Erstürmung der Bastille dabei gewesen war, gründete darum eine Eisenhandlung am Kolinplatz in Zug der diesen Namen allerdings erst seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu Ehren der ausgestorbenen Familie trägt, wie Raschle erklärt.
Lokal bis international
In den ersten hundert Jahren wahrte der Eisenwarenladen einen lokalen Charakter. Für Private und Zuger Handwerksbetriebe war er die optimale Adresse. In den Dreissiger- und Vierzigerjahren wuchs das Geschäft trotz versiegenden Eisenzufuhren wegen des Zweiten Weltkriegs. Die Firma Bossard konzentrierte sich vor allem auf das Geschäft mit Schrauben, Werkzeugen und Beschlägen und verkaufte mehr und mehr an Industriefirmen aus der ganzen Schweiz. Das Wachstum führte zu neuen Firmenteilen, Standorten und Gebäuden. Bos-sard wurde zum national tätigen Unternehmen und wuchs noch immer weiter. In den Siebzigerjahren wurde die Bos-sard-Gruppe international – und blieb es bis heute. 1987 kotierte die Bossard Holding AG an der Börse, seit 1999 ist sie eine international tätige Unternehmensgruppe mit Hauptsitz in Zug.
Geschichte ohne Ende
«Ein einzigartiges Stück Zuger Geschichte», lobte Stefan Ragaz, der Geschäftsführer des Pro-Libro-Verlags, unter dem das Buch erschienen ist. Raschle stellte klar, dass ein Historiker nicht alleine ans Ziel komme und dankte all denen, die ihn bei seiner Arbeit unterstützt haben. Zum Schluss meinte er: «Obwohl es zwischen zwei Deckeln eingeklemmt ist das Buch soll ein Türöffner sein.»
Zwar wurde die ganze Vergangenheit von «Bossard-Kolin» aufgearbeitet, trotzdem bleibt es eine Geschichte, bei der wohl noch nicht alle Kapitel geschrieben sind. Wie sie weitergeht, kann aber kein Historiker, sondern nur die Zukunft verraten. (Julian Feldmann)
Hinweis«Bossard-Kolin» von Christian Raschle, Pro Libro Luzern, 200 Seiten, ISBN 978-3-905927-18-4, 59 Franken.