Ford-Fahren mit Pedro Lenz

Literatur & Gesellschaft

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Der Schriftsteller las aus seinem Buch «Primitivo» – virtuell. Das «Zoom-Experiment» der Bibliothek Baar war ein voller Erfolg.

  • Pedro Lenz an der Aare in Olten. (Bild Alex Spichale)
    Pedro Lenz an der Aare in Olten. (Bild Alex Spichale)

Baar – Wir sind irgendwo in den sehr frühen 1980er-Jahren, als man als Mann Brunette rauchte, als Halbstarker ein Töffli fuhr und das Bier im Ausgang Fr. 2.50 kostete. Autor Pedro Lenz las am Montagabend aus seinem Buch «Primitivo», und er tat das souverän, ruhig, wortstark und: virtuell. Anstatt in der Rathaus-Schüür fand seine Lesung via Zoom statt. Es war die erste Lesung, welche Bibliotheksleiterin Irene Weibel mit Team auf diese Art durchführte, und sie hat damit den Nerv der Zeit getroffen. Zeitweise waren über 160 Personen online anwesend und hörten dem Mundartpoeten zu.

Das Setting der Story spielt also in jener Zeit im Oberaargau. Es geht um vertraute Welten und mehrheitskonforme Lebensentwürfe: Das schafft grosses Identifikationspotenzial für die Leserschaft. Erzählt wird wortgewandt und mit grosser Liebe zum Kleinen. Dadurch gelingt es Pedro Lenz, die Welt seiner Protagonisten detailgetreu und äusserst lebendig zu schildern. Es entstehen eigene Bilder im Kopf, im Fall von «Primitivo» dasjenige einer Baustelle. Und just dort endet auch das Leben vom titelgebenden Protagonisten Primitivo.

Primitivo, «dä aut Philosoph», wie er auf der Baustelle genannt wird, geboren in Asturien, sein ganzes Leben lang Maurer. Im Gegensatz zu Maurerlehrling Charly, der noch am Anfang seines Lebens steht. Weder weit gereist noch aus einem fremden Land stammend – und schon gar nicht hat er bisher die Liebe kennen gelernt.

Pedro Lenz arbeitet in seinem Buch mit Rückblenden, Erinnerungsfragmenten, Schlaufen und Einschüben. Das macht die Büezer-Geschichte spannend, den Mikrokosmos rund um Charly authentisch und packend. «Es ist so, wie wenn alte Männer vom Aktiv-Militärdienst erzählen. Man fragt sich, wann sie auf den Punkt kommen», erklärte Pedro Lenz in einem kurzen Intermezzo der Zuschauerschaft am heimischen Bildschirm. Das funktionierte im Fall von «Primitivo» hervorragend. «Ich selbst lese meine Texte gerne laut», erklärte der Schriftsteller weiter. «Dann merke ich auch, wo was noch überarbeitet werden muss.» Denn: «Man kann sagen: Je authentischer beispielsweise ein Dialog ist, desto mehr Arbeit steckte dahinter.» Grundsätzlich empfiehlt Pedro Lenz generell, seine Bücher laut zu lesen. «So lässt sich der Sprachrhythmus der Geschichte am besten wahrnehmen.»

Alliterationen in Variationen

Pedro Lenz ist ein Mundartlyriker: Man fährt im Buch nicht einfach den Ford-Transit, sondern es heisst dann dort: Ford-Fahren. Büezer und Buebe, eine weitere Alliteration, die wunderbar klingt, wenn laut gelesen. Klar: Ein Buch auf Mundart zu lesen, ist eine Herausforderung. Hier hilft es, Pedro Lenz selbst lesen zu hören – und zu sehen –, denn wer sich bisher noch nicht an ein Mundartwerk getraut hatte, merkt, dass es einfacher ist als gedacht.

Nach gut einer Stunde verabschiedete sich Autor Pedro Lenz, die erste virtuelle Lesung der Bibliothek Baar rundum ein Erfolg, das zahlreiche Publikum schaltete die Mikrofone am Computer ein und klatschte. Applaus für die Organisatorin und den Autor. Fast wie in alten Zeiten. (Haymo Empl)

Pedro Lenz: Primitivo. Roman. Cosmos Verlag, Muri bei Bern, 2020. 180 Seiten, Fr. 29.90.