Das Material bewusst verfremdet

Kunst & Baukultur

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Arbeiten der Zuger Künstlerin Helena Krähenbühl sind derzeit in einer Werkschau auf dem Papieri-Areal in Cham zu sehen.

  • 28 9 23 Krähenbühl
    28 9 23 Krähenbühl

Cham – In den kargen Räumen der ehemaligen Papierfabrik in Cham, wo sich heute das Atelier Maschine 17 befindet, sorgen die farbenfreudigen Bilder und Wandteppiche von Helena Krähenbühl für belebende Akzente. Die rund 50 Objekte und Kompositionen von den Anfängen bis heute ermöglichen einen Einblick in ihr vielseitiges Schaffen. Am letzten Samstag fand die Vernissage statt.

Die 78-jährige Zuger Künstlerin kommt ursprünglich aus dem Textilbereich, aber das Ausloten und Überschreiten textiler Grenzen und das Experimentieren zum Verfremden des Materials hat sie immer gereizt. Und es waren immer abstrakte Kompositionen, die Helena Krähenbühl aus der Fantasie auf Papier oder Stoff bannte. Die einen mit dem Pinsel, andere mit der Nähmaschine: «Schnurpfen» war das für sie.

So sind viele Kunstwerke in kleinen und grossen Formaten entstanden, deren Mannigfaltigkeit überrascht, wie auch die verwendeten Materialien. Denn nicht nur Papier und Stoff bildeten die Basis für ein Objekt, sondern auch Leder, Seile und Drähte. Ja, sie hat sich nicht gescheut, aus sperrigen Elektrokabeln ein Objekt zu stricken. Ein schwarzes Exponat hängt in der Ausstellung im Foyer von der Decke bis zum Boden; ein weiteres ist im Raum nebenan, es kann an den Strom angeschlossen werden, für das integrierte kleine Lämpchen. «Die Kabel stehen für das Männliche, durch die Strickerei habe ich das Material mit dem Fraulichen verbunden. Mit dem Strom leuchtet die Erkenntnis auf, für beide Geschlechter», sagt die Künstlerin und lacht.

Natur und Witterung einbezogen

Und Krähenbühl betont: «Alle Objekte sind aus gebrauchten Materialien. Ich habe immer nur recycelt.» Sie habe sich von den Materialien leiten lassen. So sind auch Collagen mit textilen Fragmenten zu sehen, die sie früher der Natur und Witterung ausgesetzt hat. «Das war ein unberechenbarer Prozess», stellt sie fest. Ein textiles Objekt zeigt Reihen von verrosteten Stecknadeln, die den Stoff bräunlich färbten. Diesen Effekt nützte sie für Stoffe aus, auf denen sie Eisenteile verrosten liess. Interessant ist hier unten ein mit unzähligen bunten Stoffresten benähter runder Draht, von dem selbst die Künstlerin nicht mehr weiss, wie viele Meter er lang ist.

Die Vorbereitung für die Ausstellung sei ein happiges Stück Arbeit gewesen, denn es lagere so viel im Keller. «Dank meiner Tochter Greta und dem Galeristen Jo Steiner haben wir es geschafft», sagt Helena Krähenbühl. Das Aufbereiten der Werke hätte sie an die Entstehungszeiten erinnert und sei mit emotionalen Momenten verbunden gewesen. «Es war schwierig zu sehen, was über die Jahre alles entstanden ist. Ich verspüre Stolz und Freude, auch wenn ich mir früher etwas mehr Unterstützung gewünscht hätte. Ich war immer nur eine Schafferin.»

Der Drang zur Kunst kam schon früh

Helena Krähenbühl wurde 1944 in Baar geboren und lernte Apothekenhelferin. Der Drang, künstlerisch zu wirken, kam einige Jahre nach der Heirat: 1972 gründete sie in der Schönegg Zug einen Vorschulkindergarten und das Malatelier Kinderhütte. Danach bildete sie sich an Kunstschulen in London, Zürich und Luzern weiter. Ab 1978 führte sie ein eigenes Atelier, schon bald folgten Auszeichnungen im textilen Bereich.

Ein Höhepunkt war 1986 der «1. Preis ex aequo du Jury an der Exposition Nationale de Patchwork Contemporain de Lausanne», später folgte im 2000 das Atelierstipendium des Kantons Zug in Berlin. Helena Krähenbühl war auch eine Kulturvermittlerin, welche die Zusammenarbeit mit anderen schätzte, beispielsweise für ein Wandtuch der Evangelischen Kirchgemeinde.

Als sie 2008 an die Baarerstrasse in Zug umzog, beendete sie die künstlerische Tätigkeit. Dafür stellte sie einige Jahre das strassenseitige Schaufenster des Büros regionalen Künstlern als Schaukasten zur Verfügung. Neben Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland hat sie Kunst-am-Bau-Objekte realisiert. Ihre Arbeiten sind im öffentlichen Raum und in Sammlungen des Kantons zu finden. Eine grosse Anerkennung erfuhr Helena Krähenbühl 2021, als ihr der Ehrenpreis der Kulturschärpe Zug überreicht wurde. (Text von Monika Wegmann)

Hinweis Die Werkausstellung von Helena Krähenbühl läuft bis 23. September im Atelier Maschine 17 auf dem Papieri-Areal in Cham. Sie ist geöffnet: Do und Fr von 17 bis 20 Uhr sowie Sa von 15 bis 18 Uhr.