Weltlicher Barock in der Kirche

Musik

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Barocke Opernarien neben zwei Händel-Orgelkonzerten – mit veränderter Besetzung musizierten die Kammer Solisten Zug in Oberwil.

  • Die Mitwirkenden verfügen über ein hohes musikalisches Können. (Bild Roger Zbinden)
    Die Mitwirkenden verfügen über ein hohes musikalisches Können. (Bild Roger Zbinden)

Oberwil b. Zug – Das Programm umfasste ausschliesslich Werke des Barock. Neben zwei Orgelkonzerten von Georg Friedrich Händel hörte man Opernarien der heute nicht mehr so bekannten Nicola Porpora (1686–1768), Francesco Ma­ria Veracini (1690–1759) und Johann Adolf Hasse (1699–1783). Die Kirchenorgel ist nach der Klangerzeugung ein Blasinstrument; so bestand das solistisch besetzte Begleitorchester überwiegend aus Streichern. Damit entstand ein ausreichender Kontrast und fast wie selbstverständlich ein abgerundetes klangliches Gleichgewicht.

Für die beiden Händel-Konzerte spielte Philipp Emanuel Gietl an der Hauptorgel auf der Empore. Souverän bis auf wenige Temposchwankungen und mit angemessener Registrierung gestaltete er den oft anspruchsvollen Notentext, den er an wenigen Stellen noch durch Eigen-Improvisation ergänzte. Besondere Würdigung verdiente das exakte Zusammenspiel mit dem im Altarbereich spielenden Begleitorchester – auch auf professioneller Ebene keine Selbstverständlichkeit.

Ein ausgewogenes Ensemble

Der Gründungsinitiant (1990) und seither permanente künstlerische Leiter der Kammer Solisten Zug, Stefan Buri (Fagott), konnte für das Oberwil-Konzert daneben lauter neue Leute vorstellen: Marta Lucian und Nevena Tochev, Violinen, Dominik Klauser, Viola, sowie Darija Andzakovic, Kontrabass.

Alle Mitwirkenden verfügten über ein ebenbürtig hohes musikalisches Können; so entstand in kurzer gemeinsamer Probezeit ein ausgewogenes Ensemble. Dieses bewährte sich sowohl für das selbstständige Konzertieren – etwa bei den virtuosen Violin-Einsätzen in der Arie von Hasse – wie bis zur schlichten Begleitung der Singstimme oder der konzertierenden Orgel.

Im Zentrum des Interesses stand aber doch die junge Sopranistin Delia Haag. Vom ersten Einsatz an überzeugte sie in allen Lagen durch eine intonationssichere und klangvolle Stimme. Souverän gestaltete sie die technischen Schwierigkeiten in den Koloraturen. Schon in der Einleitung wurde auf typische tragische Motive hingewiesen. Viele Texte handelten von Lebensenttäuschungen und Todessehnsucht. In den Harmonien wirkten die meist in Dur gesetzten Arien aber recht lebensfroh. Aus diesem Blickwinkel war es fast gut, dass die trotz erfreulichem Publikumsaufmarsch etwas hallige Akustik der Kirche Bruder Klaus die Sprachverständlichkeit zudeckte.

War es ein Kirchenkonzert?

Der scheinbare Widerspruch zwischen der lebensbejahenden Musik und und den tragischen Texten versteht sich aus dem damaligen sozialen Umfeld: Das Londoner Publikum ergötzte sich vor allem an den virtuosen Koloraturen des in England neu in Mode gekommenen italienischen Opernstils. Im Bereich der puritanischen anglikanischen Kirche glaubte niemand an die historische Wahrheit der antiken Mythen, welche die Opern-Inhalte bildeten.

Auch der in London wohnhafte Händel zog daraus seine Konsequenzen. Im Gegensatz etwa zu Johann Sebastian Bach, Schubert oder Mozart war er neben seinem Musikgenie auch ein versierter Finanzhaushalter. Als er merkte, dass sein Opernstil beim Publikum nicht mehr ankam, wandte er sich kurzerhand der geistlichen Musik zu. So entstanden auch die Orgelkonzerte und im Anschluss die zahlreichen Oratorien, von welchen einige bis heute immer wieder aufgeführt werden.

War es ein Kirchenkonzert? Daran zweifeln liess etwa der zweite Satz des ersten Händel-Konzerts «Der Kuckuck und die Nachtigall», in welchem neben dem unverkennbaren Kuckucks­ruf die Nachtigall durch eine schnelle Notenabfolge zwischen Grundton und Quinte symbolisiert wurde. All dies darf auch in der Kirche erklingen, wie nicht zuletzt der kräftige Schluss­applaus bestätigte.

Als nächste Auftritte folgen am 11. November ein «Caruso»-Kinderkonzert und am 15. November als Spezialkonzert «Souvenir 1» für Menschen mit und ohne Demenz. (Text von Jürg Röthlisberger)