Sie wollen Kultur transformieren

Film & Multimedia, Literatur & Gesellschaft, Musik

,

«Transformationsprojekte» heisst der neuste Fonds von Bund und Kantonen, um die Kulturbranche aufzufangen. Klingt nach Bürokratie – doch die Projekte, die in Zug in den Startlöchern stehen, lassen sich sehen.

  • Sie legen schon mal los - und bald kann man dabei zuschauen. (BIld: Basil Koller)
    Sie legen schon mal los - und bald kann man dabei zuschauen. (BIld: Basil Koller)
Zug (Kanton) – Dieser Text ist in der Märzausgabe des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu den anderen Artikeln.

Innovativ sollen sie sein, die Künstlerinnen und Künstler: neue Wege finden, neue Themen und Formate. Auch ohne Job ist das schliesslich 
ihr Job. Die Forderung nach Kreativität in der darbenden Kulturbranche fühlte sich in den letzten Monaten oft recht zynisch an. Nun ­jedoch haben Bund und Kantone einen neuen Fonds ­genau dafür lanciert. Er nennt sich «Transformationsprojekte» und stösst bei vielen Kulturunternehmen auf positives Feedback.

Neue Form der Förderung
In Zug wurden bereits eine Reihe an Projekten eingereicht, weitere Vereine und Kulturunternehmen sind dabei, ihre Dossiers zu sortieren. So auch die IG Kulturprovisorium oder der neu gegründete Verein «punktZug». Doch worum geht es bei den Transformationsprojekten überhaupt?
Das Ziel sei, Projekte zu fördern, die der Kultur neue Strukturen, neues Publikum, neue Zusammenarbeiten oder auch neue Bühnen erschliessen. Fusionen und Versuche, Kulturprojekte über andere Kanäle zu zeigen, auf neue Bühnen zu heben, werden dabei unterstützt, erklärt Aldo Caviezel, Leiter des Amts für Kultur des Kantons Zug. Alle Kantone machen mit, Gesuche von Kulturunternehmen – etablierten, aber auch neugegründeten – können noch bis im November dieses Jahres eingereicht werden.
Eine neue Bühne – das ist das Ziel der neugegründeten IG Kulturprovisorium. Der Verein will in der Curlinghalle Zug ein Kulturprovisorium aus dem Boden stampfen. Von April bis Juli soll dieses stehen.

Neue Bühne in der Curlinghalle
«Der Engpass in Theatern, in Sälen und Hallen ist absehbar, sobald wieder aufgeführt werden darf», erklärt der Mitinitiant und Voicesteps-Schulleiter Guido Simmen den Beweggrund. «Unzählige Gruppen und Vereine schieben seit Monaten Produktionen vor sich her. Im Frühling wurde verschoben, im Herbst und Winter nochmals. Konzerte, Theaterstücke, Musicals – haufenweise stehen pfannenfertige Produktionen bereit, die aufgeführt werden wollen.»
Bühnenbilder, Kostüme und Grafiken sind produziert, Stücke sind geprobt und warten nur auf das Go. Doch die Bühnen sind überbucht.
In der Curlinghalle sieht Guido Simmen die ideale Infrastruktur, um dem entgegenwirken zu können. Die Halle mit ihren 23 auf 40 Meter Grösse, mit Garderobe und Restaurant-Infrastruktur, wurde von der Musicalschule bereits in anderen Jahren für die Aufführung ihrer eigenen Produktionen genutzt. Da die Curling-Trainings nur von September bis März stattfinden, ist eine weitere Nutzung der Halle durchaus ­erwünscht.

Weniger Risiko, mehr Gewinn
Der neugegründete Verein hat deshalb das Ziel, diese Infrastruktur möglichst vielen Kulturschaffenden als Plattform zur Verfügung zu stellen – inklusive Tribüne, Bühnentechnik und Personal. Einiges, was erst mal finanziert, organisiert und eingebaut werden muss.
«Wir wollen kein offensichtliches Provisorium, sondern einen schönen Ort für Kultur schaffen», so Simmen. Dazu gehörten nicht nur Bühne und Tribüne, sondern auch eine gemütliche und stimmungsvolle Einrichtung, ein solides Angebot an Technik, eine gute Akustik und technischer Support, der gestellt wird. «Wir wollen keinen Luxus bereitstellen, aber die Grundlage bieten, in welcher alles möglich ist», sagt Simmen. Finanziert werden soll das temporäre Kulturlokal durch den neuen Fonds, durch Stiftungen und Sponsoren. Über 90 Prozent der Kosten will die IG bereits gedeckt haben und damit die Konditionen für die Kulturschaffenden so günstig wie möglich schaffen. So, dass diese mit ihren Aufführungen kein Risiko eingehen müssen, und nach der harten Zeit mit einem Gewinn rechnen können.

Keine Angst vor dem Überangebot
 «Wir wollen anderen Mut machen, indem wir ihnen den Wiedereinstieg vereinfachen», betont Simmen. Es gehe darum, zeigen zu  können, was im letzten Jahr unaufgeführt geblieben ist, oder auch neue Projekte zu verwirklichen. Sich selbst wieder der Öffentlichkeit zeigen zu können, in Schwung zu kommen, auch dem Publikum wieder Lust zu machen. Angst vor einem Überangebot hat Simmen keine: «Es sind so viele unterschiedliche Stile, unterschiedliche Gruppen und auch Publika, die teilweise ein Jahr auf eine Vorstellung gewartet haben. Zudem bekommt man ja oft auch vom Essen wieder Hunger.»
Er würde sich sehr freuen, wenn sich viele unterschiedliche Kulturschaffende melden und von der Bühne profitieren könnten. «Wir möchten dabei völlig offen sein. Für Laiengruppen, Chöre, Bands – vor allem für Profis, die massiv ­gelitten haben im letzten Jahr», so Simmen. Zudem seien gute Deals für alle das Ziel – auch für Tribünenbauerinnen oder Veranstaltungstechniker. Die dürfen sich im März ranhalten. Dann wird umgebaut.  

Late Night live
Umgebaut wird auch in der Brennerei der Distillerie Etter in Zug. Hier entsteht eine andere Art der Plattform für die regionale Kultur. Silvan Gretener, Remo Hegglin, Philippe Koller, Michael Werder und Hubert Zäch haben dafür gemeinsam einen neuen Verein gegründet. PunktZug heisst dieser und aus ihm erwächst gerade ein neues Format für die Region.
Eine Sendung, die künftig live gestreamt wird, aus aussergewöhnlichen Orten in Zug. Eine Mischung zwischen Late Night Show und deren eigenem Making-off – «PunktZug – frisch gestreamt aus ». In der Sendung wollen die fünf Projektverantwortlichen Gäste aus allen möglichen kulturellen Bereichen und Sparten ein­laden und gerne auch weitere schillernde Persönlichkeiten. Latent aktuell soll die Sendung werden, vielleicht auch mal lokalpolitisch. Mit einem weiten Kulturbegriff regional und überregional ausgerichtet. «Die fehlenden öffentlichen Auftritte sind für Kulturschaffende sowohl existenziell als auch mental eine grosse Herausforderung», sagt Philippe Koller. Das Selbstvertrauen und Selbstverständnis der Kultur leide unter dem fehlenden Austausch. Das Ziel von PunktZug ist deshalb: aus der Not eine Tugend zu machen und eine Plattform für sich selbst als auch für andere zu schaffen. Und dabei Einblick in unterschiedlichste Projekte bieten – sei es musikalisch, kulinarisch, bildhauerisch oder spartenübergreifend.

Nichts zu verstecken
Die fünf Männer, mit unterschiedlichen Backgrounds in der Kultur – Tonmeister und Musiker, Filmemacher und Gestalter – fungieren allesamt als Gastgeber. Die Moderatoren wechseln sich ab, und auch das Team hinter der Kamera steht im Fokus. «Wir wollen das Publikum während der Sendung hinter die Kulissen blicken lassen», so Remo Hegglin. Für Improvisatorisches soll es genügend Platz haben. «Dazu werden wir uns gegenseitig herausfordern, immer wieder Neues ausprobieren. Kultiges soll und will entstehen», so Koller. Gepflegte Unterhaltung, aber nicht «gschläcket». Verfolgen kann man die Sendung schon bald auf der Website wie auch in den sozialen Medien. Dabei soll auch das Publikum mit dem Team und den Gästen interagieren können, sei dies mit Inputs per Anruf oder Kommentarfunktion. «Und hoffentlich auch bald wieder live vor Ort», sagt Koller. Dann werde man das Team vermutlich bald auch mitten in der Stadt antreffen.

Über die Krise hinaus
Die Hoffnung auf eine wiederkehrende Normalität ist nicht verloren – doch was soll aus den transformierten Projekten werden, wenn sich die Lage beruhigt? Aldo Caviezel sieht in dem Transformationstopf eine nachhaltige Hilfe: «Im besten Fall lernen wir von den neuen Prozessen und Erkenntnissen, die in künstlerischen Vorhaben aus der Not heraus entstanden sind. Sei dies in der Transdisziplinarität, in neuen Wegen der Publikumserschliessung oder in der geschickten Nutzung des digitalen Raums etwa.» Auch der Umgang mit dem Thema der sozialen Sicherheit in der Kulturbranche erfahre durch die Krise eine schon länger fällige Sensibilisierung, betont Caviezel. Auch dieser Bereich werde die Kulturpolitik weit über die Krise hinaus beschäftigen.

(Text: Jana Avanzini)