Isabelle Flachsmann feiert ihr Debüt
Theater & Tanz, Musik
Das Le Théâtre in Kriens spielt «Flashdance». Im Hintergrund zieht eine Zugerin die Fäden.
Kriens – Als «Flashdance» 1983 in die Kinos kam, waren sich die Kritiker einig: eine Katastrophe. Ein amerikanischer Rezensent schrieb: «Es ist ein Fehler, zu denken, ‹Flashdance› sei ein Film. Das ist ein Commercial, das Amok läuft.» Das deutsche Magazin «Spiegel» sprach von einem «absoluten Nichts», und selbst der Regisseur Adrian Lyne relativierte: «Jesus! Das ist nur ein einfaches kleines Märchen mit der naiven Devise: Wenn du etwas wirklich willst, brauchst du es dir bloss zu holen.»
Viel Witz, aber auch Respekt
Heute ist der zwischen Softsexfilm und «Aschenputtel» pendelnde Streifen Kult, gilt als einer der besten Tanzfilme. Erstaunlicherweise dauerte es über 30 Jahre, bis der Streifen der Recyclingmaschine Musical zugeführt wurde (2008 in Plymouth). Das Le Théâtre in Kriens inszeniert nun die deutsche Erstaufführung. Das Team um die Theaterleiter Andréas Härry und Sonja Greber inszeniert die eigentlich belanglose Geschichte mit viel Witz, aber auch Respekt für die starken Songs und Tanzszenen. Das Augenzwinkern beginnt in der Eingangshalle: «Denver Clan», «A Team», Rubiks Würfel und Walkmen - Ikonen der 80er grüssen von der Decke.
Dass die 80er auch auf der Bühne authentisch abgebildet sind, dafür zeichnet eine Zugerin verantwortlich. «Flashdance» ist das Regiedebüt von Isabelle Flachsmann, die als Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin schon grosse Erfolge in der Schweiz, in Deutschland und am Broadway in New York feiern konnte. Sie nimmt den Bogen auf, etwa mit Tänzerinnen, die im Nachtklub mit dem Zauberwürfel spielen. Die dosiert die eingesetzte Diawand, öffnet die schmale Bühne, setzt Kontraste, ist düsterer und ernster als das originale Knallbonbon. Ein übergrosses Auge, das die sich ausziehende Gloria begafft, uniforme Frauen, die mit pinken Perücken tanzen - besser hätte man die Ersetzbarkeit, das Fleischliche nicht inszenieren können. Oder der Gegensatz von schwarz-weisser Ballettwelt und farbenfrohem Varieté: Erstrebenswertes mit Fragezeichen. Manchmal werden fast zu viele Ideen in den engen Raum gepackt. Wenn die wirbelnde Alex (Nadja Scheiwiller) durch eine Diashow historischer Tanzgrössen begleitet wird, ist dies mehr Ablenkung denn Inspiration. Das schlichte Bühnenbild, eine verschiebbare Wand, ein Gerüst an der Seite lassen der Fantasie Raum und Entfaltung. Mit der Lichtregie setzt Markus Güdel etwa in der Sterbeszene der alten Mentorin dezente Glanzpunkte. Die Tanzchoreografie (Natalie Wagner) kombiniert ruhigere Momente mit wahren Akrobatikeinlagen. Stepptanz mit dem sechsfachen Weltmeister Daniel Borak, Hip-Hop (Beni Fischer) und Lufträder der Hauptdarstellerin Nadja Scheiwiller sind Rückgrat und roter Faden der Produktion. Die Band unter dem Keyboarder Arno Renggli spielt kraftvoll, aus einem Guss, auch Raum für - leider seltene - Improvisationen lassend.
Top in Tanz und Gesang
Am ehesten zu wünschen übrig lässt der Text. Wenn eine Tänzerin spottet, «sie kenne nur Männer, die anders sind», oder als Bestechungsspende an die Tanzakademie eine «Million Strumpfhosen» vermutet wird, ist dies im Kontext durchaus witzig. Gesänge des Typus «Gerechtigkeit wird überschätzt, Loser haben trotzdem Sex» wirken jedoch holprig und etwas gesucht. Eine Mischung aus deutschem Schauspiel und englischem Gesang wäre wohl nicht zum Schaden der Qualität gewesen.
Der Star der Produktion ist die Baslerin Nadja Scheiwiller als Alex. Sie trotzt der filmischen Überfigur Jennifer Beals, deren Tanzszenen notabene von drei (!) Doubles in Szene gesetzt wurden, mit strahlender Präsenz, klanglicher Geschmeidigkeit und einer ausserordentlichen Akrobatik. Ihr Liebhaber Nick (Daniel Kandlbauer), stimmlich sich während des Stückes steigernd, ist noch nicht vollständig eins mit seiner Rolle. Arcangelo Vigneri gibt den Jimmy facettenreich, von witzig bis tragisch. Tiziana Turano spielt die verlorene, mit sich kämpfende Gloria überzeugend. Exzellenz auch in den Nebenrollen: Caroline Leuzinger agiert mit grosser Stimme, tief und voluminös. Die Ersatzmutter Hannah (Rinalda Caduff) und die Akademieleiterin Mrs. Wild (Irène Straub) singen mit grossem Rollengespür. Fazit: eine überzeugende Produktion, wenn nicht sogar die beste in sieben Jahren im Krienser Le Théâtre. (Roman Kühne)
HinweisDas Le Théâtre zeigt «Flashdance» bis Januar 2014. Infos: www.le-theatre.ch