Durch die Vergänglichkeit spazieren
Art & Architecture
Kunst für eine gewisse Zeit - zwölf Skulpturen schmücken bis Mitte September das Dorf. Ihr Thema: Die Veränderung.
Oberägeri – Die Sonne schien, der See glitzerte, und die Besucher der Vernissage merkten gestern alsbald: Nun ist Oberägeri noch schöner. Zwölf Skulpturen von acht Künstlern sind übers Dorf verteilt. Die Skulpturenausstellung trägt den so schönen wie sinnigen Namen «Nichts bleibt, wie es war».
Ihre Eröffnung glich gestern Vormittag einem sonnigen Morgenspaziergang: Zusammen mit den Künstlern führten die zwei Kuratoren Claudia Häusler und Charly Iten durchs Dorf und ein kurzes Stück dem See entlang. Charly Iten erklärte, dass die Gemeinde am Schluss ein Objekt erwerben werde - bei dem grossen Interesse und der Begeisterung, welche die Besucher schon bei der Eröffnung an den Tag legten, wird das wohl keine leichte Entscheidung werden. Seine Meinung, egal zu welchem Kunstwerk oder auch zur Ausstellung an sich, kann übrigens jeder Betrachter in einem eigens installierten Briefkasten im Dorfzentrum hinterlassen. Dort steht auch die zweite Bronzefigur des Wallisers Beat Martig - die grössere Faszination auf die Besucher übte bei der Vernissage allerdings Martigs erste Skulptur aus, die beim Bahnhof steht.
Wächterin übers Ägerital
«Die Talwächterin» aus Bronze und Eisen schaut - in den Worten von Kurator Charly Iten - «so wunderbar Richtung Rigi und See». Martigs Sohn Dominik, der seinen Vater vertrat, meinte: «Sie beschützt momentan das Ägerital.» Welches Tal sie wohl als Nächstes bewachen werde, fragte sich eine Betrachterin, die sich vom Antlitz der Skulptur an Nofretete erinnert fühlte. Die Wächterin ist im Übrigen ein stolzes Mischwesen, ihr würdevolles Gesicht entwächst der Lehne eines Stuhls.
Auf grosse Begeisterung stiess auch die Verwandlung, die Johanna Näf dem Alten Bahnhöfli angedeihen liess. Die Künstlerin hat einen Bauern damit beauftragt, das Bahnhöfli mit umweltfreundlichem gelöschtem Kalk zu überspritzen - so lange, bis ein Weiss deutlich wird. Diese Installation betitelte Näf mit «Station - J13156». Das sei ein Code für ihren Namen, worauf Charly Iten humorig meinte: «Ich dachte, für die Schlacht bei Morgarten, aber lassen wir das.» Die Lacher auf ihrer Seite hatte Johanna Näf, als sie von einem Betrachter erzählte, der sie spontan nach dem Namen des Malers gefragt hat: Er habe eine grosse Halle, die man dringend bespritzen müsse.
Über meinen Figuren kann man ein bisschen drüberstehn.
Nick Röllin zur Skulptur Schlaraffenland
Die Laune der Gäste und Künstler war so gut wie das Wetter, vermutlich auch eine Folge davon. Bei Näfs zweitem Objekt, den «Wasserblüten» auf dem Friedhof, wurde spontan applaudiert. Blaues Glas wird von Stahl eingerahmt - der rosten wird. «Das muss so sein», sagte Näf, «das ist eine Art von Vergänglichkeit, die zum Standort Friedhof passt.»
Kleingehaltene Figuren
Bei Künstler Nick Röllin sind es vermeintliche Wahrheiten, die dem Wandel unterliegen. Mit «Schlaraffenland» ist sein Objekt aus Beton betitelt, das im Park bei der Kirche steht. Drei dicke Menschen liegen auf einem Sockel und halten sich den Bauch - feine Details springen ins Auge: Ein Zeh ruht auf dem anderen Fuss, eine Hand ruht auf einer der riesigen Bananen, zwischen denen die Figuren sich vor lauter Völlerei nicht mehr regen können. «Ich mag den Widerspruch des Worts Schlaraffenland», erklärte Röllin, «einerseits ist es positiv belegt, andererseits steht es für Dekadenz.» Seine Figuren halte er gerne klein und herzig: «So kann man ein bisschen drüberstehn.»
Grösser sind die mit «Geheimnisträgerinnen» betitelten Betonfiguren des Bündners Claudio Caprez. Sie stehen auf der Wiese beim alten Pfarrhaus und tragen ein Schatzkästchen aus Eisen. «Ihr Geheimnis wird irgendwann verrosten», so meinte der Künstler lachend.
Dem Wandel Ausdruck gegeben haben zudem Barbara Jäggi, Renata Schalcher, Andreia Bove und Stephan Brefin. Brefin stellte sein Holzobjekt namens «Schwamm» während der Vernissage fertig. Rund 700 Meter Dachlatten verarbeitete der 44-Jährige zu einem Holzhüttchen der besonderen Art - inspiriert von einem Bau für seine Kinder.
Neue Zuger Zeitung, Susanne Holz