Cham – wo die Zeit mal stillstehen darf

Kunst & Baukultur, Brauchtum & Geschichte

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Im Gegensatz zum Dorf Cham selbst hat sich hier fast nichts verändert: Der Blick vom Garten der Täubmatt zum See ist derselbe wie anno dazumal. Die Liegenschaft hat eine einzigartige Geschichte.

  • Ansicht des Täubmatt-Parks in den 1930er-Jahren mit den barocken Torpfeilern. Bis heute hat sich das Szenario kaum verändert. (Bild ETH-Bildarchiv)
    Ansicht des Täubmatt-Parks in den 1930er-Jahren mit den barocken Torpfeilern. Bis heute hat sich das Szenario kaum verändert. (Bild ETH-Bildarchiv)

Cham – Es ist, als stünden sie seit dem frühen 17. Jahrhundert hier und flankierten die gerade Achse zum Seeufer. Die zwei Sandsteinpostamente mit Kugelaufsatz sind weit älter als der Park, in dem sie stehen. Sie befinden sich am südlichen Ausgang des Gartens in der Chamer Liegenschaft Täubmatt. Wie der hochbarocke Landsitz eines österreichischen Adelsgeschlechtes ist die Anlage gestaltet. Dessen Geschichte jedoch ist bei weitem nicht so alt, wie sie stilmässig vorgibt.

Noch um 1890 war der heutige Park ein naturbelassener Grund mit teilweisem Obstanbau, im alten Cham als «Chabisblätz» bekannt. Seit 1870 jedoch gehörte das knapp 18’000 Quadratmeter grosse Grundstück dem Industriellen und Papieri-Besitzer Heinrich Vogel-Saluzzi. 1877 kam eine weitere Parzelle auf der Seite des bereits existierenden Villette-Parks dazu. Vogel-Saluzzis Sohn Richard war ein regelrechter Schöngeist, liebte Antiquitäten und historische Gartenarchitektur. So fing er um 1893 an, das Grundstück am See in einen Park umzuwandeln. Dazu holte er den Rat angesehener Schweizer Gartenbaumeister ein.

Planung über Jahre hinweg

Die ästhetische Gestaltung des Parks zog sich über die Jahre kontinuierlich hin. 1902 stellte er ein kleines Holzhaus auf, in dem er viel Zeit verbrachte. 1907 liess er das sogenannte «Bründlerhaus» jenseits der Gleise an der Luzernerstrasse erstellen. 2016 wurde das hübsche Gebäude zerlegt und im Täubmatt-Park wieder aufgestellt. 1912 erhielt Richard Vogel die Gelegenheit, die Täubmatt nach Westen hin um 17000 Quadratmeter zu erweitern. In diesem Teil des Anwesens liess er 1914 ein Bootshaus bauen. In den folgenden Jahren kam der Eigentümer so richtig in Fahrt: Es entstanden die bahnseitige Mauer mit zwei Toren und der barocke Garten in französischem Stil nach einem Entwurf des Berner Architekten Henry Berthold von Fischer (1861–1949). Die beiden auf unserem historischen Foto abgebildeten Sandsteinpostamente sind eines von drei solchen Paaren, welche vom 1678 erbauten Brünnenschlösschen in Bümpliz BE stammen. Richard Vogel erwarb sie 1916. Er integrierte demnach originale Barockelemente in ein neobarockes Gefüge. Und neobarock ist schliesslich auch das dazugehörige kleine Palais, die «Villa Solitude». Vogel liess sie 1934/35 für sich selbst als Krönung der Anlage errichten, ebenfalls vom Architekten von Fischer. Dieser orientierte sich bei seiner Planung am kleinen Landschloss von Ursellen bei Konolfingen. Nun war Richard Vogel Herr eines vom Barock inspirierten Gesamtkunstwerkes, welches er sich über Jahre hinweg weitgehend eigenständig erschaffen hat. Allerdings ist er damit in finanzielle Schieflage geraten. Zu seinem Glück sprangen seine Nichte Emy Naville-Vogel und deren Ehemann, der vermögende Papieri-Direktor Robert Naville-Vogel in die Bresche, übernahmen die Baukosten der «Solitude», beglichen Richards Schulden und unterstützten ihn weiterhin finanziell. Dafür erhielten sie vom kinderlosen Richard die Zusage, das Gut Täubmatt dereinst übernehmen zu können.

Bis auf die Dislozierung des Bründlerhauses hat sich an der Täubmatt architektonisch bis heute nicht viel verändert. So ist denn auch der Blick zwischen den Torpfeilern hindurch in die Wegflucht und auf die Landschaft dahinter weitgehend unverändert, sieht man von der gegenwärtig leicht unterschiedlichen botanischen Situation am Seeufer ab. Das herrschaftliche Chamer Anwesen am See ist nach wie vor in Privatbesitz. (Andreas Faessler)

Hinweis: In dieser Serie stellen wir Dorfansichten aus Zuger Gemeinden und ihren Wandel über die Zeit vor. Quellen: «Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug», Josef Grünenfelde; «Geschichte der Chamer Parklandschaft zwischen Zugersee und Eisenbahnlinie», Claudio Meisser; www.chamapedia.ch