Ein Dorf schlägt die nächste Schlacht

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Jedem Schweizer ist der beschauliche Ort am Ägerisee ein Begriff. Zum Jubiläum der Schlacht im Juni werden Zehntausende erwartet. Damit stehen auch die Helden der Gegenwart vor einer Herausforderung.

  • Patrick Grunder vom Restaurant Buechwäldli hisst die Jubiläumsfahne. (Bild Werner Schelbert)
    Patrick Grunder vom Restaurant Buechwäldli hisst die Jubiläumsfahne. (Bild Werner Schelbert)

Morgarten – Ruhig ist es hier in Morgarten am Donnerstagmorgen. Die Leute sind bereits bei der Arbeit, und die Strassen sind leer. Viel machen kann man ohnehin nicht. Der nächste Laden, die Bank und die Post alles gibt es erst in Oberägeri. Die Ruhe hat aber auch ihren Reiz. Die weich geschwungenen Hügel und die Berge umrahmen den See, was zur Idylle beiträgt. Noch fast nichts deutet auf das grosse Ereignis hin, das hier vom 19. bis 21. Juni stattfinden soll. Ausser die Jubiläumsfahnen, mit denen Häuser dekoriert werden und die an Masten im Wind wehen.

Die berühmte Schlacht am Morgarten jährt sich in diesem Jahr zum 700. Mal. Jeder hat in der Schule gelernt, wie sich die Eidgenossen 1315 geschickt gegen die Habsburger gewehrt haben. Wie Letztere in eine Falle gelockt wurden und wehrlos im Moor landeten. Der Spruch «Hütet euch am Morgarten» ist im Gedächtnis geblieben und fest mit dem Ereignis verbunden.

Am Stammtisch wird rege diskutiert

Darum also steht der kleine Ort nun im medialen Fokus. Wie geht die Bevölkerung damit um? Wie lebt es sich an einem so geschichtsträchtigen Ort? Am Stammtisch des Restaurants Buechwäldli ist es mit der Ruhe vorbei. Hier wird rege diskutiert. Das Thema? Natürlich der Jubiläumsanlass. Insbesondere die öffentlich geführte Diskussion, ob die Schlacht überhaupt stattgefunden hat, regt an. Doch auch bei diesem emotionalen Thema bleiben die Morgärtler sich treu und reagieren besonnen. «Es geht doch mehr um den Gedanken von 1315, der übermittelt wurde», sagt Markus Iten, der in Morgarten geboren und aufgewachsen ist. Was tatsächlich geschehen sei, sei nicht relevant, erklärt er weiter. Auch Patrick Grunder, Wirt des Restaurants, gesellt sich zur Diskussion: «Ich weiss gar nicht, wieso das jetzt diskutiert wird und vorher nie ein Thema war.» Thomas Hürlimann, ebenfalls eingefleischter Morgärtler und werdender Vater, doppelt nach: «Ich finde die Anzweiflung der Schlacht schade. Das ist völlig unnötig und spielt eigentlich auch keine Rolle.»

Dass die Ereignisse von 1315 hier zum Alltag gehören, wird schnell klar. «Der Berg heisst eigentlich Morgarten, das Dorf Hauptsee, und dazwischen, im Zentrum steht das Denkmal», sinniert Grunder. «Das Denkmal ist genau einen Kilometer von meinem Geburtshaus entfernt. Etwas, das mir jedes Mal, wenn ich vorbeigehe, in den Sinn kommt», gesteht Markus Iten und bringt damit die anderen am Tisch zum Schmunzeln. Aber es sei schon so, jeder verbinde eine persönliche Geschichte mit dem Denkmal. Hürlimann zum Beispiel wählte es als Hintergrund für die Einladungskarten zu seiner Hochzeit.

Ein einmaliges Erlebnis

Hürlimann hat sein Balkongeländer mit einer Jubiläumsfahne geschmückt. Damit ist er einer von vielen. Je 30 Fahnen wurden für die Gemeinden Unterägeri, Oberägeri und Sattel bestellt. «Ich dachte anfangs, dass insgesamt 30 schon zu viele sind», sagt der Oberägerer Gemeinderat Peter Staub. Er ist OK-Präsident des Volksfestes, das in rund drei Monaten stattfinden wird, und hat momentan viel um die Ohren. Die Fahnen fanden, entgegen seinen Befürchtungen, reissenden Absatz. Bereits musste nachbestellt werden. Auch Franz und Erika Meier haben sich eine besorgt. Sie bewirtschaften zusammen den Bauernhof Haselmatt mitten in Morgarten. «Es ist schön, dass ich so ein Jubiläum erleben darf und auch gleich an diesem Ort wohne. Das ist etwas Spezielles», freut sich der Bauer. Seine Frau kann sich die Dimensionen des Volksfestes noch nicht ganz vorstellen. «15 000 Besucher, wie soll das gehen?», fragt sie ratlos. Tochter Petra hingegen ist sich nicht sicher, ob das Interesse bei der Bevölkerung überhaupt so gross sein wird.

Es braucht tausend Helfer

Das Volksfest samt einer Flugshow der Patrouille Suisse ist gut für das Tal darin sind sich alle einig. «Der Fokus tut dem Tal gut. Das ist vor allem für den Tourismus beste Werbung», ist der Wirt vom «Eierhals», Hanspeter Merz, überzeugt. Kurt Ulrich aus Sattel ist sich sicher: «Das Tal hätte mehr Potenzial.» Jetzt kann es zeigen, was ihn ihm steckt, oder wie es Iten formuliert: «Es kann aus dem Dornröschenschlaf erwachen.»

Am Fest teilnehmen und mithelfen will in Morgarten fast jeder. «Am Anfang, als die Idee des Festes aufkam, haben die Leute nicht daran geglaubt, aber langsam kommt es», fasst Grunder die Situation zusammen. Langsam wird es aber auch Zeit, immerhin braucht Gemeinderat Staub rund 1000 freiwillige Helfer. Er ist guter Dinge: «Die Stimmung ist gut. Das zeigt den Zusammenhalt der Bevölkerung.»

«Man kennt sich halt einfach»

Wie viele Besucher den Weg tatsächlich ins Ägerital finden werden und wie das Fest abläuft, wird sich erst noch zeigen. Für die Morgärtler ist aber jetzt schon klar: Ob der Mythos von Morgarten auf einer wahren Begebenheit beruht oder nicht, ist zweitrangig. Für sie zählt neben der Landschaft mit dem See, den Sonnenuntergängen und der frischen Luft vor allem das Zusammenleben mit den Nachbarn. «Man kennt sich halt einfach», fasst Hürlimann zusammen. Und so werden sie 2016 auch den 701. Jahrestag der Schlacht ganz ruhig und ohne grosse mediale Aufmerksamkeit wieder feiern. So, wie sie es Jahr für Jahr tun. Mit ihrem ganz eigenen Feiertag: dem alljährlichen Morgartenschiessen. (Carmen Desax)