Das Besänftigen des Pumas
Film & Multimedia
Der Fliz Filmclub Zug zeigt mit «Piedra Sola» die Filmdoku über ein einfaches Andenvolk, das zur Bekämpfung eines auch bei uns bekannten Problems seine ureigenen Wege geht. Bildgewaltig und ohne grosse Worte.
Zug – Fidel ist in Sorge. Wiederholt sind Tiere aus seiner Lama-Herde gerissen worden. Ein Puma soll dafür verantwortlich sein, gesehen aber hat ihn noch keiner der armen Quechua-Bergbauern vom Dorfe Condor im Argentinischen Anden-Hochland. Sie leben vom Verkauf ihres Lama-Fleisches und der Wolle auf dem Markt in der nächstgelegenen Stadt, welche nur mit einem langen Fussmarsch zu erreichen ist – ihre ganze Existenz hängt davon ab. Was sollen Fidel und die anderen Bauern tun, um ihre Herde und somit ihre Lebensgrundlage zu schützen? Sie können die Tiere nicht rund um die Uhr einsperren, geschweige denn bewachen...
Der Glaube an die Gerechtigkeit von Pachamama, der personifizierten Mutter Erde soll helfen – und ein Zauber. Fidel opfert ein Tier aus seiner Herde, lässt ihm das Blut ab, vermischt es mit Coca-Blättern und verteilt die Suppe auf seinem Hof. Der Geist des Pumas soll mit diesem Opfer besänftigt und das Raubtier somit von seiner Herde ferngehalten werden.
Bildgewaltige Einblicke in eine fremde Kultur
«Piedra Sola» von Alejandro Telémaco Tarraf (*1984) ist das erste Langwerk des argentinischen Filmemachers. Der Titel geht auf ein Gedicht des bekannten Musikers und Schriftstellers Atahualpa Yupanqui (1908-1992) zurück und findet im Film schliesslich bildlich Niederschlag, als sich die Bauern gegenseitig Steine schenken als Glücksbringer für eine gesunde, wachsende Herde.
Telémaco Tarrafs Film gewährt intensive, bildgewaltige Einblicke in Kultur und Lebensraum eines uns kaum bekannten Volkes fernab von Zivilisation und Reichtum. Poetisch, fast surreal wirkt die Aneinanderreihung von lang anhaltenden, zuweilen meditativen Filmsequenzen, welche über viele Minuten hinweg ohne ein einziges gesprochenes Wort auskommen. Es gibt im gesamten Film nur einzelne kurze Dialoge.
Bemerkenswert sind die Unterschiede im Umgang mit diesem Problem, welches in jüngerer Zeit auch hierzulande virulenter geworden ist: Während die Schweizer Bergbauern am liebsten die Knarre nehmen und den Wolf kalt machen würden, der ihnen laufend Schafe reisst, so gehen die naturverbundenen Andenbauern ganz andere Wege. Fidel vollzieht nicht nur das Blutritual und stimmt Pachamama positiv, er sucht auch das hellsichtige Medium Faustina auf, durch welches Fidel den Kontakt zum Geist des Pumas herstellt.
Schnittstelle zwischen Fiktion und Ethnografie
Am Ende des 72-minütigen Films fühlt es sich an, als würde man von einer Traumreise in ein fernes unbekanntes Land in die westliche Realität zurückkehren. «Piedra Sola» wird in der Synopsis treffend als «ein Film zwischen Fiktion, Dokumentation und Ethnografie» beschrieben, in dem die indigenen Einheimischen die einzigen Protagonisten sind und nichts, rein gar nichts von jenseits ihrer eigenen Welt die Atmosphäre stört. Der stimmungsvolle Film hinterlässt bleibende Eindrücke – trotz, oder gerade wegen seiner einfachen Handlung.
Der Fliz Filmclub Zug präsentiert «Piedra Sola» am Montag, 8. November, um 20 Uhr im Kino Gotthard in Zug. Der Anlass ist Teil der laufenden Reihe «Im Gotthard um die Welt». Der Regisseur ist Saalgast und steht nach der Vorstellung Red und Antwort. (Andreas Faessler)