Bücher begleiten ihn auch im Tod

Literatur & Gesellschaft

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Lesestoff aus hellem Granit über- und nebeneinander gestapelt: Ein aussergewöhnlicher Grabstein nimmt symbolhaft Bezug auf das Leben des Verblichenen.

  • Augenfällig: die Grabstätte von Hermann Steiner-Stoll (1917-2001) auf dem Chamer Friedhof. (Bilder Andreas Faessler)
    Augenfällig: die Grabstätte von Hermann Steiner-Stoll (1917-2001) auf dem Chamer Friedhof. (Bilder Andreas Faessler)
  • Augenfällig: die Grabstätte von Hermann Steiner-Stoll (1917-2001) auf dem Chamer Friedhof. (Bilder Andreas Faessler)
    Augenfällig: die Grabstätte von Hermann Steiner-Stoll (1917-2001) auf dem Chamer Friedhof. (Bilder Andreas Faessler)

Cham – Auf dem gestuften Gottesacker unterhalb der Pfarrkirche St.Jakob finden sich mehrheitlich kleine Grabstellen. Viele von ihnen sind auffallend individuell gestaltet, ihr Grabstein nimmt augenscheinlich Bezug auf einen besonderen Aspekt im einstigen Leben der darin beigesetzten Person. Ein bronzenes Relief mit einem Konzertflügel neben einer Zeile Musiknoten lässt erahnen, was diesem Menschen im Leben wichtig war. Die vollplastische Figur einer Katze lässt auf Tierliebe oder gar einen geliebten Gefährten schliessen, und da und dort verweist ein künstlerisch gestaltetes Werkzeug wohl auf Beruf oder Berufung.

Besonders bemerkenswert ist eine kleine Grabstelle in einem der unteren Gräberfelder nahe zur Friedhofsmauer. Der Grabstein zeigt ein metallenes, hochrechteckiges Regal mit drei Tablaren. Es ist besetzt mit insgesamt 15 aus Granit gehauenen Büchern, je deren sechs in den oberen beiden Ablagen und drei in der untersten. Im mittleren Ablagefach ist ein Buch quer über die anderen gelegt. Dessen Buch­rücken trägt Namen und Lebensdaten des hier Beigesetzten: Hermann Steiner-Stoll, 1917-2001. Insbesondere den Chamern selbiger oder nachfolgender Generation dürfte sich die Bedeutung dieses einzigartigen Grabsteins sofort erschliessen: Hermann Steiner war nicht nur als langjähriger Sekundarlehrer im Cham, sondern vor allem als passionierter Regionalhistoriker, fleissiger Sammler und Forscher auf mehreren Gebieten der Wissenschaft, eine illustre Persönlichkeit und mit seinem enormen Wissensschatz ein «wandelndes Lexikon». Zahlreiche wegweisende Publikationen, unter anderem zu Geschichte und Volkskunde, hat Steiner zu Lebzeiten veröffentlicht und damit der Geschichtsschreibung Chams und des ganzen Kantons Zug einen wertvollen Dienst erwiesen.

Vielbeachtete Publikationen

Zu Steiners Hauptwerken gehört allen voran das 430 Seiten starke Buch «Vom Städtli zur Stadt Cham», welches als Festschrift von der Raiffeisenbank Cham anlässlich deren 50-jährigen Bestehens bei Hermann Steiner in Auftrag gegeben worden war und im März 1995 erschien. Die gesamte Chamer Geschichte lag nun in kompakter Form, reich bebildert und sorgfältig aufgearbeitet vor. Das Buch war innert Kürze vergriffen.

Diesem «Standardwerk» zur Gemeindegeschichte waren bereits mehrere viel beachtete Veröffentlichungen Steiners vorausgegangen. Anno 1966 verfasste er eine Jubiläumsschrift zu 100 Jahre Nestlé, bald folgte ein Fotobuch mit alten Ansichten Chams in drei Auflagen, später weitere Jubiläumsschriften wie etwa für die Chamer Feuerwehr, das Schützenwesen oder für den Eidgenössischen Armbrustschützenverband. Speziell hervorzuheben innerhalb dieser Werkauswahl ist das Buch «Seltene Berufe und Menschen im Zugerland» von 1984, welches Hermann Steiner eigenhändig mit 280 selber gezeichneten Abbildungen bestückt hat. Sein letztes grösseres Werk «Der Kanton Zug und seine Fotografen, 1850-2000» gab Steiner ein Jahr vor seinem Tod heraus.

Ein Leben mit Büchern

Für seine wissenschaftliche Arbeit konnte Hermann Steiner stets auf seine beiden eigenen Bibliotheken zurückgreifen, die er sich im Laufe der Zeit angelegt hatte – eine historische und eine zeitgenössische. Bücher bestimmten sein Leben, Bücher hat er geschaffen. So ist der Grabstein in Form eines Bücherregals ein ausdrucksstarkes Inbild für das, was den Chamer zeitlebens begleitet hat – bis in den Tod: Hermann Steiner-Stoll verstarb am 26. August 2001 im Alter von 84 Jahren nach mehrwöchiger Krankheit zu Hause in Cham. (Andreas Faessler)

Hinweis

Mit «Hingeschaut» gehen wir ­wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.