Schwarzweiss mal ganz bunt

Kunst & Baukultur

,

Mit 87 Jahren schafft es der Zuger Künstler Elso Schiavo, noch zu verblüffen. Dies, indem der Meister der Farbpalette plötzlich auf Schwarz und Weiss setzt. Wir haben mit dem Künstler über Zucht und Ordnung, dümmliche Fische und aktuelle Geldsorgen gesprochen.

  • Elso Schiavo in schwarzweiss - Künstler und Kunst (und Loriot). (Bild: Nora Nussbaumer)
    Elso Schiavo in schwarzweiss - Künstler und Kunst (und Loriot). (Bild: Nora Nussbaumer)
Zug (Kanton) – Dieser Artikel ist in der September-Ausgabe (#82) des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu weiteren Artikeln.

Eigentlich hätte Elso Schiavo beruflich einen akademischen Weg einschlagen sollen. Jedenfalls, wenn es nach den Vorstellungen seines Vaters gegangen wäre. Doch schon als Teenager war für ihn klar, dass sein Werdegang in eine andere Richtung gehen soll, wie uns der heute 87-Jährige bei einem Treffen in seinem Atelier erzählt. Seine Ehefrau, die seit 23 Jahren die Ausstellungen, Events und auch das Marketing für ihn tätigt, sitzt während des Interviews an einem Pult am anderen Ende des Raumes, führt Geschäftstelefonate und hilft ihrem Partner ­zwischendurch auf die Sprünge, wenn ihm ­während des Erzählens Daten oder Namen entfallen.
Elso Schiavo trägt Schwarz, passend zur schwarz-weissen Bilderreihe, die hinter ihm an der Wand hängt. Nanu? Schiavo ohne Farbe? Denn obwohl für einmal nicht bunt, ist die Reihe der Fischvögel zweifellos ihm zuzuschreiben. Wir wundern uns, wollen jedoch erst später nachfragen. Denn erst einmal nimmt uns der gebürtige Baarer Künstler mit in die späten Vierzigerjahre. Nach Einsiedeln, hinter Klostermauern, wo Schiavo das Internat besuchte und recht unglücklich war: «Ich hatte Mühe mit dem strengen Regime in der Klosterschule. Um 5 Uhr in der Früh aufzustehen, um zu beten, war mir ein Graus. Zudem war mir schon damals unklar, warum ich Latein und Griechisch büffeln musste, wo doch Französisch und Englisch viel nützlicher gewesen wären.»

Liebe zum Zeichnen
Zum Missmut seines Vaters, der ein sehr rational denkender Mensch war «und für jedes Problem eine mathematische Lösung bereit hatte», zeigte Elso Schiavo in diesem Gebiet kein besonderes Talent. «Dafür hatte ich von meiner Mutter das Gefühl für Proportionen und Farben geerbt.» Er hält kurz inne, sagt: «Sie war eine wahnsinnig talentierte Frau.» Bereits damals liebte Schiavo das Zeichnen und beschloss, an der Kunstgewerbeschule in Luzern Grafik zu studieren. «Es war ein grosses Glück, dass der Surrealist Max von Moos dort mein Lehrer war. Er war ein äusserst talentierter, moderner Künstler, einer, der sowohl die Kunstgeschichte verstand wie auch äusserst präzise zeichnen konnte. Er gab mir das nötige Werkzeug mit, ohne dass ich dabei seinen Stil übernehmen musste.»
Während seiner Ausbildung in Luzern wurde Schiavo fürs Militär aufgeboten. «Ich war sicher, dass die Zeit in der Rekrutenschule meiner künstlerischen Entwicklung schaden würde», erinnert er sich, ein schelmisches Lächeln umspielt seinen Mund. «Am Tag meiner Rückkehr schlossen meine Mitstudierenden gerade einen Plakatwettbewerb fürs Kunstmuseum ab. Sie hatten zwei Monate für diese Aufgabe verwendet.» Schiavo verlangte die Aufgabenstellung, gestaltete am selben Tag einen Entwurf und gewann den Wettbewerb. «Von da an gewann ich fast alles, was es zu gewinnen gab. Es war, wie wenn ein Knopf aufgegangen wäre.»

Frecher Einstieg
Der Einstieg in die Berufswelt fiel Schiavo entsprechend leicht, er arbeitete nach Abschluss der Kunstgewerbeschule für die renommiertesten Werbeagenturen der Schweiz. «Nachdem ich ein paar Jahre angestellt war, wollte ich mich für ein Jahr selbstständig machen. Just in dem Moment meldete sich die Werbeagentur Advico bei mir, die damals eine Koryphäe in der Werbung war.» Keck wies Schiavo Advico ab und erzählte von seinen Plänen der temporären Selbstständigkeit. «Auf den Tag genau ein Jahr später meldete sich die Agentur erneut. Sie wollten mich noch immer. In meinem alten Job hatte ich 300 Franken verdient. Bewusst nahm ich mir vor, beim Bewerbungsgespräch das Dreifache zu verlangen. Nur: Aus Versehen rutschte mir im Gespräch die Forderung von 1200 Franken heraus», erzählt Schiavo. «Man offerierte daraufhin, den Lohn um 100 Franken zu erhöhen, da ich doch von Baar mit dem Auto zur Arbeit nach Gockhausen pendelte.» Noch immer scheint der Künstler erstaunt zu sein über seinen damaligen Marktwert und die Möglichkeiten, die sich in diesen «goldenen Zeiten der Werbung» eröffneten. «Wir wurden wie Götter behandelt.»
Einige Jahre später gründete Schiavo seine eigene Agentur in der Stadt Zürich, die er über 30  ahre führte. In dieser Zeit designte er mitunter die Krawatten der Schweizer Delegation bei der Winterolympiade in Lillehammer. Auch wurden etliche seiner Plakate national und international prämiert.
Im kollektiven Zuger Gedächtnis ist Schiavo weniger wegen seiner Arbeiten als Werber, sondern vielmehr wegen seiner sehr zugänglichen Kunst, insbesondere im öffentlichen Raum. Hier ein opulentes Gemälde an einer Hauswand, da ein meterlanges Krokodil, das in der Schwimmhalle die ersten Crawlversuche der Schüler überwacht, dort ein langschnauziges Fabeltier aus Beton, das den Platz vor einem Kindergarten besetzt.

Dekompressionsphase mit Fisch
Immer wieder, schon seit Jahrzehnten, trifft man auf Schiavos abstrahierte, verspielte Fischvögel. Nicht ohne Grund: «48 Jahre lang habe ich getaucht. In den Dekompressionsphasen, während derer man beim Auftauchen immer wieder unter Wasser warten muss, hatte ich Zeit, mir die Fische um mich herum genauer anzusehen.»
Daraus entstand ein reges Interesse an der Spezies. Er findet: «Sie sind uns Menschen gar nicht so unähnlich; manche dick, einige dümmlich dreinschauend, wiederum andere sehr elegant.» Überhaupt sei er ein guter Beobachter, sagt Schiavo.

Rot, die Königsfarbe
In seinen figurativ abstrakten Bildern, die stets einen hohen Wiedererkennungswert aufweisen, dominieren oft Blau und Rot. «Es sind meine Lieblingsfarben», konstatiert er. «Rot, die Königsfarbe, darf jedoch nur pointiert auftreten.»
Seine Arbeiten weisen nicht nur aufgrund ihrer Farben, sondern auch wegen des darin liegenden, subtilen Humors einen hohen Wiedererkennungswert auf und wurden, wohl nicht zuletzt deshalb, schon mehrmals an internationalen Kunstmessen gezeigt.
Nun blickt Schiavo auf die Reihe der schwarz-weissen Bilder hinter sich. «Doch auch diese Bilder sind auf ihre Art farbig.» Das meint er vermutlich nicht nur, weil in ihnen zwischendurch akzentuierte Farbtöne auftauchen. Die Bilder machen gute Laune, alleine durch ihre Formen und Musterungen.

Arbeiten mit praktischen Gründen
Entstanden sind die handlichen Bilder mitunter aus praktischen Gründen. «Ich habe je länger, je mehr Mühe, lange vor einer Staffelei zu stehen. Diese bisher 30 gerahmten Bilder habe ich auf Grafikerkarton gemalt. Diese Arbeiten erlauben es mir, am Pult zu arbeiten.» Die Farbe, die zunächst aussieht wie mit Filzstift aufgetragen, ist in Wirklichkeit mit einem Stift auf Acrylbasis entstanden.
Die entstandenen Werke werden bald an Ausstellungen im Schwesternhaus Baar sowie in der Andreasklinik in Cham zu sehen sein, später sollen sie auch im Ausland gezeigt werden. Denn: Während der Pandemie gerieten seine Frau als Kunsthändlerin und er als Kunstmaler in eine schwierige Lage. Die temporäre Schliessung des Showrooms, der fehlende Zugang zu externen Ausstellungen und das Ausbleiben finanzieller Unterstützung setzten dem Paar finanziell zu. «Es war und ist noch immer eine schwierige und instabile Situation», sagt Schiavo. Darob schwermütig zu werden, ist für das Ehepaar jedoch keine Option.
Im Gegenteil. Nun geht’s in die Offensive. «Wir schauen vorwärts und nicht zurück, arbeiten einfach weiter, für eine Öffentlichkeit und Kundschaft, die sich an dieser Art des künstlerischen Schaffens erfreut.»

(Text: Valeria Wieser)