Untermüli feiert 125 Jahr-Jubiläum

Kunst & Baukultur, Brauchtum & Geschichte

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Das im neugotischen Stil an der Bahnlinie zwischen Zug und Zürich erstellte Gebäude gehört einer Stiftung.

  • Stiftungsratspräsident der Hans Voorgang Stiftung Hans Rudolf Marti (links) und Stiftungsrat Peter Villiger. (Bild Jakob Ineichen)
    Stiftungsratspräsident der Hans Voorgang Stiftung Hans Rudolf Marti (links) und Stiftungsrat Peter Villiger. (Bild Jakob Ineichen)

Zug – Eine Festschrift zum 125-Jahr-Jubiläum der Untermüli, einem markanten Industriebau an der SBB-Strecke von Zug nach Zürich, war nicht vorgesehen. Die Mieterschaft wollte diese Leerstelle jedoch unbedingt füllen. Die Zuger Journalistin Sabine Windlin erklärte den zahlreich Anwesenden des Jubiläumsanlasses am Freitag (30.Juni 2023), wieso diese Festschrift eine Notwendigkeit war.

Sie tat dies auf der Rampe der «Untermüli». Diese ist ein Industriebau aus dem Jahre 1898. Den Standort wählten die Erbauer bewusst. Sie nahmen in Zug die erst zweite, elektrisch betriebene Mühle der Schweiz in Betrieb. Mit Lorzenstrom. Das Getreide war mit der Bahn einfach und sehr effizient in die Mühle zu transportieren. Das Endprodukt, das gemahlene Mehl, liess das Unternehmen auf dem gleichen Weg verschicken. Der Transport auf der Strasse war damals nicht vorgesehen, denn der Mühle fehlte 1898 der Anschluss an die Baarerstrasse. Das ist natürlich längst Geschichte.

Doch für Windlin hat diese Untermüli einen fast schon mystischen Charakter. Sie schreibt von der «Traumfabrik», die dort entstanden sei. Mehr noch, sie sagte, dass die aktuellen Nutzer «an einem exklusiven Ort» wirken könnten. Die Ode an diesen Ort dreht Sabine Windlin denn auch weiter: «Wir lieben die Patina und den Charme dieses grosszügigen Backsteinbaus mit den unverwechselbaren Treppengiebeln und dem grossflächigen Satteldach.»

Der Firmenpatron und seine wichtigste Stütze

Dieses Arbeitsparadies verdankt die Mieterschaft in der Untermüli zwei Menschen. Dem Eigentümer Hans Voorgang (1938–2022), der in diesem Gebäude in zweiter Ge­neration eine Margarinefabrik betrieb. Ihr Name: Orris Fettwerk AG.

Für diese Orris war Hans Rudolf Marti (geb. 1936) ab 1962 als Produktionsleiter und in zahlreichen anderen Chargen tätig. Er war es auch, der 2002 vor Ort war, als mit der Margarine-Produktion in Zug Schluss war. Für die Orris Fettwerk AG waren rund 22 Menschen tätig. Sie produzierten 18 bis 20 Tonnen Margarine pro Tag. Viele Orris-Mitarbeitende blieben der Firma sehr lange treu.

Überlebt hat das markante blau und gelbe Firmenschild dieser Zuger Industrieikone. Es befindet sich im Keller der Baute und ist bei Bedarf weiterhin schnell hervorzuholen. Dort befinden sich auch noch weitere einst zur Margarine-Produktion verwendete Maschinen. Sogar perforiertes Papier für die Margarine-Produktion ist in der Untermüli noch vorrätig.

Dass es auf dem Gelände der ehemaligen Orris Fettwerk AG weitergeht, das hat auch viel mit Hans Rudolf Marti zu tun. Er sagt: «Ich war ein Vertrauter von Hans Voorgang.»

Erschwingliche Mieten waren dem Chef wichtig

Den vor einem Jahr verstorbenen Firmenpatron Hans Voorgang schildert die Festschrift in geraffter Form so: «Er war ein gebildeter Mann mit vielen Interessen. Architektur, Kunst, klassische Musik und Geschichte gehörten dazu.» Er sei auch sozial engagiert gewesen und habe dafür gesorgt, «dass Wohnungs- und Büromieten in seinen Liegenschaften für alle erschwinglich waren».

Eine Einschätzung, die gemäss Hans Rudolf Marti passt. Der langjährige Produktionsleiter sagt über Voorgang aber auch: «Er dachte viel, aber nie an eine Nachfolge.» Er habe dann jeweils angefügt: «Herr Marti schaut dann schon.»

Es ist dann auch so gekommen. Hans Rudolf Marti befasst sich noch immer mit der Untermüli und drei weiteren Liegenschaften. Seine Firmentreue – er arbeitet 61 Jahre für den gleichen Betrieb – ist in der heutigen Zeit sehr selten. «Ich arbeite immer noch rund 50 Prozent», sagt Marti. Und das mit grossem Stolz.

Auch Martis Engagement ist es zu verdanken, dass die Liegenschaften von Hans Voorgang in eine Stiftung übergehen. Diese ist bereits gegründet, wie der langjährige Orris-Mitarbeiter bestätigt. Alles sei auf gutem Wege. Diese Mission sei bald beendet. Seine Treue zum Arbeitsplatz beschreibt er so: «Wer einen Baum setzt, der muss ihn auch pflegen.» Im Spätsommer hat er dann einen weiteren wichtigen Termin persönlicher Natur. Er feiert zusammen mit seiner Frau den 65. Hochzeitstag. Eine weitere Konstante in Martis Leben. (Text von Marco Morosoli)