Überlebende und Betroffene des Zuger Attentats erzählen ihre Geschicht

Film & Multimedia, Brauchtum & Geschichte

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Am 12. September zeigt das Schweizer Fernsehen eine Dokumentation. Produziert hat den Film ein Ägerer, der am Tag des tragischen Ereignisses für die «Zuger Zeitung» arbeitete.

  • Produzent Rolf Elsener (rechts) und Regisseur Daniel von Aarburg vor dem Regierungsgebäude in Zug. (Bild Maria Schmid)
    Produzent Rolf Elsener (rechts) und Regisseur Daniel von Aarburg vor dem Regierungsgebäude in Zug. (Bild Maria Schmid)

Zug – Der 27. September 2001 findet in der noch zu schreibenden Geschichte des Kantons Zug sicher Aufnahme. An diesem Tag, einem Donnerstag, ermordete im Kantonsratssaal des Zuger Regierungsgebäude ein 57-Jähriger 13 Regierungs- und Kantonsräte. Der Amokläufer tötete sich nach seiner Wahnsinnstat selber. Das einschneidende Ereignis ist bei vielen Zugern noch heute präsent. Heute Heranwachsende hingegen können diesen Bezug zu diesem schlimmsten Moment in der Zuger Geschichte nicht mehr unbedingt herstellen. Das Ereignis verblasst.

Wider das drohende Vergessen produziert der Ägerer Rolf Elsener (45) fürs Schweizer Fernsehen eine Dokumentation über das Zuger Attentat vom 27. September 2001. Wie der langjährige Print-Journalist und ehemalige Kommunikationsbeauftragte der Stadt Zug erklärt, «hat die Dokumentation mit etwa 100 Minuten Spielzeit bereits die richtige Länge». Nach dem Rohschnitt, den er zusammen mit dem Churer Regisseur Daniel von Aarburg (56) besorgte, sei jetzt die Tonmischung hinzuzufügen. «In Bezug auf die Akustik gibt es viele Möglichkeiten», fügt der Regisseur Daniel von Aarburg an. Sie ist sehr wichtig, weil die Aussagen der Zeitzeugen und die Geräusche die Dokumentation tragen.

Der SRF-Produzent Rolf Elsener schätzt, dass rund ein Drittel des Films über das Zuger Attentat nachgespielt seien. Der Rest der Dokumentation setze sich aus den Interviews mit den betroffenen Zeitzeugen, so Elsener, und den zum Thema passenden Archivaufnahmen zusammen. Dabei tragen gemäss dem Produzenten die Zeitzeugen die Dokumentation, «denn aus ihrer Optik erzählen wir die Geschichte des Attentats». Zu den Erzählern ihrer eigenen Geschichte gehören der damalige Standesweibel Paul Langenegger, die Kantonsräte Josef Lang, Manuela Weichelt und Moritz Schmid sowie beteiligte Polizisten, Seelsorger und Medienvertreterinnen.

Vorbereitungen laufen schon seit längerem

Um letztlich alles auf den Punkt zu bringen, hatte Elsener schon vor einem Jahr mit den ersten Vorarbeiten begonnen. Er sagt: «Das läuft immer so ab.» Zuerst gälte es mit vielen Leuten zu reden, welche ihre Sicht des Zuger Attentats darlegen können, und es auch wollen. Er habe bei den Gesprächen nebst Zurückhaltung auch immer wieder gehört, dass die Interviewten es gut gefunden haben, «was wir machen». Bei den heute erwachsenen Kindern des beim Attentat ums Leben gekommenen Kantonsrat Karl Gretener aus Cham hat das Interview ergeben, dass sie dieses Ereignis lange gar nicht mehr so präsent hatten.

Bei der Wahl der Zeitzeugen ist auch darauf Wert gelegt worden, das Zuger Attentat aus den verschiedensten Perspektiven anzugehen. Nur aus einer nicht: derjenigen des Täters. Er kommt im Film nur als Silhouette vor, auch wird sein Name nicht genannt. Die spannendsten Aussagen aus diesem Interview-Pool schneide er dann in den Film, so Elsener und fügt dann an: «Nach diesem Prozess weiss ich, was ich will.» Mit diesem Material schrieb Rolf Elsener dann das Drehbuch. Dies unterscheidet sich kaum von einem Skript für einen Spielfilm.

Am Tag des Attentats selber im Einsatz

Was dem TV-Produzenten für die am 12. September 2021 zur Ausstrahlung kommende Geschichte sicher zur Hilfe kam, war, dass Elsener am Tag des tragischen Ereignisses, für die «Zuger Zeitung» im Einsatz war: «Ich arbeitete damals in Luzern, aber da drei Zuger Journalisten unter den Betroffenen waren, half ich am Ort des Geschehens bei der Berichterstattung mit.» Trotzdem habe es noch Details zum Attentat gegeben, «die ich nicht kannte». Elsener ist sich auch bewusst, welche Folgen diese Schreckenstat für alle Beteiligten und vor allem für die Angehörigen der Opfer zeitigte: «Es gab keine Rückkehr mehr ins alte Leben. Sie mussten ein Neues beginnen.»

Auch auf Behördenebene hat sich im Nachgang des Zuger Attentats einiges getan. Bei Kantonsratssitzungen im Regierungsgebäude gibt es eine Eintrittskontrolle durch die Polizei. Zudem verfügt der Kantonsratssaal jetzt über zwei Zugänge. Im Weiteren ist die Stelle einer Ombudsfrau geschaffen worden. Diese Anlaufstelle soll unter anderem vermitteln, wenn sich ein Individuum mit einer Behörde zerstritten hat.

Neben den Gesprächen mit den Zeitzeugen gehören zum Film über das Zuger Attentat auch von Schauspielern bestrittene Szenen. Für den TV-Produzenten Rolf Elsener war es wichtig, so viel wie möglich in Zug zu drehen: «Den Kantonsratssaal sieht der Zuschauer aber nicht.» Büroszenen seien im ehemaligen Baudepartement der Stadt Zug an der St.-Oswalds-Gasse gedreht worden. Auch bei der Produktion eines Dokumentarfilms mit fiktiven Momenten gilt es, die gespielten Szenen so effizient und effektiv wie möglich zu drehen. Wie der Regisseur Daniel von Aarburg erklärt, seien diese Arbeiten innerhalb von zehn Tagen abgeschlossen gewesen. Die gesamte Produktion des Films kostet rund 400000 Franken.

Film hat das OK der Bereichsleitung

Mittlerweile hat Rolf Elsener für seine Produktion über das Zuger Attentat eine weitere Hürde vor dem Sendetermin genommen: Die SRF-Bereichsleitung hat den Dokumentarfilm abgenommen. Däumchen drehen geht für Rolf Elsener aber nicht: «Ich arbeite bereits an einem neuen Projekt.» SRF produziert jährlich zwei Dokumentarfilme über prägende Ereignisse in der Schweiz oder mit starkem Schweiz-Bezug. Die Liste, so Elsener, umfasse rund 50 Ideen. Was das Thema der nächsten Produktion ist, will der Ägerer aber nicht verraten. Ein wenig Spannung gehört bei einer Dokumentation dazu. Auch wenn sich diese dann schnell auflöst. (Marco Morosoli)