Hier verbinden sich Synapsen

Dies & Das, Theater & Tanz

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Die VoiceSteps feiern ihr 20-jähriges Jubiläum. Doch nicht nur auf den hiesigen Bühnen zeigen die Kinder und Jugendlichen ihr Können. Auch international fliegen sie aus.

  • Kim Fölmli für die VoiceSteps und «Natürlich blond». (Bild: Denise Stadelmann)
    Kim Fölmli für die VoiceSteps und «Natürlich blond». (Bild: Denise Stadelmann)

Cham – Dieser Artikel erschien in der Mai-Ausgabe 2024. Hier geht es zu den weiteren Artikeln. 

 

20 Jahre sind vergangen, seit der Verein Voice­ Steps gegründet wurde. Über 60 unterschied­lichste Musicalproduktionen hat er seither auf die Bühnen gestellt, ein riesiges Netzwerk im Kanton und eine Reputation weit darüber hin­ aus aufgebaut. Verantwortlich dafür ist der ge­lernte Koch und Katechet, Jugendarbeiter und Musikpädagoge Guido Simmen – Schulleiter und Gründer der VoiceSteps. Letztes Jahr wurde er für dieses Engagement mit dem Anerken­nungspreis des Kantons Zug ausgezeichnet, er will jedoch gleich als Erstes klarstellen: «Es geht hier nicht um mich.» Doch als Komponist und Mitautor, als Schulleiter, als Lehrer und in der Leitung unzähliger Bühnenproduktionen wird im Gespräch auch schnell klar: Ohne ihn gäbe es den Verein nicht. Diesen gründete er nach und aus 20 Jahren Leitung der Kinder­ und Jugendchöre Cham, Steinhausen und Hünenberg her­aus. Aktuell gehören rund 250 Kinder und Ju­gendliche im Alter von 5 bis 25 Jahren dazu. Dann greift die Altersguillotine.
Die wurde eingeführt, nachdem ein 26­-jähriges Mitglied nach 21 Jahren bei den VoiceSteps dar­auf hingewiesen werden musste, es sei vielleicht doch langsam an der Zeit, den Kinder­- und Ju­gendverein zu verlassen.
Für ihn habe die Jugendarbeit immer im Vorder­grund gestanden, sagt Guido Simmen. Natürlich sei es toll und sei er stolz darauf, dass nicht we­nige ehemalige Mitglieder heute professionell als Musicaldarsteller*innen, als Sängerinnen, Tänzer und in Jobs hinter den grossen Bühnen arbeiten. «Aber wir sind keine Schule für künfti­ge Musicaldarsteller*innen. Hauptsächlich geht es bei uns darum, den Kindern und Jugendli­chen durch das Hobby Raum zum Wachsen zu bieten», sagt Simmen. Und er ergänzt: «Musi­cals sind in der Verbindung der Disziplinen Tanz, Gesang und Schauspiel erwiesenermas­sen sehr förderlich für die Entwicklung junger Menschen – auch für die Verbindung der Synap­sen.» Zudem würden die Kinder lernen, im Team zu arbeiten, Verantwortung zu übernehmen, mit Erfolgen und Misserfolgen umzugehen – mit dem Druck einer grossen Rolle oder eben auch mit der Enttäuschung, für diese Rolle nicht besetzt worden zu sein.

Von der Schülerin zur Lehrerin
«Ich war ein extrem schüchternes Kind, als ich mit acht Jahren zu den VoiceSteps kam», sagt Lovisa Abt, die letztes Jahr in der exzentrischen und bösen Rolle der Herzkönigin von «Alice im Wunderland» zu sehen war. Die 15-Jährige, deren drei jüngere Geschwister ebenfalls in den unterschiedlichen Altersgruppen trainieren – es gibt die Minikids, die Kids, die Juniors und die Company –, unterrichtet mittlerweile selbst bei den Jüngsten und macht nun sogar ein einjähriges Praktikum beim Verein. Die «Eigengewächse», wie Simmen sie liebevoll nennt, seien in seiner Erfahrung mit die besten Lehrpersonen. «Sie wissen, was ihnen Spass machte, was ihnen geholfen hat, als sie jünger waren.»
Das Hobby VoiceSteps ist zeitintensiv. Nicht nur die wöchentlichen Trainings gehören dazu, auch drei Lager jährlich, sechs Probe-Wochenenden und bei Produktionen kommen die Auditions, die zusätzlichen Proben und Aufführungen, dazu. Finanziert werden Verein, Schule und die Produktionen durch die öffentliche Hand und Gönner*innen zur einen Hälfte, zur anderen durch die Mitgliederbeiträge, die sich für alle Kinder und Jugendlichen im Rahmen eines normalen Musikunterrichts bewegen. Verschiedene Mitglieder der VoiceSteps haben in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich professionelle Musicalausbildungen in London und an der Swiss Musical Academy in Bern abgeschlossen. Einige dieser ehemaligen Schülerinnen geben heute als Lehrerinnen bei VoiceSteps ihr Wissen an den Nachwuchs weiter. Auch Lovisa kann sich vorstellen, später in dem Bereich zu arbeiten: «Ich habe nicht vor, mit dem Tanzen und Singen aufzuhören, aber beruflich wird es mich wohl eher hinter die Bühne ziehen, als Regisseurin vielleicht.»

Auf die grossen Bühnen
Kim Fölmli war 13 Jahre alt, als eine Freundin ihr von den VoiceSteps erzählte. «Ich habe meine Eltern angefleht, und meine Mutter liess sich schliesslich wirklich erweichen, mich einmal die Woche von Immensee nach Zug zu fahren», sagt die 29-Jährige. Mit 18 Jahren dann lernte sie das Autofahren auf den Wegen zu den Shows und den Proben.
Für Fölmli, die bereits als kleines Kind vor ihrer Familie auftrat und bei Mini-Playback-Shows im Dorf, waren die VoiceSteps ein Augenöffner. «Erst war es vor allem Spass. Doch mit den Jahren wurde mir klar, dass Menschen das wirklich beruflich machen können. Ich erhielt so viele Vorbilder, und mir wurde bewusst, dass auch ich diesen Weg einschlagen wollte», so Fölmli. Heute arbeitet sie als Musicaldarstellerin, probt gerade für das Freilichtmusical «Heidi» auf der Walensee-Bühne. Hier wird sie in der Hauptrolle zu sehen sein, nachdem sie die letzten Jahre für «Sister Act» in Zürich oder für «Tanz der Vampire» in Oberhausen und Stuttgart auf den Bühnen stand.
Daneben ist sie als Vocalcoach und seit 2022 mit ihrem eigenen Musikprojekt als Kim Dekker unterwegs, für die sie aktuell mit der ersten Single im Studio steht. «Und dazu schwimme ich grad ein wenig im Casting-Meer.» Das Unterrichten habe sie sich früher nicht vorstellen können. Aber es sei ein tolles Gefühl, weitergeben zu können, was sie selbst erlebte. «Für mich waren die VoiceSteps das Paradies», sagt sie. «Und der Grundstein für meine Karriere wurde hier gelegt.» Sie habe hier aber auch früh gelernt, welche Arbeit, welche Intensität und welches Commitment hinter dieser Arbeit stecke.
Ihr Highlight sei die Show «Natürlich blond» gewesen, in der sie die Hauptrolle der Elle Woods übernehmen durfte. Damals hatte sie gerade ihren Bachelor mit Schwerpunkt Musiktheater in Sydney abgeschlossen, und als nächste Station stand der Master of Performing Arts in London bevor.

Wie es anders wird
Auf den Schweizer Bühnen waren Musicals vor 20 Jahren noch eine exotische Seltenheit. «Damals gab es ‹Cats› und ‹Space Dream› – von anderen Musicals hatten hier in der Zentralschweiz erst wenige gehört», sagt Simmen, «und wenn, dann höchstens aus Filmen.» Heute sei es viel anspruchsvoller, nicht mit bekannten und professionell aufgeführten Produktionen verglichen zu werden – trotz der klaren Abgrenzung als regionales Kinder- und Jugendprojekt. Und trotz der Entwicklung, dass sich das Genre Musical extrem verändert habe. Die Produktionen könne man weder vom musikalischen noch von den Inhalten her in einer Schublade versorgen – abstrakt, politisch, komödiantisch, aber auch tiefschwarz können Musicals sein.
Guido Simmen ist 65 Jahre alt – in den nächsten Jahren möchte er eine Nachfolge finden, die die VoiceSteps weiterführt. An begeisterten Ehemaligen scheint es dafür zwar nicht zu mangeln, doch im Umfang seines Engagements, das Simmen auch neben seiner offiziellen Arbeitszeit stets investierte, wird die Besetzung mit der richtigen Person für die Rolle bestimmt nicht einfach.

 

Text: Jana Avanzini