«Gefühlsmässig haben wir unsere erste Halbzeit gespielt»

Musik

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Crazy Diamond spielen nächste Woche in der Chollerhalle. Frontmann Üse Junger spricht über Gegenwart und Zukunft der Band.

  • Üse Junger, Frontmann von Crazy Diamond. (Bild PD)
    Üse Junger, Frontmann von Crazy Diamond. (Bild PD)

Zug – Herr Junger, im August haben Crazy Diamond zwei ausverkaufte Konzerte in Augusta Raurica gespielt, als Reverenz an Pink Floyds Auftritt 1972 in Pompei. Was war das Besondere an diesen Shows?

Üse Junger: Die Ambiance in diesem historischen römischen Theater mit seinem Halbrund. Es war eine einmalige, fantastische Kulisse für die je 1850 Zuschauer, aber auch für die Band mit diesem Blick ins Publikum.

Nächsten Frühling veröffentlichen Crazy Diamond eine Doppel-CD samt Bonus-DVD von diesen Konzerten. Zur Finanzierung haben Sie sich auch des Crowdfundings bedient. Warum?

Junger: Wir haben gewusst, dass diese Produktion mit 40 000 Franken sehr teuer wird und wir das unmöglich allein stemmen können. Wir geben zwar relativ grosse Konzerte, aber die gesamten Einnahmen werden reinvestiert. So entstand die Idee des Crowdfundings.

Mit diesem Spendenaufruf wollte die Band 10 000 Franken einsammeln, herausgekommen ist aber gut dreimal so viel. Überwältigt?

Junger: Wir hatten schon auf etwas mehr als 10 000 Franken gehofft, aber dass es dann so viel wurde, ist schlicht sensationell. Die Produktion ist von Anfang an sehr aufwendig und ausgefeilt geplant gewesen, aber nun haben wir auch die Gewissheit, dass wir alle, die daran mitarbeiten, fair bezahlen können.

Ende 2013 haben Sie unter dem Namen Younger ein Soloalbum namens «Heaven Calls» veröffentlicht. Was gab den Anstoss dazu?

Junger: Als Crazy Diamond kopieren wir Pink Floyd, und auch wenn wir das noch so gut tun es bleibt eine Kopie. Das hat mich angefangen zu wurmen, und ich habe mich gefragt, ob ich auch selber Songs komponieren kann.

Um die CD zu promoten, sind Sie im Frühling mit dem Velo während 47 Tagen 5218 Kilometer von Los Angeles nach New York geradelt und haben unterwegs bei Radiostationen angeklopft. Wie lief es?

Junger: Vor meiner Abreise haben mir ein paar Leute gesagt: Vergiss es, ohne Plattenvertrag wird dich dort keine Radiostation spielen. Ein paar haben es aber doch getan, und ich habe auch live ein paar Interviews gegeben. Aber klar, der ganz grosse Paukenschlag ist ausgeblieben.

Und welche Erfahrung haben Sie von der Reise an sich mitgebracht?

Junger: Ich konnte zwei meiner Leidenschaften verbinden: Musik und Velofahren. Was mich beschäftigt hat, waren die vielen Obdachlosen. Selber war ich extrem fit, weil ich auch viel trainiert hatte. Und ich war auch ziemlich schnell, weil ich jeden Tag von Hunden verfolgt wurde.

In Kürze erscheint mit «The Endless River» ein neues Pink-Floyd-Album, das vor allem aus instrumentalen Überbleibseln der 1993er-Sessions für die Platte «The Division Bell» besteht. Was erwarten Sie davon?

Junger: Ich bin gespannt-skeptisch. Zum einen freue ich mich sehr, dass es noch einmal neues Pink-Floyd-Material gibt. Zum anderen ist es sehr schade, dass es die drei noch lebenden Bandmitglieder nicht geschafft haben, sich noch einmal zusammenzuraufen, denn Roger Waters ist ja nicht involviert. Mit ihm hätte es eine explosive, aber geniale Mischung ergeben. Und dann enthält das neue Album ja leider nur einen einzigen gesungenen Song, und mir sind Stimmen halt schon extrem wichtig.

Roger Waters ist von 2010 bis 2013 mit «The Wall» um die Welt getourt. Sie haben 15 dieser Shows gesehen. Ihr Fazit?

Junger: Es war schlicht sensationell. Ich konnte nicht genug bekommen und habe jedes Mal wieder etwas Neues entdeckt. Die Band und die Techniker sind mit der Zeit gewachsen und haben sich entwickelt, und «The Wall» ist ja auch ein grosses Werk.

Nach welchen Kriterien nehmen Crazy Diamond Pink-Floyd-Songs in ihr Repertoire auf?

Junger: Das ist oft ein demokratischer Prozess. Wir hören uns ein paar Songs an und entscheiden, was uns gefällt. Dann müssen wir noch beurteilen, ob das wohl auch beim Publikum ankommt.

Am Samstag in einer Woche spielen Crazy Diamond in der Chollerhalle in Zug. Welche Leckerbissen werden den Fans serviert?

Junger: Wir haben einige neue Songs im Repertoire. Zum Beispiel vom «Animals»-Album «Pigs», ein Geheimfavorit vieler eingefleischter Floyd-Fans. Dann haben wir auch bei unserer Licht- und Videoshow noch einen rechten Zacken zugelegt.

Crazy Diamond gibt es nun seit 13 Jahren. Wohin geht die Reise?

Junger: Gefühlsmässig würde ich sagen, wir haben vielleicht die erste Halbzeit gespielt. Wir wollen schon noch ein paar Dinge erreichen: Wir möchten grössere Open Airs spielen, mehr Präsenz in der lateinischen Schweiz, und längst überfällig ist der erste Auftritt im Ausland. Für alle Bandmitglieder ist Crazy Diamond nicht der Beruf, sondern ein Hobby. Und das Feuer brennt noch immer. (Interview Thomas Griesser Kym)

Hinweis
Crazy Diamond live: Chollerhalle Zug, 8. November, 21 Uhr. Tickets (30 Franken) unter www.starticket.ch