Ein himmlischer Hinweis?

Dies & Das

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Die Schutzengelkapelle hat eine spezielle Entstehungsgeschichte. Ihr Vorgängerbau stand andernorts und könnte als Schutz gegen Hexen gebaut worden sein.

  • Die Schutzengelkapelle steht dort, wo 1663 ein Altarbild angeschwemmt wurde. Dieses stammte vom Vorgängerbau im Hündlital, der auf der Gyger-Karte von 1667 noch dargestellt ist. (Bild Stefan Kaiser)
    Die Schutzengelkapelle steht dort, wo 1663 ein Altarbild angeschwemmt wurde. Dieses stammte vom Vorgängerbau im Hündlital, der auf der Gyger-Karte von 1667 noch dargestellt ist. (Bild Stefan Kaiser)

Baar – Sie gibt einem Quartier den Namen und bildet zusammen mit dem Spielplatz und der Bäckerei das Zentrum der Einfamilienhaussiedlung im Nordosten Baars. Dabei wurde die Schutzengelkapelle dereinst auf freiem Feld errichtet. 1667, als die Kapelle vom Konstanzer Weihbischof Georg Sigismund Müller geweiht wurde, standen in der Birst noch keine Häuser. Baar war damals ein kleines Bauerndorf. Und in der Schwemmebene der Lorze, einem Gebiet, das regelmässig überflutet wurde, baute man keine Häuser. Eines dieser gefürchteten Hochwasser steht denn auch am Ursprung der dem heiligen Schutzengel und dem heiligen Wendelin geweihten Kapelle.

 

Im Jahr 1663 soll es gewesen sein, als die Lorze wieder einmal über die Ufer trat. Im Hündlital, am Weg Richtung Höllgrotten, soll sie derart gewütet haben, dass eine dort errichtete Kapelle zerstört wurde. Auf Hans Konrad Gygers Zürcher Karte aus dem Jahr 1667 ist die Kapelle sogar noch eingezeichnet, allerdings auf der falschen Seite des Flusses. Von der Kapelle zeugt auch noch ein alter, kaum mehr gebräuchlicher Flurname: Die flache Stelle am Ausgang des Lorzentobels heisst Chilchliboden. Der Name erinnert an die ehemalige Kapelle, die 1623 vom Zuger Stadtpfarrer und Dekan Jakob Huser geweiht wurde. Wieso gerade dort, an einer unwegsamen und unbewohnten Stelle, eine Kapelle erbaut wurde, ist ungewiss. Der Baarer Gemeindearchivar Philippe Bart hat anlässlich einer Führung vermutet, dass vielleicht ein Einsiedler dort gelebt hat. Möglich ist aber auch, dass der Bau des Gotteshauses eine Reaktion auf den Hexenglauben gewesen ist. Das vordere Lorzentobel soll im 17. Jahrhundert ein Hexentanzplatz gewesen sein. Die Muttergottes sowie die Heiligen Wendelin, Rochus, Eligius und Karl Borromäus ihnen allen war die kleine Kapelle geweiht – sollten die Hexen vielleicht vertreiben. Jedes Jahr am 3. Mai war der Chilchliboden Ziel eines Bittganges, wie der Baarer Ammann Jakob Andermatt (1602–1680) in seinem Tagebuch berichtet.

Allzu lange hatte die Kapelle im Hündlital wie bereits geschrieben nicht Bestand. Wieder aufgerichtet wurde sie nach dem zerstörerischen Hochwasser von 1663 nicht. Womit wir wieder bei der heute noch bestehenden Schutzengelkapelle wären. Diese hat ihre Entstehung nämlich der Kapelle im Chilch­liboden zu verdanken. Die reissende Lorze hat ein Tafelbild mitgetragen und bei der Birst angeschwemmt. Das Bild stellte dasselbe Thema dar wie der Hochaltar in der Pfarrkirche: die Heilige Dreifaltigkeit und die Krönung Mariens. Für die Dorfgemeinde war die Rettung des Altarbilds ein Hinweis des Himmels. Statt auf dem Chilchliboden wurde nun eine Kapelle im Schutzengel gebaut. In dieser, so legten die Baarer fest, sollte die angeschwemmte Tafel «ferner sorgfältig aufbehalten werden». Immerhin bis ins Jahr 1852 haben die Baarer diesen Vorsatz einhalten können. Seither gilt das Altarbild als verschollen. Die Bilder und der Altar in der heutigen Kapelle sind jüngeren Ursprungs, zumindest zum Teil aber noch aus dem Jahr 1667. So trat bei umfassenden Sanierungsarbeiten Anfang der 1990er-Jahre hinter dem Altarbild von 1853 das ursprüngliche von 1667 wohl erhalten zu Tage.

Von Überschwemmungen blieb wie ihr Vorgängerbau aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Schutzengelkapelle nicht verschont. Wie das Mauerwerk zeigt, lag das Aussenniveau der Kirche früher wohl um 30 Zentimeter tiefer. Gut möglich, dass weitere Anschwemmungen der noch nicht gebändigten Lorze das Umgelände angehoben haben. Solchen Gefahren ist die Kapelle heute nicht mehr ausgesetzt. Sie ist aber auch nicht mehr Ziel von Bittgängen. Genutzt wird sie dennoch ab und zu. Die Kapelle im Besitz der Korporation Baar-Dorf kann für Hochzeiten, Taufen oder andere religiöse Feiern gemietet werden. (Silvan Meier)

Hinweis
Mit «Hingeschaut!» gehen wir wöchentlich mehr oder weniger auffälligen Details mit kulturellem Hintergrund im Kanton Zug nach.