Der Sieg über die Schlange
Dies & Das
Mariendarstellungen gehören aus ikonografischer Sicht zu den aussagekräftigsten Motiven der Christenheit. In der Liebfrauenkapelle in der Zuger Altstadt finden wir ein besonders gelungenes Beispiel.
Zug – Obschon das Innere der Liebfrauenkapelle in der Zuger Altstadt aus architektonischer Sicht nicht sonderlich spektakulär ist, birgt der schlichte Raum eine unerwartete Fülle an kunsthistorisch sehr interessanten Preziosen. Eine davon finden wir am rechten Seitenaltar. Dieser sowie auch sein linksseitiges Pendant und der Hochaltar sind verhältnismässig schlicht und von gradliniger, klassizistischer Formensprache. Die Altargruppe wurde im Zuge einer Renovation in den Jahren 1818 bis 1820 aufgestellt und ist das Werk von Johann Josef Moosbrugger (1771–1849), einem Spross der angesehenen und einflussreichen Baumeisterfamilie Moosbrugger aus dem Vorarlberg.
Wir richten unser Augenmerk nun also auf besagten Seitenaltar. Das dortige Gemälde besticht durch eine besonders qualitätvolle Ausführung. Es handelt sich um eine sogenannte «Maria vom Siege»-Darstellung. Ikonografisch liegt ihr die Mondsichelmadonna zu Grunde, die seit dem 12. Jahrhundert belegt ist – die Muttergottes steht auf einer Mondsichel. Manche deuten dies als Zeichen dafür, dass Maria als Himmelskönigin angesehen wird, der Sonne, Mond und sämtliches Gestirn untertan ist. Andere beziehen sich auf die Offenbarung des Johannes, in welcher eine hochschwangere Frau am Himmel erschienen ist, auf einer Mondsichel stehend. Vor ihr eine gierige drachenartige Schlange, die im Begriffe war, ihr Kind nach der Geburt zu verschlingen. Doch wurde das Kind zum Herrscher über die Erde und alle Völker. Die Frau aus der Vision des Johannes findet sich in der Muttergottes wieder. Der Drache respektive die Schlange als Symbol des Bösen und der Sünde fand erst ab dem 16. Jahrhundert Einzug in das Motiv der Mondsichelmadonna. Hinzu kam auch immer häufiger der Strahlenkranz, dies hauptsächlich bei plastischen Darstellungen. Im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts ging die Mondsichelmadonna allmählich in den Typus der Immaculata über: eine auf dem Erdball stehende Muttergottes mit Sternenkranz, in der Regel ohne Kind, eine Schlange zertretend. Beim Typus «Maria vom Siege» hält die Muttergottes zudem das Jesuskind auf dem Arm.
Auf dem Seitenaltarblatt der Liebfrauenkirche ist sehr gut erkennbar, dass es nunmehr eine Anlehnung an die ursprüngliche Mondsichelmadonna ist: Die Mondsichel nimmt hier eine sekundäre Position innerhalb der Darstellung ein, indem sie klein ausfällt und in den Hintergrund rückt. An ihre anfängliche Stelle ist der Erdball gerückt, auf dem die Muttergottes steht, gehüllt in ihre symbolischen Farben Rot und Blau, den Blick himmelwärts gerichtet. Ihr linker Fuss tritt auf die Schlange, die sich auf dem Erdrund windet, ein Zeichen für den Sieg über die Erbsünde. Marias Haupt ist umgeben von zwölf Sternen, welche auf die zwölf Stämme Israels verweisen sollen, aber auch symbolisch für die Vollkommenheit stehen. In ihren Armen hält Maria das Jesuskind. Dieses stösst eine Lanze mit Kreuz in den Kopf der Schlange. Die ganze Szenerie ist von Putti und einem Wolkengefüge umspielt.
Die Bezeichnung «Maria vom Siege» soll auf die Seeschlacht von Lepanto anno 1571 zurückgehen, als die vereinigten christlichen Seemächte unter Papst Pius V. die Osmanen siegreich schlugen. Pius’ Nachfolger Gregor XIII. stiftete den Gedenktag «Maria vom Siege», welcher wenige Jahrzehnte später unter der Bezeichnung «Rosenkranzfest» weitergeführt wurde. In der Kunstgeschichte aber ist der Name «Maria vom Siege» erhalten geblieben. Auch als eigenständiges Patrozinium existiert die siegreiche Madonna – mehrere Kirchengebäude sind ihr geweiht, die bekanntesten stehen in Prag, Wien, Paris (Notre-Dame-des-Victoires) oder Rom (Santa Maria della Vittoria).
Die sehr dynamische, gelungene Darstellung «Maria vom Siege» in der Zuger Liebfrauenkapelle dürfte das Werk des Zuger Malers Johann Kaspar Muos (1774–1835) sein. Er zeichnet auch verantwortlich für die Darstellung Joachims und Annas am linken Seitenaltar. (Andreas Faessler)
HinweisMit «Hingeschaut» gehen wir Details mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach. Frühere Beiträge finden Sie online unter www.zugerzeitung.ch/hingeschaut.