1897 – Walchwyl am Gotthard

Brauchtum & Geschichte

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Die Strecke Zug–Goldau war das grösste Opfer der grossen Eisenbahnkrise 1875–1879. Gleichzeitig mit Thalwil–Zug wurde im Sommer 1890 auch der Bau von Zug–Goldau endlich beschlossen. Walchwil bekam Anschluss an die Gotthardbahn.

  • Das Hochwasser vom 14./15. Juni1910 führte zu diesem eindrücklichen Dammrutsch zwischen Hörndli und Grafstatt. Kaum zu glauben: Innerhalb von 6 Tagen wurde eine «Gerüst-Brücke» aus Holz erstellt und die Züge fuhren wieder. 1910 wurde noch mit Dampfloks gefahren, die deutlich leichter als die späteren Elektroloks waren. (Bild Glasplattensammlung Bibliothek Zug)
    Das Hochwasser vom 14./15. Juni1910 führte zu diesem eindrücklichen Dammrutsch zwischen Hörndli und Grafstatt. Kaum zu glauben: Innerhalb von 6 Tagen wurde eine «Gerüst-Brücke» aus Holz erstellt und die Züge fuhren wieder. 1910 wurde noch mit Dampfloks gefahren, die deutlich leichter als die späteren Elektroloks waren. (Bild Glasplattensammlung Bibliothek Zug)
  • So sieht die Stelle des Dammrutsches heute aus. 1911 erstellte die SBB ein solid fundiertes Lehnenviadukt, das bis heute Bestand hat und beim Doppelspur-Ausbau weiter verwendet werden konnte. Die «Wiederherstellung des Bahnkörpers» kostete 40’207 Franken. (Bild Martin Stuber)
    So sieht die Stelle des Dammrutsches heute aus. 1911 erstellte die SBB ein solid fundiertes Lehnenviadukt, das bis heute Bestand hat und beim Doppelspur-Ausbau weiter verwendet werden konnte. Die «Wiederherstellung des Bahnkörpers» kostete 40’207 Franken. (Bild Martin Stuber)
  • Ende 1895 konnte endlich mit dem Bau der Bahnhofsanlage begonnen werden. Im Hintergrund wird an der Erstellung des Planums gearbeitet, wie die horizontal ohne Gefälle ausgerichtete Fläche der Bahnhofsanlage bezeichnet wurde. (Bild Glasplattensammlung Bibliothek Zug)
    Ende 1895 konnte endlich mit dem Bau der Bahnhofsanlage begonnen werden. Im Hintergrund wird an der Erstellung des Planums gearbeitet, wie die horizontal ohne Gefälle ausgerichtete Fläche der Bahnhofsanlage bezeichnet wurde. (Bild Glasplattensammlung Bibliothek Zug)
  • Keine Ruhe auf dieser Strecke – beim grossen Hochwasser von 1934 brach der Damm beim Walchwiler Hörndli quasi in sich zusammen – das Material floss aus dem Durchgang über die Strasse in den See. Die Stelle befindet sich 200 Meter weiter südlich des Dammrutsches von 1910, bei der heutigen Haltestelle Hörndli. (Bild Bildarchiv ETH)
    Keine Ruhe auf dieser Strecke – beim grossen Hochwasser von 1934 brach der Damm beim Walchwiler Hörndli quasi in sich zusammen – das Material floss aus dem Durchgang über die Strasse in den See. Die Stelle befindet sich 200 Meter weiter südlich des Dammrutsches von 1910, bei der heutigen Haltestelle Hörndli. (Bild Bildarchiv ETH)
  • Der Situationsplan von 1876 zeigt den ursprünglich geplanten Streckenverlauf mit der Station «Walchwyl». (Bild SBB-Historic, Scan Stuber)
    Der Situationsplan von 1876 zeigt den ursprünglich geplanten Streckenverlauf mit der Station «Walchwyl». (Bild SBB-Historic, Scan Stuber)
  • Der Bahnanschluss brachte einen Schub für den Tourismus in «Walchwyl», wie diese Postkarte eindrücklich zeigt. Im Zentrum die Bahnanlage. (Bild Gemeindearchiv Walchwil)
    Der Bahnanschluss brachte einen Schub für den Tourismus in «Walchwyl», wie diese Postkarte eindrücklich zeigt. Im Zentrum die Bahnanlage. (Bild Gemeindearchiv Walchwil)

Zug (Kanton) – Als 1876 die Gotthardbahn in finanzielle Schieflage geriet, waren die Baupläne für Zug–Arth bereits erstellt. Die Blaupause (Arbeitskopie des Originalplanes) für die ganze Strecke findet sich bei SBB Historic. Und auch der Situationsplan im Massstab 1:5000.

Beide Pläne sorgen für eine Überraschung.

Gotthardbahn mit Bahnhof Zug Süd

Die Gotthardbahn (G. B.) plante einen eigenen Zuger Bahnhof auf dem Areal des ehemaligen Kantonsspital beim Frauenstein. Diese Lage war auf das Bedürfnis einer Durchmesserlinie Richtung Zürich ausgerichtet.

In seinem «Bericht über die Ausmittlung der Bahnachse und des Längenprofils der Gotthardbahn» vom Januar 1876 beschreibt Oberingenieur Wilhelm Hellwag die Strecke «Zug–Arth» und bringt eine interessante Begründung für den neuen Bahnhof Zug Süd: «Es ist nämlich wohl vorauszusehen, dass – sowie der Verkehr von Zürich zum Gotthard in Zukunft ausschliesslich über Thalweil und Zug gehen wird – der Verkehr von Zürich nach Luzern auf der bestehenden Bahn nicht mehr den Weg auf dem Stockgeleise nach Zug und zurück, sondern direct, an demselben vorüber einschlagen wird, und dies allein schon deshalb, weil sonst die Reppischthalbahn ihren Verkehr fast gänzlich verlieren würde. Zwischen beiden derart durchgehenden Verkehrsrichtungen wird aber durch einen zwischen den Stationen Cham und Zug verkehrenden Localzug vollständig regelmässige Verbindung hergestellt und Zug auch mit Luzern verbunden werden.» Zug hätte also einen zweiten Bahnhof bekommen!

Alles auf 435 m ü. M.?

Und weil in Oberarth die grosse Bahnstation in der Ebene – vor dem Eingang zum Goldauer Tunnel – erstellt worden wäre, hätte die Strecke Zug–Arth ab Lothenbach einen anderen Verlauf genommen. Dazu nochmals Hellwag: «Der Bahnhof Zug hat eine Länge von 700 Meter und liegt in der Meereshöhe von 433, also 16 Meter über dem Wasserspiegel des Zuger-See’s. Fast die ganze Linie bis Arth kann ohne Schwierigkeit horizontal geführt werden, nur beim Austritte aus der Station Zug und bei der Einfahrt in die Station Arth kommen kurze Steigungen vor. Auf 11,525 Meter Länge behält die Bahn das Niveau von 435, oder 18 Meter über dem See; dieses Niveau schneidet überall günstig an die Lehne des Seeufers an, und hält die Bahn sowohl von den Häusern der am See liegenden Ortschaften, wie von den Communicationen, und endlich auch vom Seeufer hinlänglich fern, um sie vor den Abrutschungen sicher zu stellen, welche nicht selten am Uferrande vorkommen.»

Es kam anders – «Zug–Arth» und «Thalweil–Zug» fiel vorerst der grossen Eisenbahnkrise zum Opfer. Weil die G. B. 1882 ihre Linie Immensee–Brunnen über den «Goldauer Schutt» mit der Station Goldau führte, musste ab Lothenbach eine andere Linienführung gewählt werden, welche die Höhe des Bahnhof Goldaus mit 11 bis 13 Promille Steigung erreichen konnte.

Für das Dorf Walchwil schildert Leo Hürlimann in seinem originellen und informativen Büchlein «In Walchwil dem zugerischen Nizza» die Folge dieser Streckenführung «Die Ansichten über eine tiefere oder höher gelegene Bahnanlage waren in Arth und Walchwil ganz verschieden. Der Entscheid zugunsten der hohen Variante fiel im Jahre 1893 zugunsten von Walchwil und gab den Walchwilern Anlass, den Bahnbau in ulkiger Form als Fastnachtsumzug zu feiern.»

Der Baustart verzögert sich

Der Seufzer des Zuger Regierungsrates ist vernehmbar in seinem Rechenschaftsbericht 1890: «Nach langwierigen Verhandlungen ist endlich im Berichtsjahre die Frage betreffend den Bau der nördlichen Zufahrtslinien zum Gotthard zur endgültigen Erledigung gelangt.» Mit den «Tunnel- und Erdarbeiten» für Zug–Goldau sei gemäss Beschluss Bundesversammlung bis zum 1. April 1891 zu beginnen.

Die Regierung hatte aber eine Vorahnung, sie schrieb nämlich: «Wir verlangten von der Direktion Gotthardbahn wie der Nordostbahn, dass die Bahnhoffrage in Zug möchte erledigt werden. Von beiden Seiten langten ausweichende Antworten ein.»

Tatsächlich sollte der Baustart für Zug–Goldau noch vier Jahre dauern – erst am 25. April 1895 begannen die Erdarbeiten «am nördlichen Tunneleingange bei Zug», wie das Zuger Volksblatt (ZVB) in seiner Ausgabe vom 7. Mai 1895 schreibt. Die Zeitung geht im Artikel ausführlich auf das neueste Fristerstreckungsbegehren der Gotthardbahn ein.

Vorangegangen war ein wüster, öffentlich ausgetragener Streit zwischen Regierung, Stadtrat und G.B. über die Gründe für die Verzögerungen. Wie wir wissen, vergingen fast drei Jahre bis zum Entscheid bezüglich des Bahnhofs Zug, der auch die Linienführung der Gotthardbahn innerhalb der Stadt Zug betraf. Langwierige Auseinandersetzungen über die Art der Durchquerung der Stadt (Damm oder Viadukt) folgten. Danach sorgte die Beschaffung des Baulandes für grosse Probleme.

Kampf um das Bauland

Wer wie der Schreibende die diesbezüglichen Akten in den Händen gehabt hat, kann diese Probleme quasi mit Händen greifen. Die Dokumente geben auch einen Eindruck, wie viele Landbesitzende betroffen waren. Das im Gemeindearchiv Walchwil vorgefundene «Flächenverzeichnis der Gemeinde Walchwyl» vom 30. Dezember 1892, welches die Bahnstrecke von « Kil. 6,925 bis Kil. 10,280» abdeckt und vom Oberingenieur der G. B. Antonio Schrafl unterschrieben ist, zählt 36 Seiten und behandelt darin 66 «Plannummern».

Jede Plannummer ist einem Eigentümer oder einer Eigentümerin zugeordnet und umfasst verschiedene Parzellenstücke. So musste z. B. Melchior Hürlimann von der Grafstatt 8’658 Quadratmeter abtreten. Gemäss dem «Bundesgesetz betreffend die Verbindlichkeit zur Abtretung von Privatrechten vom 1. Mai 1850» hatte die Gotthardbahn für ihre Bahnstrecke das Recht zur Zwangsenteignung, aber natürlich gegen Entschädigung. Ohne Einigung von Verkäufer und Käufer ging es vor die Eidgenössische Schätzungskommission, dann bestand die Möglichkeit zum Weiterzug vor das Bundesgericht. Die Schätzungskommission nahm jeweils einen Augenschein vor Ort.

Die dickste Mappe zum Bahnbau im Walchwiler Gemeindearchiv betrifft Landgeschäfte, sehr viele davon sind Bundesgerichtsentscheide. Dabei ging es vor allem um den Landpreis, aber nicht nur – verschiedene Dienstbarkeiten, Wasserumleitungen, Strassenumleitungen, Durchlässe, Schadenersatz für versiegende Brunnen und anderes mehr waren auch Vertragsbestandteile.

Viel Wasser im Hang …

Als dann endlich mit dem Bau begonnen werden konnte, sorgte das Wasser für Ärger. Der bereits zitierte frühere Oberingenieur der Gotthardbahn, Wilhelm Hellwag, hatte auch profunde geologische Kenntnisse und bevorzugte deshalb eine tiefe Linienführung der Strecke Zug–Arth. Die Station Goldau erzwang eine andere, ab Lothenbach ansteigende, höher geführte Trassierung. Dies verstärkte die Probleme beim Bau, obwohl die Gotthardbahn gewarnt war.

Wir zitieren nochmals Leo Hürlimann: «Beim Beginn der Arbeiten wurden sowohl die Unternehmer, wie der von der Gotthardbahngesellschaft gestellte Oberingenieur Koller mancherorts von den Bauern darauf aufmerksam gemacht, dass Wasser im Boden vorhanden sei, das zuerst abgeleitet werden sollte. Ingenieur Koller kannte hierauf nur eine Bemerkung: ‹Was wissen wohl diese dummen chaiben Bauern.› Die Missachtung dieser Warnungen (…) hatte zur Folge, dass der Bahnbau auf dem Gebiete der Gemeinde Walchwil den Voranschlag um zirka eine Million überschritten haben soll.»

Das Wasser im oft steilen Moränenhang sorgte für Hangrutsche, welche das Trassee zuschütteten, und für Dammrutsche, die teilweise auch die Uferstrasse verschütteten. Am schlimmsten traf es den Abschnitt bei St.Adrian, wo die Gotthardbahn. kurzfristig statt des Dammes ein Viadukt erstellen musste.

Der Hang rutscht immer wieder

Im Winter/Frühling 1896/97 rapportierten die «Zuger Nachrichten» (ZN), welche offenbar über einen Korrespondenten in Walchwyl verfügten, in fast jeder Nummer den Stand der Bauarbeiten zwischen Zug und Goldau respektive die vielen Probleme im Gelände. Am 7. April 1897, also erst knapp zwei Monate vor dem geplanten Eröffnungstermin, gab die ZN schliesslich Entwarnung: «Am bedeutendsten ist unstreitig die Schwierigkeit bei St.Adrian. Bekanntlich hat die Gotthardbahn sich entschliessen müssen, an fragl. Stelle den im Bau begriffenen teilweise zerrissenen Damm, der eine bedeutende Rutschung des Terrains bis an den See hinunter zur Folge halte, durch einen Viadukt zu ersetzen. Der diesfällige Bau wird bis im August vollendet sein. Um nun aber die Eröffnung der Linie auf 1. Juni gleichwohl zu ermöglichen, hat die G.-B. Direktion die provisorische Verlegung des Trace an dortiger Stelle bergwärts angeordnet. Die Bahn soll dort auf einer in entsprechender Höhe aufzuführenden Holzkonstruktion einstweilen erfolgen. Dies letztere ist bereits erstellt und hat die Probe jetzt schon in der Weise zu bestehen, dass gegenwärtig schon über diesen aus Holz konstruirten Viadukt die G.B. mit schweren Maschinen Materialzüge hin und her führt. Ungünstige Witterung vorbehalten, dürfte mithin auch die Eröffnung von Zug–Goldau rechtzeitig also am kommenden 1. Juni erfolgen.»

Im Geschäftsbericht für das Jahr 1895 schildert die Gotthardbahn anschaulich die Situation aus ihrer Sicht: «Für die kurze Teilstrecke Gasstraße-Aegeristrasse waren die Entscheide bis Mitte Januar 1895 eingegangen, leider ohne dass damit die der Inangriffnahme des Baues entgegenstehenden Hindernisse beseitigt gewesen wären. Bis auf wenige Ausnahmen wurde gegen die Urteile der Schatzungskommission Berufung beim Bundesgericht eingelegt; wo Gebäude in Frage kamen, musste deshalb mit deren Niederlegung zugewartet werden, bis die Experten der letzten Instanz davon Einsicht genommen hatten; in fünf Fällen wurde die Baubewilligung von den Eigentümern verweigert, in dreien waren wir genötigt, die Intervention des Bundesrates nachzusuchen, um das Bauterrain frei zu machen. (…) Nicht nur hier, sondern auf der ganzen Baustrecke im Kanton Zug war die Expropriation eine ausserordentlich mühsame und langwierige Arbeit.

Nur in ganz wenigen, zumeist unbedeutenden Fällen (4 in der Gemeinde Zug und 2 in der Gemeinde Walchwyl) kamen gütliche Käufe zu stande, alle übrigen mussten der eidg. Schatzungskommission zugewiesen werden, welche die Augenscheinsverhandlungen auf dem Territorium von Zug im April, auf demjenigen von Walchwyl im Mai vorigen Jahres vornahm und ihre Entscheide hierüber vom Juni bis Oktober abgab, während einzelne Urteile aus der Campagne vom Herbst 1894 erst im Juli 1895 erlassen wurden. Noch im August musste uns der Bundesrat in den Besitz einer grössern Parzelle bei der Stadt Zug einweisen. (…) Im Kanton Schwyz, d. h. in der Gemeinde Arth, verliefen die gütlichen Kaufsverhandlungen, welche wir ohne Verzug einleiteten, nachdem der h. Bundesrat die Pläne für den Gemeinschaftsbahnhof Arth–Goldau am 25. Januar 1895 genehmigt hatte, nicht so resultatlos wie im Kanton Zug.»

Nicht nur der Bau war von den schwierigen Verhältnissen in den westlichen Flanken des Zugerberges betroffen, sondern auch der Betrieb nach der Eröffnung der Strecke. 1910 suchte ein grosses Hochwasser Teile der Schweiz heim, auch den Kanton Zug. Das «Zuger Volksblatt» berichtete am 16. Juni 1910: «Walchwil. Von hier kommt die Meldung, dass bei der Grafstatt der Bahndamm gerutscht ist und die Eisenbahnschienen frei in der Luft hängen. Die Eisenbahnzüge verkehren seit heute morgen nicht mehr.» Doch schon am 21. Juni war in den ZN unter «Walchwil – Eingesandt» folgendes zu lesen: «Mit heute morgen hat die Bahn den vollen Personen- und Güterverkehr wieder aufgenommen. Gegenüber leichtfertigen, herumgebotenen Gerüchten ist zu konstatieren, dass auf unserm Gemeindegebiet dem See entlang ausser der Stelle bei der Grafstatt keinerlei Rutschungen oder Senkungen vorgekommen sind. — Das Versinken der Strasse bei der Grafstatt ist dahin zurückzuführen, dass der mangelhaft angelegte Bahndamm infolge des Hochwassers ins Rutschen kam und die unterhalb liegende Strasse einfach in den See hinaus drückte, ähnlich wie vor zwei Jahren am Schattenberg bei Arth.»

Dass die SBB, welche 1909 die Gotthardbahn übernommen hatte, innert sechs Tagen eine Notbrücke aus Holz erstellt haben muss, rang einem dazu befragten SBB Ingenieur grosse Bewunderung ab! Wenigstens befand sich gleich in der Nähe eine grosse Sägerei.

Walchwil in der Welt

Wohl wegen der eigentlich noch gar nicht fertigen Strecke wurde die Einweihung von Zug–Goldau nur mit einer bescheidenen Feier begangen, ganz im Gegensatz zur Eröffnung von «Thalweil–Zug» einen Tag später. Die ZN schrieb am 26. Mai 1897: «Zug. Gotthardbahn. Die Feier zur Eröffnung der nördlichen Zufahrtslinien findet nächsten Sonntag, den 30. ds. statt. Dieselbe wird im Rahmen einer einfachen Feier gestaltet sein, jedes Zeremoniell soll vermieden werden. (…) Das Programm lautet: Sonntag vormittags 10 Uhr 40 Min. Zusammenkunft der Teilnehmer im Bahnhof Luzern, Wartesaal I. und II. Klasse; 10 Uhr 55 Min. Abfahrt mit Extrazug über die neue Linie nach Goldau; nachmittags 1 Uhr Abfahrt von Goldau über Walchwyl nach Zug; 1 Uhr 50 Min. Rückfahrt von Zug über Goldau und Küssnacht nach Luzern; 4 Uhr Festessen im Schweizerhof in Luzern.»

Walchwyl liess es sich nicht nehmen, «anlässlich der Eröffnung der Bahnlinie eine bescheidene Feier zu veranstalten und wird eine zu diesem Zwecke aus einheimischen und zugezogenen Kräften gebildete Musik den ersten Zug am Bahnhofe mit ihren Produktionen empfangen», wie das «Zuger Volksblatt» schrieb.

Auf die Bevölkerungszahl hatte die Eisenbahn wenig Einfluss. In den zehnjährlichen Volkszählungen zwischen 1860 und 1930 stagniert die Einwohnerzahl von Walchwil zwischen 1030 und 1072 Personen. Im gleichen Zeitraum sind alle anderen Zuger Gemeinden gewachsen, am wenigsten Hünenberg und Neuheim, weitaus am stärksten Cham und Zug mit 171 Prozent respektive 188 Prozent Wachstum.

Aber Walchwil an der Zuger Riviera war definitiv in der neuen Welt angekommen. Und die SBB hat ein Bahnstrecke «am Hals», die bis zum heutigen Tag einen aufwendigen Unterhalt erfordert und immer wieder Probleme bereitet. (Text von Martin Stuber)

Hinweis Martin Stuber forscht zur Geschichte der Eisenbahn mit Schwerpunkten Eisenbahn im Kanton Zug, Gotthardbahn und Eisenbahnkrise 1875–1879. Der Autor betreibt einen Blog: www.eisenbahngeschichte.ch