Wo Künstler mit Raffaels Engel träumen

Kunst & Baukultur

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14 Künstler haben sich Gedanken darüber gemacht, was Raffaels kleiner Engel so alles sehen könnte. Das Er­gebnis ist bunt und humorvoll.

  • 3 von 14 Künstlern in der Kunststube Beat O. Iten: Elena V. Brentel, Wolfgang A. Suttner und Annemie Lieder (v. l.). (Bild Werner Schelbert)
    3 von 14 Künstlern in der Kunststube Beat O. Iten: Elena V. Brentel, Wolfgang A. Suttner und Annemie Lieder (v. l.). (Bild Werner Schelbert)

Zug – Die Idee hatte Galerist Beat O. Iten schon lange. Nur war er bislang nach eigener Aussage «jedes Jahr ein bisschen zu spät dran». Doch heuer hat er vorgesorgt: Bereits im Juli fragte er zahlreiche Künstler an, bei einem ganz speziellen Projekt dabei zu sein. Er schickte allen Künstlern zehn blütenweisse Blätter zu, nur einer von Raffaels Engeln war jeweils im linken unteren Eck aufgedruckt mit verträumt-verdrossenem Blick. Das Motto lautete: «...zeigen,was Raffaels Engel alles sieht!»

Das Ergebnis ist recht humorvoll geraten. Beat O. Iten erzählt denn auch: «Die meisten fanden die Idee originell.» Und das eine oder andere Bild sei «huere lustig» herausgekommen, beispielsweise die «Heiri-Haribo» von Heiri Scherer. In der Tat: Hier schweben bunte Gummibärchen über dem Engelchen nach oben, verziert vom Schriftzug «Haribo macht Engel froh». Der Galerist ist rundum zufrieden und kündigt an: «Es wird auch noch ein Buch zur Ausstellung geben bis zur Finissage am 20. Dezember sollte es fertig sein.»

Nicht mehr wegzudenken

Raffaels kleine Engel sind natürlich bekannt dafür, die Menschen in ihren Bann zu ziehen. Die beiden Puttenfiguren, ursprünglich zu sehen am unteren Bildrand von Raffaels «Sixtinischer Madonna», sind aus Werbewirtschaft und Alltagskultur gar nicht mehr wegzudenken schon gar nicht vor Weihnachten. Doch auch das gesamte Renaissance-Gemälde, das von Raffaello Santi 1512/13 für den Hochaltar der Klosterkirche San Sisto in Piacenza geschaffen wurde, hat seit jeher seine grossen Fans. So war es das Lieblingsgemälde Dostojewskis, der auf die Frage, warum er dieses Kunstwerk so oft und so lange betrachte, einmal geantwortet haben soll: «Damit ich am Menschen nicht verzweifle.»

Jeder hat seine Lieblingsbilder. Geht man durch die aktuelle Engelausstellung, weiss man auch bald, welches wohl Heiri Scherers liebstes Bild sein muss. Denn neben den Haribo-Engelchen ziert eine weitere Zeichnung des Zuger Künstlers die Wand. Eine schmale Frau mit Zigarette und Halskette ist darauf zu sehen. Darüber der Schriftzug, in Anlehnung an Félix Vallottons berühmtes Gemälde «La Blanche et La Noire» von 1913: «La Blanche et la Noire et l’Ange». Ein Engel noch dazu das kann nicht schaden.

«Demokratisch»

Auch Werner Iten beschriftet seine Zeichnungen gerne. «Zweitens: Du sollst dir kein Bild machen», steht über einem Engelchen. Über dem nächsten ist zu lesen: «Bitte! Kann ich ein Paar sein.» Ja, er fehlt halt schon auf den vielen Bildern dieser Ausstellung, der zweite kleine Engel von Raffaels Gemälde. Insgesamt hängen von jedem der 14 Künstler fünf Bilder an den Wänden der Kunststube A4. «Ganz demokratisch», sagt Gisela Bitterli Jochimsen, die auch die Preise demokratisch findet: 250 Franken kostet jedes Bild, mit Rahmen 300. Von Gisela Bitterli Jochimsen ist beispielsweise die altbekannte «breite Dame» zu sehen, ausgestattet mit einem Dreizack, die gerade ein Teufelchen gen Himmel schickt. Verwendet hat die Künstlerin Tusche, Bleistift und Monodruck: «Fürs Ungenaue.» Bei Elena von Brentel wiederum krabbeln unheilvolle rote Ameisen übers schöne und friedliche Weiss.

Es muss nicht immer alles ernst sein

Silvy Appel lässt ihren Engel von Bänkern mit Engelsflügeln träumen oder stellt eine Packung Ariel neben das unschuldige Engelchen, darüber eine Wäscheleine mit Geldscheinen. Werner Gadliger zeigt den vertrauten «Kunibert Kraushaar mit seinem Schutzengel».

«Kunst bleibt Kunst«, findet der Grafiker Alois Günther und stellt über seinen Engel einen träumenden Gipsengel der Art, wie man sie derzeit überall sieht. Ein schönes Bild findet Günther für die «subventionierte Kunst»: Ein goldenes Ei gesellt sich zu vielen weissen. Alois Günther sagt: «Ein vorgegebenes Thema zeitigt immer interessante Ergebnisse. Schön finde ich, dass die Bilder so humorvoll geraten sind. Es muss nicht immer alles so ernst sein.» (Susanne Holz)

Hinweis
«... zeigen, was Raffaels Engel alles sieht!», in der Kunststube A4, Kirchenstrasse 2, Zug. Geöffnet: Di, Do, Fr 912 und 14–18 Uhr, Sa 9–13 Uhr. Apéro am Samstag, 6. Dezember, von 11 bis 14 Uhr. Finissage am Samstag, 20. Dezember, von 11 bis 14 Uhr.