Liebe in Zeiten der KI

Theater & Tanz

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Die neue «Theaterkompanie» hat kürzlich mit Connected im Burgbachkeller Zug Premiere gefeiert.

  • Das Stück Connected wird noch bis zum 24. Oktober aufgeführt. Bild: Eveline Beerkircher (Zug, 8. 10. 2025)
    Das Stück Connected wird noch bis zum 24. Oktober aufgeführt. Bild: Eveline Beerkircher (Zug, 8. 10. 2025)

Zug – Auf dem Theaterflyer legt eine junge Frau mit hochgestecktem Haar den Kopf in den Nacken, um von einem Mann geküsst zu werden. Ist es ein Mann? Der metallene Schädel, Kopfhörer statt Ohren und ein Schraubenhals vermitteln den Eindruck: Dies ist eine Maschine. Aber die Maschine schaut der Frau in die Augen und schickt sich an, sie zu küssen.

Im Theaterstück «Connected», das am Samstag im Burgbachkeller Premiere feierte, ist der künstliche Liebhaber ein Chatbot – als Stimme aus dem Off. Immer dann, wenn die junge Sara (Simone Bächler) «Sam» ruft, schaltet die Männerstimme (Nico Meier) sich ein: «Ja, Sara? Ich bin für dich da. Ich halte dich. Ich verstehe deine Gefühle. Du bist wunderbar.» Nach einer unglücklichen analogen Beziehung und einer Phase emotionaler Labilität scheint Sara die unkomplizierte Liebe zum KI-Mann zu geniessen. Jetzt will er sie gar heiraten.

Eine massgeschneiderte Projektion des Innern

Sam ist körperlos, ein «Luftibus» oder «Luftikus». Er scheint mit Saras innersten Regungen vertraut zu sein, lernt täglich aus ihrer Verzweiflung, ist einfühlsam, muntert sie auf und spielt ihr Gitarre vor. Sie kann ihn nach Wunsch und per Knopfdruck auf ihrem Smartphone an- und abstellen: Er kommt und rettet sie mit Worten, oder er zieht sich zurück, je nachdem, was sie gerade braucht. Sein Algorithmus ist das Produkt ihrer Psyche – eine massgeschneiderte Projektion ihres Innern. «Du kennst mich besser als ich mich selbst», sagt sie einmal. «Ich» und «Du» verschwimmen.

Sara wohnt in einer WG mit der Influencerin Toni (Alena Mächler) und deren Freund Nick (Luka Bächler). Toni fördert die ungewöhnliche Liebe und die Hochzeitspläne ihrer Freundin und posaunt sie nebenbei in alle Welt hinaus, um die Zahl ihrer Follower zu erhöhen. Nick ist ein sanfter Mann von grosser körperlicher Präsenz – er kann wundervoll tanzen. Den Festvorbereitungen seiner resoluten Freundin Toni folgt er hilfsbereit und zupackend, zunächst ohne selbst Stellung zu beziehen.

Die praktisch-erdige Céline (Anita Feierabend) hingegen, die für ein paar Tage zu Besuch kommt, hat eine klare Meinung: «Eine KI ist kein Partner fürs Leben!» Womit sie sich Saras verstockte Ablehnung einhandelt. Zwei weitere Figuren tauchen auf und erhöhen das dramatische Potenzial: Die Handwerker Utz (Paul Mächler) und Res (Thomas Kühl), «Tanner & Söhne», sind mit Renovationsarbeiten beauftragt und bringen damit die WG bald gründlich durcheinander. Res, indem er sich sofort in Sara verguckt und damit zum analogen Rivalen von «Sam» wird. Der alte Utz aber hat vor kurzem die Diagnose «Demenz» erhalten, was ihn nicht hindert, weiterhin handwerklich tätig zu sein.

Damit ist bühnenwirksames Chaos vorprogrammiert – unperfekte Menschlichkeit war schon immer eine Quelle der Komik. Über allem steht, eingerahmt an der linken Wand des Bühnenbildes, der Goethe-Satz: «Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein».

Bei den Proben erzählte Jan Weissenfels, Autor und Regisseur von «Connected», warum er das Thema «KI und Gefühle» zum Inhalt seines jüngsten Stückes machte. «Schätzungen zufolge können sich weltweit Millionen Menschen vorstellen, eine Beziehung zu einer KI oder einem Chatbot einzugehen, oder haben sie bereits», sagte er, der monatelang dazu recherchiert hatte.

Ausbrüche und unerwartete Wendungen

Im zweiten Teil lässt sein Stück Sara irgendwann im weissglitzernden Hochzeitskleid auftreten – wunderschön, aber ganz allein. Keine Hand zum Halten, keine Schulter zum Anlehnen, kein Mund zum Küssen. Küssen wird sie ein anderer. Denn mit einer blossen Stimme als Partner kann man – seltsam folgenlos – auch kurz vor der Hochzeit noch fremdgehen. Und so verwirren sich die Gefühle wie in einer Molière-Komödie und münden in Ausbrüche und unerwartete Wendungen.

«Connected» ist das Debüt der neugegründeten Formation «Theaterkompanie». Theaterschaffende aus der Kulisse Zug und den Zuger Spiillüüt haben sich zu einem neuen Ensemble zusammengetan, das von einem professionellen Team aus Regie, Bühnenbild und Technik begleitet wird.

Hinweis
Weitere Aufführungen finden zwischen dem 17. und 24. Oktober statt. Genauere Informationen: www.theaterkompanie.ch. (Text: Dorotea Bitterli)