Schon vor 2000 Jahren drehte es sich

Brauchtum & Geschichte

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Archäologische Funde in Hagendorn in den 1940er-Jahren förderten Einzigartiges zutage, darunter auch römische Wasserräder.

  • Eines der drei römischen Wasserräder, die in Hagendorn in Betrieb waren, ist nachgebaut worden. (Bild Matthias Jurt)
    Eines der drei römischen Wasserräder, die in Hagendorn in Betrieb waren, ist nachgebaut worden. (Bild Matthias Jurt)

Hagendorn – Wo gebaut wird, wird gegraben. Und wo gegraben wird, besteht die Wahrscheinlichkeit, auf Zeugnisse früherer Besiedlung zu stossen. Im Kanton Zug ist das in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder geschehen. Zahlreiche Funde gaben und geben Aufschluss über vorgeschichtliche, römische, mittelalterliche und auch spätere Siedlungs- und Gesellschaftsformen.

Bei Grabungsarbeiten anno 1944 im westlichen Teil Hagendorns – im Bereich der heutigen Fensterfabrik – stiess man auf mutmassliche archäologische Funde. Unverzüglich wurde Kantonsarchäologe Michael Speck (1880–1969) herangezogen. Der Zuger hatte sich seit 1920 mit der archäologischen Erforschung des Zugerseeufers hervorgetan. Seine Privatsammlung brachte er als Grundinventar in das 1930 gegründete heutige Museums für Urgeschichte(n) in Zug ein.

Eine Mühle als Teil eines römischen Gutshofes

Speck untersuchte die knapp einen Meter unter der Erdoberfläche zum Vorschein gekommenen Relikte. Er identifizierte im Zuge dessen einen alten Wasserlauf der Lorze. Daneben fanden sich Keramikteile aus den ersten drei Jahrhunderten nach Christus sowie Reste von Mühlsteinen, eine Radnabe und Balken eines Gebäudes aus der Zeit um 150 nach Christus. Diese Funde, konzentriert an einer Stelle, liessen auf eine römische Mühle schliessen, welche als Teil eines Gutshofes im Bereich des heutigen Chamer Ortsteils Hagendorn betrieben worden war. Verkohlte Holzfragmente legten nahe, dass die Mühle einem Brand zum Opfer gefallen war.

Eine Rekonstruktion der Eichenholzfragmente zeigte auf, dass hier drei Schaufelräder vorhanden gewesen sein mussten. Dieser Fund war insofern eine kleine Sensation, als römische Wasserräder europaweit bislang nur selten nachgewiesen werden konnten. Und die in Hagendorn gefundenen Überreste gehören zu den besterhaltenen ihrer Art.

Anfang der 1990er-Jahre schlug Walter Drack (1917–2000), Archäologe und Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege, vor, eines der Wasserräder der Hagendorner Mühle zu rekonstruieren. Der Chamer Gemeinderat hiess dieses Projekt 1991 gut und beauftragte eine Wagnerei im aargauischen Niederrohrdorf mit dem Nachbau des grössten der drei Mühlenräder. Die genauen Pläne dafür hatte Adolf Gäh­wiler (1912–2006) erstellt. Er galt als einer der ersten und kompetentesten Schweizer Fachmänner in Mühlenkunde.

Ende 1992 konnte das in seiner Originalgrösse von 2,30 Metern Durchmesser rekonstruierte Wasserrad montiert werden. Als Standort wurde das heutige Lorzenufer entlang der Frauentalstrasse neben dem Spielplatz gewählt – knapp 150 Meter vom Fundort der römischen Mühle entfernt. Mit den Jahren war die Konstruktion etwas marode geworden und verursachte Lärm, was man in der unmittelbaren Nachbarschaft mitunter störend empfand.

Ein Fachmann liefert die Baupläne

2008 unterzog man das Rad einer Restaurierung. Seither dreht es sich hier munter und geräuscharm unter seiner Holzverdachung, angetrieben von Lorzenwasser, welches mit Solarenergie in den darüberliegenden Zulauf gepumpt wird. Weitere Grabungsarbeiten zu Beginn dieses Jahrtausends zeigten auf, dass die römische Mühle Teil eines geschlossenen, gewerblich genutzten Gebiets war, zu dem auch Schmieden sowie ein Heiligtum gehörten. Ein weiterer exakter Nachbau des Hagendorner Wasserrads steht übrigens beim Aufgang zum Museum für Urgeschichte(n) an der Hofstrasse in Zug. (Text von Andreas Faessler)

Hinweis
In der Serie «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fund­stücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.