Drifting Time

Film & Multimedia, Musik

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Der Zuger Musiker und Game-Designer Andi Bissig hat für uns ein Stück seines Musikspiels ausgekoppelt und erlebbar gemacht. Es ist gleichzeitig ein Stückchen Zeit, das er uns damit schenkt.

  • Drifting Time: Ein Spiel, das uns Zeit (und Musik) schenkt. (Game, Bild und Musik: Andi Bissig)
    Drifting Time: Ein Spiel, das uns Zeit (und Musik) schenkt. (Game, Bild und Musik: Andi Bissig)
Zug – Dieser Beitrag ist in der Januar/Februar-Ausgabe des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu den anderen Beiträgen.


Seit einigen Jahren beschäftige ich mich nun schon mit Musik und Games: Musik für Games, Games als Musikpromotion, Musikgames, interaktive Videoclips und was es sonst noch für mögliche Kombinationen gibt. Wie präsent die Thematik der Zeit dabei ist, fiel mir jedoch erst vor kurzem auf.
Den Stein ins Rollen gebracht hat Charles Eisensteins Buch «Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich». Darin las ich über lebensverzehrende, künstliche Zeitknappheit. Künstlich, weil wir für die Ansichten und Handlungen die zur Knappheit führen, selber verantwortlich sind, und lebensverzehrend, weil Knappheit zu mehr Konkurrenz und somit zu Unsicherheit und Stress führt.
Ich begann, mir Gedanken über meine Beziehung zu Zeit zu machen. Die lebensverzehrende Zeitknappheit ist mir wohlbekannt in Form von Deadlines oder Endprobenstress. Allerdings schätze ich auch die kreative Kraft der Zeit. So kann durch zeitliche Anordnung von Tönen zum Beispiel ein Rhythmus entstehen, der die tanzenden Menschen die Zeit vergessen lässt, oder ein Loop wird zum musikalisches Mantra, welches für den oder die Zuhörer*in das Gefüge von Raum und Zeit auflöst. Laut Eisenstein liegt die Problematik auch nicht in der Zeit selbst, sondern in ihrer Vermessung, die dazu führt, dass sie endlich und somit knapp wird. Inwiefern diese Erkenntnis Einfluss auf meine Tätigkeit als Musiker und Game-Designer hat oder ob ich mit der Zeit nun grundsätzlich anders umgehen möchte, muss ich erst noch herausfinden. Time will tell.

Fokus aufs Erkunden
Jedenfalls ist mir im Reflexionsprozess aufgefallen, dass sich die Thematik der Zeit schon öfters unbewusst in meine Projekte eingeschlichen hat. So auch im aktuellen Game, welches ich als Masterarbeit an der Zürcher Hochschule der Künste im Bereich Game Design entwickle. Intuitiv habe ich zum Beispiel dem Mond Zeiger aufgemalt, wodurch er zur surrealistischen Uhr wird, was dazu führt, dass das rhythmische Klicken in der Musik als Uhrenticken wahrgenommen wird. Ausgangslage für das Spiel war die Idee, Musikstücke in virtuell begehbare Räume und Landschaften zu übersetzen. Das Spiel legt den Fokus aufs Erkunden und nicht auf Action oder Geschicklichkeit. In der Folge schweiften die Blicke einiger Spieler*innen bei den ersten Tests immer wieder auf ihre Smartphones ab. Zum Zeitpunkt des Tests hatte ich Eisenstein noch nicht gelesen und machte mir keine Gedanken über künstliche Zeitknappheit, war aber gleichwohl fasziniert davon, dass jede Sekunde mit zu wenig Stimulation diese Leute zum Abschweifen verführte. Anstatt mehr Stimulation in mein Spiel zu packen, entschied ich mich, auf dem eingeschlagenen Weg zu bleiben und Themen wie Unaufgeregtheit, Abschweifung und Langeweile bewusst in mein Spiel zu integrieren. Vielleicht führt das ja sogar dazu, dass sich noch weitere Menschen über die Künstlichkeit der Zeitknappheit Gedanken machen werden.
Obwohl meine Zeit natürlich knapp war, habe ich es geschafft, eine kurze Sequenz aus dem Game auszukoppeln und für dich, liebe*r Leser*in, online spielbar zu machen. Ich bin gespannt, ob du bereit bist, von deiner knappen Zeit vier Minuten zu verwenden, um einfach mal durchzuatmen und ins Verstreichen der Zeit einzutauchen:
www.tr33game.com


Über den Künstler:
Andi Bissig ist Musiker und Game Designer. Er ist Saxophonist in der Band Extrafish und Mitglied von Micheal Fingers Avantgarde-Zirkus Cirque de Loin. Zur Zeit arbeitet er an TR33, der Verschmelzung von Solo-Album und Videospiel.   
www.andibissig.com