«Ich bin mutiger geworden»

Musik

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ESC-Star Zoë Më zeigt, wie spannend unaufgeregte Kunst sein kann.

  • Zoë Më sang in Kulturzentrum Galvanik Zug Deutsch und Französisch. Bild: Andréas Härry (Zug, 6. 6. 2025)
    Zoë Më sang in Kulturzentrum Galvanik Zug Deutsch und Französisch. Bild: Andréas Härry (Zug, 6. 6. 2025)

Zug – Eine Kamera, ein Scheinwerfer, kein einziger Bildschnitt: Der Song «Voyage» am Eurovision Song Contest in Basel begeisterte die Fachwelt. «Alle Komponisten des Wettbewerbes konnten ihren Favoriten bestimmen, da habe ich gewonnen», erzählt Zoë Anina Kressler, so ihr bürgerlicher Name, vor dem Konzert im Zuger Kulturzentrum Galvanik. Ihre Performance fiel in diesem von Licht- und LED-Wand-Hurrikans bestimmten Showumfeld völlig aus dem Rahmen.

In Zug zum ersten Mal in grosser Besetzung

In diesem Kontext ist der technische Aufwand im Galvanik-Kulturzentrum am Freitag fast ein technischer Overkill. In dezent spielendes Farblicht und viel Dunst gehüllt interpretiert die Sängerin ihr vor allem balladeskes Repertoire. Zum ersten Mal in «grosser Besetzung», auch mit Violine und Cello – feinfühlig gespielt von Mathilde Reymond und Eléonore Hirt.

Die in den Songs erzählten Geschichten drehen sich natürlich auch um Beziehungen, etwa um Eifersucht. «Je ne suis pas le loup», «Ich bin nicht der Wolf» singt Zoë einer fiktiven Freundin, die argwöhnisch die Sympathie ihres Freundes zur Interpretin beäugt. Ins gleiche Themen-Ressort gehört «Liste des Interdits», die «Liste der Verbote», wo zwei Frauen sich in den gleichen Kerl vergucken und sinnieren, was in einer solchen Lage alles erlaubt ist, ein eingängiger, melodiöser Song. Die selbstbewusste Frau wird in «Durch die Nacht» gefeiert, inspiriert von einer Solo-Joggerin, die in der Grossstadt Berlin allen Gefahren trotzt.

Vorab musikalisch auffallend sind die Songs «Lied ohne Ende» und «Overdose». Wobei Zoë präzisiert: «Ich bin eine Geschichtenerzählerin». Zuerst realisiert sie immer den Text, dann kommt die Musik drauf, «damit die Worte berühren».

Die schönste Sprache, die es gibt

Ihr Markenzeichen ist der fliegende Wechsel innerhalb der Lieder von Französisch zu Deutsch und zurück. Dies gründet in der Biografie der Künstlerin. Zoë, in Basel geboren und ein paar Jahre in Deutschland lebend, kam mit neun nach Fribourg, in eine deutschsprachige Klasse. «Französisch war aber für mich sofort die schönste Sprache, die es gibt», erzählt sie. Fürs «Collège» wechselte sie in eine Bilingue-Klasse, «c’était dur!», sagt sie lachend, «Wirtschaft und Recht waren meine ersten Fächer in der ‹neuen› Sprache, auch Philosophie schloss ich auf Französisch ab.»

Ihr erstes Lied schrieb sie mit 10. Erst nach der Mittelschule wagte sie sich an französische Texte. «Man riet mir ab, in beiden Sprachen zu singen, damit ‹verliere man das Publikum auf beiden Seiten›.» Sie hielt sich nicht daran. «In der Musik muss man ehrlich sein, also zog ich mein Konzept durch.»

Immer Herrin der Geschehnisse

Zoë mag für sich den Schwerpunkt auf die Texte legen. In der Galvanik machen aber auch musikalische Details Spass. So im Song «Dorienne Gris», wo ein heftiger Bass groovt, oder in «OK», wo treibende Momente und melodiöse Passagen kon­trastieren. Über allem die schöne, unprätentiöse, präzise, luftige Stimme von Zoë, die nie brüllt, aber immer Herrin über die Geschehnisse ist. Die schönen Momente erhalten viel Applaus.

Was hat sich seit dem ESC für sie geändert? «Ich bin mutiger geworden», sagt sie im persönlichen Gespräch. Oder laut dem Text ihres ESC-Songs «Voyage»: «Mes yeux candides découvrent le monde», «Meine unschuldigen Augen entdecken die Welt». Mit der ESC-Nummer beendet Zoë ihr Galvanik-Konzert. «Bon Voyage, Zoë Më», eine Künstlerin, die mit ihrer Persönlichkeit und Kunst nie viel mehr brauchen wird als eine Kamera und einen Scheinwerfer. Text von Andréas Härry