Eine wohl unverlässliche Jahreszahl

Dies & Das

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Geschichtsschreiber scheinen uneinig, seit wann der kleinste der drei prächtigen Zuger Stadtbrunnen an seiner Stelle steht. Einmal musste der Brunnen sogar für längere Zeit auf seinen Schutzherrn verzichten.

Zug – Die Stadt Zug rühmt sich dreier prächtiger historischer Brunnenanlagen. Nach dem Kolin- und dem Schwarzmurerbrunnen ist der Oswaldsbrunnen an der Ecke St.-Oswalds-Gasse/Kirchenstrasse direkt beim ehemaligen Gasthaus Schäfli der mit Abstand kleinste von ihnen. Von der Brunnensäule aus guckt der Heilige direkt auf «seine» Kirche gegenüber.

Nicht mit Sicherheit geklärt ist das Baujahr des Oswaldsbrunnens. Am Becken ist zwar die Jahreszahl 1664 zu lesen, dies jedoch erst seit kurz vor der Jahrtausendwende. Zuvor hat da «1771» gestanden. Die Zahl 1664 geht auf den Zuger Geschichtsschreiber Franz Carl Stadlin (1777–1829) zurück, welcher jedoch an anderer Stelle in seiner Chronik 1700 als Baujahr angibt. Somit stehen drei Angaben im Raum, wann der heutige Brunnen errichtet worden sein soll. Was trifft nun zu?

Stilmerkmale geben Hinweise

Gegen 1664 spricht, dass zu der Zeit sogenannte «Diamant­buckel», wie sie die Felder am Brunnenbecken zieren, als Gestaltungselement noch kaum zur Anwendung kamen, sondern erst ab 1700. So argumentiert der Kunsthistoriker Linus Birchler (1893–1967). Auch den Grundriss des Beckens – ein in die Länge gezogenes Hexagon – verortet er in die Zeit nach 1700. So nimmt Birchler eine Bauzeit des Oswaldsbrunnens um 1700 oder später, jedoch klar vor 1771, an. Er geht davon aus, dass die Zahl 1771 auf eine Renovierung hinwies. Die heute zu lesende Jahreszahl 1664, welche im Zuge einer umfassenden, damals dringend notwendigen Gesamtrestaurierung des Brunnens in den 1990er-Jahren angebracht worden ist, kann angesichts der geschilderten Erwägungen von Birchler nach wie vor in Frage gestellt werden.

Auch hier das doppelte Zuger Wappen

Ob der Brunnen nun aus dem frühen 18. oder aus der Mitte des 17. Jahrhunderts stammt, tut seiner Attraktivität selbstverständlich keinen Abbruch. Der mittlerweile mit den beiden anderen historischen Figurenbrunnen unter Denkmalschutz stehende Oswaldsbrunnen erhebt sich heute auf einem zweistufigen Podest aus Pflastersteinen, welches eine eins­tige Zementplattform ersetzt.

Im nach Süden ausgerichteten Beckenfeld mit der Jahreszahl prangt ein doppeltes Zuger Wappen, welches sich in nahezu identischer Form auch an den beiden anderen Stadtbrunnen findet. Der bestens instandgestellte Trog wird am oberen Rand von einer eisernen Manschette umfasst und stabilisiert. Diese Vorrichtung ist bei solchen Anlagen üblich, und wir sehen sie ebenso am Kolin- und am Schwarzmurerbrunnen. Am unteren Schaft der gebauchten Brunnensäule fliesst aus zwei Speiern das Wasser; sie treten jeweils aus dem Maul eines Löwenkopfes hervor, zwischen ihnen Kartuschen und Frucht- wie Blattzierwerk.

Und dann war der Oswald weg

Auf dem opulent gestalteten korinthischen Kapitell steht die polychrom gefasste Figur des heiligen Oswald. Diese war gemäss Linus Birchler um 1883 für rund 32 Jahre entfernt worden. Aus welchen Gründen man den Brunnen um seinen Patron beraubt hat und wohin der Heilige in besagter Zeit verbracht worden ist, geht aus keiner verfügbaren Aufzeichnung hervor. Ab 1915 stand er schliesslich wieder an seinem angestammten Platz.

1993 war der Oswaldsbrunnen Sujet auf der Zunftplakette der Letzibuzäli. Ende 2018 ist der Oswaldsbrunnen mitsamt den anderen beiden historischen Figurenbrunnen einer weiteren Sanierung unterzogen worden. (Andreas Faessler)

Hinweis
Mit «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.