Parfümwolke statt Wasser

Brauchtum & Geschichte

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Gesundheit, Medizin und Hygiene: Das Museum Burg Zug zeigte auf, was das in der Vergangenheit bedeutete.

  • Franziska und Bettina Duttweiler vom Zähringervolk zeigen in der Burg Zug das Leben im Mittelalter. (Bild Stefan Kaiser)
    Franziska und Bettina Duttweiler vom Zähringervolk zeigen in der Burg Zug das Leben im Mittelalter. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Ein schmerzender Zahn, eine grobe Zange, ein markerschütternder Schrei: Bader Magnus hat einen weiteren Patienten von seinem Leiden befreit. Triumphierend hält er den gezogenen Backenzahn in die Höhe, während sich der Patient vor Schmerzen krümmt. Die Zuschauerinnen und Zuschauer im Hof der Burg Zug sind sichtlich froh über die Fortschritte, welche die Medizin seit dem Mittelalter gemacht hat.

Nachgestellt hat diese Szene das «Zähringervolk», eine Gruppe geschichts- und theaterinteressierter Frauen und Männer aus Burgdorf. Sie waren Teil des Programms, welches das Museum Burg Zug vergangenen Sonntag anlässlich des fünften Schweizer Schlössertages organisiert hatte. Die Themen: Gesundheit, Medizin, Hygiene. Nicht nur, weil sie sich gut an die Dauerausstellung in der Burg anknüpfen liessen, sondern auch wegen ihrer Aktualität in Zeiten von Corona, wie Michèle Jörg Dittli, Kommunikationsverantwortliche, verrät.

Waschen geriet in Verruf

Doch das Mittelalter war nicht nur eine medizinisch abenteuerliche Epoche, sondern muss auch eine olfaktorische Herausforderung gewesen sein. Denn Sauberkeit bedeutete damals keineswegs, sich regelmässig mit Wasser zu waschen, wie Sandra Schicker und Giulia Scherer vom Team Bildung und Vermittlung des Museums in ihrer Führung durch die Dauerausstellung erklärten. Im 15. und 16. Jahrhundert sei das Waschen sogar regelrecht in Verruf geraten. Die Zeitgenossen waren fest davon überzeugt, dass Gifte aus der Luft leichter durch die Poren in den Körper gelangen konnten, wenn man sich öfters mit Wasser wusch.

Stattdessen rieb man sich noch bis ins 18. Jahrhundert mit trockenen, teilweise parfümierten Tüchern den Körper ab und wechselte das Hemd ganze zweimal die Woche. Das Anfang des 18. Jahrhunderts erfundene «Kölnisch Wasser» oder «Eau de Cologne» trug seinen Anteil dazu bei, unerwünschte Gerüche zu überdecken. Billiger als Parfüm verbreitete sich das Duftwasser rasch in ganz Europa; wohlhabende Leute sollen regelrecht darin gebadet haben. Auch die opulenten Perücken, typisch für die Barockzeit, wurden in Parfümwolken gehüllt statt mit Wasser gewaschen.

Sauber durchs «Schissigässli»

Manchmal nisteten sich Ungeziefer ein, doch auch dafür gab es eine praktische Lösung: Man steckte kleine Flohfallen in die Perücke, welche mit Blut oder Honig die unerwünschten Eindringlinge anlocken sollten. Trotzdem: Im mittelalterlichen Zug muss es streng gerochen haben. Wer sich in der Burg erleichterte, dessen Ausscheidungen fielen direkt in den Burggraben. In den schmalen Gassen der Altstadt sammelten sich Küchenabfälle und Exkremente. Ehrgraben heissen diese Strassen korrekt, vielsagend ist der volkstümliche Name: «Schissigässli». Zum Saubermachen gab es extra Unterschuhe aus Holz, sogenannte «Trippen», die unter den normalen Schuhen getragen wurden, damit letztere vor dem Dreck verschont blieben.

Da setzen die wohlriechenden Kräuter, die im Mittelalter gegen allerlei Beschwerden eingesetzt und vom schauspielernden «Zähringervolk» im Zuger Burghof wortreich angepriesen wurden, einen angenehmen Kontrapunkt: Lavendel zum Einschlafen, Kamille gegen Zahnfleischentzündungen, Pfefferminze gegen Kopfschmerzen. Und besonders aktuell: Bei Husten soll geräucherter Wacholder helfen. (Tobias Söldi)